Für jede Repression zu haben: Das MUROS aus Meckenheim

Ein MUROS am 1. Mai 2019 in der Rigaer Straße in Berlin. Bild: Matthias Monroy

Eine deutsche Firma baut Spezialfahrzeuge mit Überwachungstechnik. Sie filmen Demonstrationen, hören Telefone ab oder koordinieren Drohnenschwärme an EU-Außengrenzen

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Im EU-Sicherheitsforschungsprojekt ROBORDER testen europäische Grenzbehörden verschiedene Drohnen zur Kontrolle von Land- und Seegrenzen. Zum Einsatz kommen ein unbemanntes Bodenfahrzeug, eine Langstreckendrohne, eine Überwasser- und eine Unterwasserdrohne. Sie operieren eigenständig und in Schwärmen, mehrere Sensoren liefern Videos und Geodaten verdächtiger Fahrzeuge oder Schiffe. Unerlaubte Grenzübertritte an Land werden mithilfe von Wärmebildkameras oder Radargeräten überwacht.

Die Tests erfolgen unter anderem auf der griechischen Insel Kos in der Ägäis. Die Aufnahmen laufen dort in einem mobilen Lagezentrum zusammen. Das Fahrzeug stammt von dem deutschen Hersteller Elettronica aus Meckenheim in Nordrhein-Westfalen und basiert auf einem Mercedes Sprinter. Unter der Produktlinie "Öffentliche Sicherheit" wird es als "Multirole operations support vehicle" (MUROS) verkauft. Für die Teilnahme an ROBORDER erhält Elettronica von der EU-Kommission rund 430.000 Euro. An den Forschungen mit Drohnenschwärmen ist auch das griechische Verteidigungsministerium beteiligt, die Ergebnisse könnten also auch militärisch genutzt werden.

"Missionskontrolle"

Zur konkreten Ausrüstung der MUROS im EU-Projekt ist wenig bekannt. In Kos handelt es sich um die Ausstattung "Überwachung", die Elettronica für die "wachsende Nachfrage der Regierungen an mehr Sicherheit für Bürger" bereit hält. Die Firma soll außerdem das unerlaubte Stören oder Abhören der eingesetzten Drohnen verhindern.

Im Rahmen von ROBORDER testen die Beteiligten außerdem eine Software, die Personen und Objekte anhand ihres Aussehens oder Verhaltens automatisch erkennt und einordnet. Möglicherweise transportiert das MUROS in Griechenland außerdem einzelne Komponenten aus der Variante "Gelände- und Grenzschutz", zu der laut Elettronica ein Radargerät, eine Tageslicht- und eine Nachtsichtkamera, Mikrofone sowie Empfänger für Schiffsortungssysteme gehören.

Elettronica verkauft das MUROS auch zur "Missionskontrolle". Ausgestattet mit einer Videokamera, einem Richtmikrofon und mehreren Bildschirmen sollen sie das "Situationsbewusstsein" von Grenz- und Polizeibehörden verbessern. Die gesammelten Daten können im Fahrzeug bearbeitet und an andere Dienststellen übertragen werden.

Ein Berliner BeDoKw mit Monitoren zur Auswertung der Kameraüberwachung. Bild: Matthias Monroy

MUROS bei der deutschen Polizei

In Deutschland wird diese "Missionskontrolle" unter anderem von der Polizei genutzt. Als "Beweissicherungs- und Dokumentationskraftwagen" (BeDoKw) mit ausfahrbaren, vier Meter langen Masten mit Videokameras und Mikrofonen fahren die MUROS unter anderem auf Demonstrationen und übermitteln die Bilder in hoher Auflösung an die zuständige Einsatzleitung oder an mobile Greiftrupps. Dort können weitere Maßnahmen entschieden werden, etwa bestimmte Personen festzunehmen oder zu verfolgen. Eines der Mikrofone verfügt über Richtcharakteristik, auf diese Weise werden beispielsweise Redebeiträge in das polizeiliche Hauptquartier übertragen (Mit Auge und Ohr gegen den kommenden Aufstand).

Vor fünf Jahren hatten die Polizeien des Bundes und der Länder ihre "Beweissicherungs- und Dokumentationskraftwagen" erneuert. Zunächst erhielten die Bereitschaftspolizeien der Länder 52 neue MUROS, später folgten 24 weitere für die Bundespolizei. In Berlin soll der Stückpreis auf Basis von Mercedes-Fahrzeugen um die 180.000 Euro gelegen haben. Ähnliche Summen gab das Bundesinnenministerium für die neuen Spähfahrzeuge aus: Die 76 MUROS kosteten 14 Millionen Euro, im Schnitt also etwa 184.000 Euro pro Stück.

MUROS auch in Pakistan?

In einem Interview hatte der Geschäftsführer von Elettronica den Wahlspruch der Firma als "Entdecken, Identifizieren und Stören" bezeichnet. Die MUROS werden dementsprechend auch mit Abhörtechnik verkauft. Elettronica wirbt mit einer weitreichenden "Funkspektrumüberwachung", genannt werden sämtliche üblichen Standards, darunter GSM, UMTS und LTE sowie Satellitenkommunikation. Zur verwendeten Technik verliert der Hersteller kein Wort. Möglich wäre beispielsweise, dass Telefone in der Nähe des MUROS mit einem IMSI-Catcher geortet und abgehört werden.

Die Technik zur "Verfolgung von Verdächtigen" ist für Polizeibehörden und für Geheimdienste interessant. Elettronica verspricht, auch unauffällige Fahrzeuge mit den Abhöranlagen auszurüsten. Verkauft wird aber auch ans Militär, jedenfalls präsentiert Elettronica die Spezialfahrzeuge auf einschlägigen Militärmessen. Die Firma dürfte die MUROS zudem auch ins Ausland exportieren. Fahrzeuge aus Meckenheim werden beispielsweise nach Pakistan verkauft, entsprechende Ausfuhrgenehmigungen hat die Bundesregierung auf Basis der Dual-Use-Verordnung erteilt. Die gelieferte Ausstattung ist nicht angegeben, sodass es sich um Technik zum Abhören, zur Störung von Kommunikation oder auch zur Überwachung von Demonstrationen handeln könnte.