USA: "Eine tiefe und brodelnde Wut"

Bild: Needpix.com

Nach einer Umfrage von WSJ und NBC sind 70 Prozent sauer auf die Politik- und Finanzelite

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Offenbar ist der sich als Außenseiter gebende Donald Trump, der aufgrund der Wut auf die herrschende Klasse zum Präsidenten gewählt wurde, kein Ablassventil. Wäre auch sehr seltsam, schließlich gehört der Milliardär, der noch immer den Einblick in sein Einkommen verweigert, eben zu der herrschenden Klasse, auch wenn er weiterhin die Wut seiner Anhänger zu instrumentalisieren sucht und sie auf Migranten, Nicht-Weiße und Liberale zu lenken sucht, während er die Reichen steuerlich entlastet.

Jeff Horwitt von Hart Research Associates, der die Umfrage für das Wall Street Journal zusammen mit Public Opinion Strategies durchführte, sagt, sie hätten schon vor vier Jahren eine "tiefe und brodelnde Wut" im Land vorgefunden. Sie sei trotz des neuen Präsidenten erhalten geblieben.

70 Prozent der Befragten stimmen zu, dass sie wütend seien, "weil unser politisches System scheint nur für die Insider mit Geld und Macht wie die an der Wall Street oder in Washington zu arbeiten", im Oktober 2015 waren 69 Prozent dieser Meinung. 43 Prozent sagen, diese Aussage treffe die Situation sehr gut. 56 Prozent sagen, sie fühlten sich ängstlich oder unsicher über die wirtschaftliche Entwicklung, was 2015 noch 61 Prozent sagten. Gerade einmal noch 27 Prozent glauben, dass es ihren Kindern besser gehen wird.

Gleichwohl sind 52 Prozent der Meinung, dass sie zufrieden seien, dass das politisches System aufgerüttelt und diejenigen gehört und an die erste Stelle gesetzt werden, die viel zu lange vernachlässigt wurden. Das wurde 2015 nicht gefragt, dürfte aber eine Reaktion auf Trumps Politik sein, der sich wenig abgehoben äußert und bei Veranstaltungen sehr genau darauf abzielt, die Stimmung im Publikum anzuschüren, wozu Aggression am besten passt. Dazu war Barack Obama zu distanziert und intellektuell, Trump gefällt das Tosen der erregten Menge. Tatsächlich sagen weniger Republikaner, dass sie wütend seien, aber desto mehr Demokraten. Und es sind die Frauen, die Schwarzen und die Latinos, die mehr Wut äußern als noch 2015.

Mehr als die Hälfte sagt, dass die Probleme zwischen den Bevölkerunsgruppen seit Trump zugenommen haben, 60 Prozent sprechen von Rassekonflikten, ebenso viel sagen, dass die Beziehungen schlecht seien.

Patriotismus, Religion und der Wunsch nach Kindern verlieren an Bedeutung

Aber untergründig verändert sich die Einstellung der Menschen, vor allem der jüngeren, die langsam ein anderes Amerika entstehen lassen könnten. Das hebt vor allem das konservative WSJ hervor, das eine Generationenkluft konstatiert. Bei den Jungen verlieren Patriotismus, Religion und der Wunsch nach Kindern an Bedeutung. Patriotismus ist zwar bei allen noch für 61 Prozent "sehr wichtig", bei einer Umfrage 1998 sagten dies noch 70 Prozent. Religion finden noch 50 Prozent wichtig, 12 Prozent weniger als 1998. Und Kinder zu haben, ist für 43 Prozent sehr wichtig, 16 Prozent weniger.

Das Alter spielt eine große Rolle. Für die Über-55-Jährigen ist Patriotismus noch sehr wichtig, bei den 18-38-Jährigen aber nur noch für 42 Prozent. Ähnlich ist dies bei Religion und beim Kinderwunsch. Aber es ist auch die politische Zugehörigkeit. Bei den Anhängern der Republikaner stehen Patriotismus, Religion und Kinderwunsch noch weit oben, für die Anhänger der Demokraten sind die Werte deutlich geringer. So finden über 80 Prozent der Republikaner etwa Patriotismus für sehr wichtig, bei den Demokraten sind es wie bei den Jüngeren etwas mehr als 40 Prozent.

Toleranz für Andere steht trotz Trump bei Jüngeren und Älteren mit um die 80 Prozent hoch im Kurs. Etwas verwunderlich ist, dass für die Jüngeren "harte Arbeit" wichtiger als für die Älteren ist und Selbstverwirklichung eine geringere Rolle spielt.

Der Generationenkonflikt scheint sich nach dem WSJ auch bei den Demokraten durchzuschlagen. Das könnte für den Wahlkampf nicht so gut sein, wo ziemliche alte Präsidentschaftskandidaten wie Joe Biden oder Bernie Sanders gegen Jüngere antreten. Die über 50-jährigen Demokraten pflegen Ansichten, die eher den jungen Republikanern ähnlich sind als denen der jungen Demokraten.

Zwar scheinen sich etwas linkere Einstellungen bei den Jüngeren auszubreiten, sie dürften aber bei der Präsidentschaftswahl keine Rolle spielen (Demokratischer Sozialismus oder rechte Barbarei?) Bislang sieht es so aus, als würden die alten Wähler eine Entscheidung zwischen dem alten Trump und dem alten Biden favorisieren. Trump konstatiert seit einiger Zeit, dass Biden Anzeichen einer Alterssenilität zeige.

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