Walk on the wild side

Der Sony Walkman zählt nun vierzig Lenze. Klar merkt man dann, dass man alt wird

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Wenn man merken will, wie alt man geworden ist, dann genügt es oft ja schon, ein total bescheuertes und unwichtiges Jubiläum schlagartig für wichtig zu nehmen... und dabei auch noch den Tag zu verpassen, an dem es wirklich etwas zu feiern gab.

Also:

Der Sony Walkman ist vierzig Jahre alt geworden. Irre oder? OK, das wurde das Ding bereits am 1. Juli 2019, aber da habe ich nicht dran gedacht, und da waren auch alle irgendwie schon im Urlaub. Auf jeden Fall zählt das portable Kassettenabspiegerät jetzt 40 Lenze.

Das heißt, das tut es eigentlich nicht. Denn meine Schwester hatte da diesen Cassettenrecorder, der schon vor 1979 total portabel war und mit Batterien auch noch länger als ein Sony Walkman lief, eher sogar noch weniger. Den hatte sie von Quelle bekommen, den musste sie andauernd herumtragen, weil der Vater meinte, dass diese "Hottentottenmusik" bitteschön in einem anderen Zimmer stattzufinden habe, und außerdem konnte sie nach 2 Stunden das Ding schon wieder in die Küche schleppen, um neue Batterien nachzuladen. Aber ansonsten war das schon fast ein Walkman.

Gut, irgendwie konnte der dann nicht mit dem Ding mithalten, das ich mir 1983 leisten durfte. In Metallic Rot und kaum grösser als die Cassette, die der Walkman brav auch beim schnellen Laufen ohne große Laufzeitschwankung abspielte. Mit Softtouch-Tasten und einer Miniklinke für den immer zu schnell wieder kaputtgehenden Kopfhörer. Skip war nicht. Die hohe Kust des Vor- und Zurückspulens bestand darin, es einfach "im Gefühl" zu haben, wie weit das Band nach hinten oder vorne musste, um GENAU den Song-Anfang, den man so liebte, zu erwischen. Mensch, das waren noch Fertigkeiten. Fast so wichtig wie die Reaktionsschnelle beim Aufnehmen des gleichen Songs vom Radio und der rechtzeitigen Stopptaste, bevor dieser Gottschalk wiede in den Song hineinquasselte.

Gut, ich werde alt, das sagte ich glaube ich auch schon.

Warum ich das alles vor mich hin lalle, hat mit einer Ausstellung in Tokyo zu tun, die das niedliche Abspielgerät der 80er und 90er mit "Walkman in the Park" würdigt. Das muss man sich in etwa so vorstellen, dass man in einem der wenigen Parks von Tokyo einen Pavillon mit vielen, vielen Walkmen an der Wand findet, in die man reinhören kann. Mit den gleichen billigen Kopfhörern, die einen schon damals in den Wahnsinn getrieben haben. Und dann sieht man auch die Entwicklung von der Compact Kassette hin zu Mini Disc und DAT, deren Tonträger zwar rauschfrei waren, die aber so verdammt schnell dropouts erzeugten, dass die digitalen Bänder von damals nicht mehr vernünftig hörbar sind. Und dann starb ja der Walkman auch, weil er gegen den übermöchtig werdenden iPOD nicht mehr ankam. Friede seinem Laufwerk.

Ich werde alt, deshalb fände ich es vielleicht wieder einmal schön, meinen alten Schulweg wieder mit einem Sony Walkman und einem billigen Kopfhörer auf dem Schädel zu laufen, Saga oder Deep Purple zu hören und es einfach nicht glauben zu wollen, dass man in nicht allzu ferner Zukunft alle Songs überall einfach so hören können wird. Auf einem tragbaren Telefon. Wie bescheuert wäre das denn.