IAA: Probleme mit Kritik und demokratischem Diskurs

Audi Q7 auf der IAA 2019. Bild: Alexander Migl/CC BY-SA-4.0

Der VDA mochte sich keine Kritik vom Gastgeber anhören und lud den Frankfurter OB aus

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Wie sehr die zur Zeit in Frankfurt stattfindende Internationale Automobil Ausstellung (IAA) in der Krise steckt, lässt sich vielleicht auch daran ermessen, dass die Veranstalter Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) ausgeladen haben. Von ihm wollte man sich lieber nicht begrüßen lassen, offenbar, weil man kritische Worte erwartete.

Wie unter anderem die Hessenschau berichtet, habe der Frankfurter OB eigentlich wie in den Jahren zuvor auch am heutigen Donnerstag zur Eröffnung der Messe für das große Publikum sprechen sollen. Allerdings habe der Verband der Automobilindustrie (VDA) kurzfristig das Protokoll geändert. Der Verband behaupte aber, Feldmann nie als Redner vorgesehen zu haben. Frankfurt werde ja auch durch den hessischen Ministerpräsidenten Volker Bouffier (CDU) vertreten.

Feldmann hat unterdessen seine nicht gehaltene Rede auf Facebook veröffentlicht.

"Darum habe ich bereits bei der vergangenen Eröffnung der IAA vor zwei Jahren einen Wandel gefordert. Konkret geht es darum, dass Menschen, die sich im guten Glauben ein Auto gekauft haben, nicht auf kaltem Wege durch Fahrverbote enteignet werden.
Wir dürfen die Verantwortung für die Produkte nicht bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern abladen, sondern wir brauchen eine Automobilindustrie, die sich gesetzeskonform verhält.
Beweisen wir, dass deutsche Innovationskraft nicht darin besteht, gesetzliche Vorgaben zu umgehen, sondern die umweltschonendsten und zukunftsfähigsten Produkte zu entwickeln. Ich möchte ehrlich sein:
Frankfurt braucht mehr Busse und Bahnen, aber nicht mehr SUVs.
Es kann nicht sein, dass gefordert wird, Parkhäuser neu zu bauen, weil immer mehr Autos für die bestehenden Stellplätze zu groß geworden sind. Wir brauchen eine Mobilitätswende, um den Klimawandel aufzuhalten. (..)
Meine Damen und Herren, wir brauchen einen ökologischen Umbau der Industrie, bei dem niemand auf der Strecke bleibt, nicht die Verbraucher, nicht die Beschäftigten der Branche, aber auch nicht die Umwelt. Ich wünsche mir, dass der Wandel gelingt und wir einen technologischen Fortschritt bekommen, aus dem endlich ein Fortschritt für alle wird. Wirtschaft und Ökologie dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden."
Peter Feldmann, OB Frankfurt

Offensichtlich mochte der VDA seinem Publikum derlei kritische Töne nicht zumuten. Es sieht ganz so aus, als habe der Verband ein Problem mit Kritik und einem offenen Diskurs. Doch überraschend kommt das nicht. Das spezielle Verhältnis der deutschen Automobilindustrie zur Demokratie macht nicht nur ein Blick in ihre Vergangenheit deutlich, in der der Daimler-Benz-Konzern zu den maßgeblichen Förderern und Profiteuren des deutschen Faschismus gehörte.

In besonderer Weise wird das Verhältnis auch in der Person Matthias Wissmann (CDU) deutlich, dem VDA-Präsidenten von 2007 bis März 2018. Wissmann war von 1993 bis 1998 Bundesverkehrsminister unter Helmut Kohl.

Außerdem betätigte er sich 2010 zusammen mit anderen hochrangigen Industrielobbyisten im Energiepolitischen Appell, der sich – kurzfristig erfolgreich – für die Verlängerung der Laufzeit der deutschen Atomkraftwerke einsetzte. (Diese wurde von Bundeskanzlerin Angela Merkel tatsächlich 2010 durchgesetzt, einige Monate später aufgrund massiven öffentlichen Drucks nach der Reaktorkatastrophe im japanischen Fukushima wieder zurückgenommen.)

Wichtig für das Verständnis von Wissmanns Rolle im Machtgefüge der deutschen Politik ist aber seine Mitgliedschaft im sogenannten Andenpakt, einer informellen Seilschaft einflussreicher CDU-Politiker. Geknüpft soll sie 1979 auf einer Reise worden sein, die die Gruppe als Funktionäre der Jungen Union nach Chile führte. Damit hatten sie seinerzeit ihre Sympathie für den blutigen Militärputsch vom 11. September 1973 und die von der nachfolgenden Militärdiktatur gewaltsam durchgesetzte neoliberale Politik demonstriert.

Im einzelnen wurden damals in Chile die linken Parteien einschließlich des linken Flügels der Christdemokraten zerschlagen und deren Funktionäre verhaftet, vielfach ermordet oder ins Exil getrieben. Ähnlich erging es den Gewerkschaften. Insgesamt fielen der chilenischen Diktatur unter Augusto Pinochet etwas mehr als 3000 Menschen zum Opfer. Weitere fast 40.000 wurden zwischen 1973 und 1990 gefoltert. (Bei einer Bevölkerung von etwa elf Millionen im Jahre 1979.)

Neben Wissmann gehören zu der Männergruppe unter anderem auch der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff, der amtierende hessische Ministerpräsident Volker Bouffier, der ehemalige hessische Ministerpräsident Roland Koch – bekannt unter anderem für seine besonders rassistischen Wahlkämpfe – und der einstige Landeschef von Baden-Württemberg und nachmals langjährige EU-Kommissar Günther Oettinger.