Kommt Israel den Kurden zu Hilfe?

Bild: Sana

Die syrische Regierung distanziert sich von den kurdischen SDF, Russland duldet die Invasion, die Türkei droht Europa mit Millionen von Flüchtlingen

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Bei der türkischen Bombardierung von angeblichen YPG-Stellungen soll auch ein Gefängnis in Qamishli getroffen worden sein, in dem ausländische IS-Kämpfer festgehalten werden - von manchen als die gefährlichsten IS-Kämpfer bezeichnet. Die Meldung der SDF zirkulierte in den Medien. Die SDF unterstellen, dass mit dem Angriff "Löcher in das Gefängnis" gemacht werden, damit die IS-Kämpfer fliehen können. Unklar ist, ob dadurch bereits Gefangene ausbrechen konnten, es könnte natürlich auch sein, dass mit der Meldung Stimmung gegen die Türkei gemacht werden soll.

Die syrische Regierung erklärt, sie werde mit allen legalen Mitteln gegen die türkische Aggression kämpfen. Bei den Bombardierungen aus der Luft und durch Artillerie seien gestern 8 Zivilisten getötet worden, es gebe auch Verletzte. Überdies würde Infrastruktur wie Trinkwasserversorgung, Dämme, Stromleitungen, Erdölanlagen sowie Wohngebiete angegriffen. Bei Angriffen auf Fahrzeuge auf der Straße zwischen Raqqa and Tal Abyad habe es auch Tote und Verletzte gegeben. SDF-Kämpfer würden hingegen junge Männer rekrutieren und an die Front schicken. Überdies würde die SDF Zivilisten entführen und Äcker zerstören. Die Assad-Regierung sieht offenbar die Chance, Vorteile aus dem Krieg zwischen der Türkei und der SDF zu ziehen.

Russland hält sich bislang weitgehend aus dem Konflikt heraus. Putin telefonierte mit Erdogan und duldet offenbar dem Angriff auf die Kurden und die Invasion. Nur vorsichtig wird Erdogan aufgefordert, auf die Situation zu achten, um nicht die Bemühungen zur Lösung der Krise zu gefährden. Beide Seiten hätten dann auch die "Bedeutung bestätigt, die Einheit und territoriale Integrität Syriens sicherzustellen und seine Souveränität zu achten". Das muss man als zynischen Kommentar des Kreml verstehen, der auch die bereits unter der Kontrolle der Türkei stehenden syrischen Gebiete wie Afrin akzeptiert. Putin sieht wahrscheinlich die Chance, die Türkei aus der Nato herausbrechen zu können und riskiert dabei die Beziehung zu Damaskus, das aber auf Russland existentiell angewiesen ist.

Ilham Ahmed, die Vizevorsitzende des Syrischen Demokratischen Rats, dem politischen Flügel der SDF, fordert die EU auf, wegen des Kriegs ihre Botschafter aus der Türkei abzuziehen und die diplomatischen Beziehungen einzufrieren. Sie ist gerade nach Brüssel gereist, um für eine schnelle Reaktion zu werben. Überdies fordert sie die Nato auf, die Mitgliedschaft der Türkei in Frage zu stellen: "Der Angriff gefährdet das Leben von 5 Millionen Menschen. Er kann zu einer schrecklichen humanitären Krise führen." Die Kontrolle über den IS könne verloren gehen, was tatsächlich ein Ziel der Türkei sein könnte, die den IS jahrelang geduldet hatte, nicht aber die SDF/YPG.

Netanjahu warnt vor "ethnischer Säuberung"

Während Erdogan die EU warnt, die Türkei nicht zu kritisieren, weil er sonst Millionen Flüchtlinge nach Europa schicken werde, haben die Kurden eine unwahrscheinliche Unterstützung erfahren. Da ist einmal eine Petition israelischer Armeereservisten, die die Regierung auffordern, den Kurden militärisch und humanitär zu Hilfe zu kommen: "Wir als Israelis und Juden dürfen nicht an der Seite stehen, wenn wir eine andere Nation sehen, die von ihren Verbündeten verlassen und verteidigungslos zurückgelassen wurde." Man erinnere sich sehr gut an das "Blut unseres Volkes" und was geschieht, "was passiert, wenn die Nationen der Welt einem Volk seinem Schicksal überlassen". Israel habe die Mittel, dem kurdischen Volk zu helfen: "Und jetzt ist der Augenblick gekommen, dies zu machen."

Ob aufgrund des Aufrufs oder aus anderen Überlegungen hat Netanjahu die türkische Invasion verurteilt, vor einer "ethnischen Säuberung" gewarnt und erklärt, man werde den Kurden "humanitäre Hilfe" zukommen lassen. Mit Kritik an Donald Trump und den USA hielt er sich aber zurück.

In Israel wird gefürchtet, dass der Verrat an den Kurden und der Rückzug aus der Region Israel gefährden und seinen Erzfeind Iran stärken könne. Es entstehe das "Bild einer schwachen USA, die ihren Alliierten nicht hilft", so Eytan Gilboa, ein Experte für die israelisch-amerikanischen Beziehungen an der Bar-Ilan Universität. Nach einem Kommentar in Ynet.com würde das auch die enge Beziehung in Frage stellen, die Netanjahu mit dem amerikanischen Präsidenten gepflogen hat. Netanjahu beschwor deswegen: "Wir werden immer die Grundregel im Gedächtnis behalten und umsetzen, die uns geleitet hat: Israel wird sich selbst gegen jede Bedrohung verteidigen." Für Haaretz macht Trumps Verrat an den Kurden Netanjahu zum "einsamen Reiter auf einem Papiertiger".

Donald Trump eiert indessen wegen seiner Entscheidung herum, die weder im Militär noch bei den Abgeordneten gut aufgenommen wurde. "Wir" haben "das IS-Kalifat hundertprozentig besiegt", erklärt er, ohne die Kurden zu erwähnen, die dies vor allem mit der amerikanischen Unterstützung durch Drohnen und Kampfflugzeuge geleistet haben: "Wir haben unseren Job perfekt gemacht", darunter geht es bei Trump nicht, der Selbstkritik nicht kennt.

Nach Trump gibt es nur drei Optionen: "Tausende von Soldaten zu schicken und militärisch zu gewinnen, die Türkei sehr hart finanziell zu schlagen oder einen Deal zwischen der Türkei und den Kurden zu vermitteln." Truppen will Trump nicht schicken, mit der ökonomischen Vernichtung der Türkei hatte er schon gedroht, die Vermittlung ist auch nicht neu, nur werden sich die Kurden nicht mehr auf Trump verlassen. Auffällig ist vor allem, dass Trump keine Idee hat, wie der Konflikt gelöst werden und was am Ende herauskommen sollte.