Bagdadi-Kill-Mission: Wer erzählt Märchen?

Von wann die Aufnahme von dem Gebäude, in dem Bagdadi sich aufgehalten haben soll, stammt, sollen wir nicht erfahren. Bild: DoD

IS bestätigt Tod von Bagdadi und seinem Sprecher, Pentagon und SDF-Kommandeur widersprechen sich in ihrem Narrativ über die Bagdadi-Operation

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Es dürfte für IS-Anhänger schwierig werden, die Tötung von al-Bagdadi durch eine US-Operation zu leugnen. Fanatisierte IS-Frauen im Camp Al-Hol äußerten die Ansicht, das sei nur ein Mediencoup. Jetzt aber hat der IS über al-Furqan seinen Tod und den seines Sprechers Abu Hassan al-Muhajir bestätigt.

Abu Hassan al-Muhajir, der womöglich Bagdadis Nachfolger werden sollte, wurde kurz nach dem "Kalifen" in Ayn al-Baydah, nahe der syrisch-türkischen Grenzstadt Dscharabulus, durch einen wahrscheinlich amerikanischen Luftangriff in einem Fahrzeug mit weiteren Männern getötet. Manche vermuten, er wollte versuchen, in dem Gebiet, das von der Türkei mit der Operation "Schutzschild Euphrat" 2017 besetzt wurde, einen Unterschlupf zu finden.

IS-Frauen im Camp al-Hol glauben an die Wiederauferstehung des IS.

Schon die Nähe von Barisha, wo Bagdadi sich in Idlib aufhielt, zur türkischen Grenze ist zumindest verdächtig. Idlib wird nach einer Vereinbarung mit Russland von der Türkei durch Beobachtungsposten kontrolliert. Aufgabe der Türkei war es, "gemäßigte" Rebellen von dschihadistischen Kämpfern und Gruppen wie HTS zu trennen, die mittlerweile aber praktisch, mit anderen Gruppen kooperierend, das ganze Gebiet verwaltet. Das ist nicht gelungen und war vielleicht auch gar nicht wirklich von der Türkei beabsichtigt. Wie eng die Kooperation mit HTS und anderen dchihadistischen Gruppen ist, ist nicht bekannt, allerdings ziehen die Türkei für ihre Söldnermilizen Kämpfer aus Idlib und anderen Gebieten ab oder setzen sie zur Machtausübung in von der Türkei eroberten syrischen Gebieten ein.

Nur wenige Kilometer entfernt liegt auch der Ort bei Dscharabulus, in dem der Angriff am Montag auf al-Muhajir stattfand. Wieder ist die Frage, wer hier den Luftraum kontrolliert und von woher der Luftangriff gestartet wurde, vor allem aber auch, warum al-Bagdadi ausgerechnet hier nach Idlib Unterschlupf suchen sollte, da das Gebiet von der Türkei besetzt ist. Es ist hier ruhiger als in Idlib, wo syrische und russische Truppen ihre Angriffe verstärkt haben, vielleicht gab es aber auch weiterhin Beziehungen mit der Türkei, die sich aktiv am Kampf gegen den IS kaum beteiligt hat. Vielleicht wollten die USA den Umzug in das von der Türkei möglicherweise auch als Schutzraum für manche IS-Mitglieder benutzte Gebiet verhindern.

Das Narrativ des US-Generals und das des SDF-Kommandeurs

Um die Operation gegen al-Bagdadi wabern noch immer Gerüchte. Bei seiner Schilderung der Operation sagte General Kenneth F. McKenzie nichts davon, dass bei dem IS-Kalifen ein Spion gewesen sei, der Informationen geliefert habe. Danach gefragt, wer das Kopfgeld in Höhe von 25 Millionen US-Dollar erhalten werde, meinte er wohl scherzhaft, das werde an den Hund gehen, der von Trump und den Medien zum Helden aufgebaut wurde (Pentagon informiert mit Bildern über die Bagdadi-Operation).

In US-Medien wird hingegen eine Geschichte von DSF-General Mazloum Abdi verbreitet, die medial interessant ist, aber wohl kaum stimmen dürfte, auch wenn darüber das Pentagon möglicherweise Kenntnis von dem Aufenthaltsort von al-Muhajir gehabt haben könnte. Seit Monaten habe sich ein zum Spion mutierter ehemaliger IS-Anhänger direkt bei Bagdadi aufgehalten, wenn auch nicht in dem Gebäude gelebt, er sei als für die Sicherheit Zuständiger mit ihm von Haus zu Haus herumgereist und habe dem US-Militär die Informationen zukommen lassen. Es soll sich um einen erzürnten Araber handeln, ein Großteil seiner Verwandtschaft hänge mit dem IS zusammen. Angeblich wollte er sich am IS und Bagdadi rächen. Wofür genauer, sagte Abdi nicht, der NBC ein Interview gegeben hat. Auch die Washington Post berichtet die Geschichte.

Bagdadis Haushalt sei schon sehr klein gewesen, nur wenige seien bei ihm gewesen, die Sicherheitsmaßnahmen seien sehr hoch gewesen: "Er verwendete niemals Hightech-Kommunikation. An jedem Ort, an dem er sich aufhielt, gab es einen Kommunikations-Blackout, abgesehen von denjenigen, die direkt für seine Sicherheit verantwortlich waren, und das war eine sehr kleine Gruppe von Menschen." Neben seiner direkten Familie nur seine Sicherheitsleute.

Dazu mag dann schon weniger passen, dass sich nach Pentagon-Angaben neben den 4 IS-Frauen, einem IS-Kämpfer und Bagdadi mehrere andere Personen in dem Gebäude aufhielten, angeblich bis auf zwei Männer, die festgenommen wurden, "Unschuldige". Dazu kamen die 11 Kinder, die gerettet worden sein sollen, und die zwei Kinder, die mit Bagdadi umgekommen sein sollen. Zu wem die Kinder gehören, wurde uns nicht erzählt. Nach Abdi sei zudem Bagdadis Rächer noch im Gebäude gewesen. "Wir", so Abdi, also die Kurden, seien in Kontakt mit ihm gekommen, die Beziehung habe sich in den letzten 5 Monaten vertieft, seit April habe sich Bagdadi bereits in dem Haus aufgehalten. Der Unterschlupf in einer von der konkurrierenden al-Qaida-Gruppe HTS kontrollierten Umgebung sei höchst überraschend gewesen, das soll wohl heißen, ein geschickter Schachzug.

Wenn der Spion, dem die anderen Sicherheitsleute dann doch nicht blind vertraut haben sollen, sondern ihn umständlich so zu dem Haus brachten, dass er möglichst den Weg nicht sehen sollte, dann dort war, habe er sich die Lage der Räume aus der Perspektive von eingeprägt und diese Informationen den Kurden weitergegeben, die diese dann wiederum an die US-Geheimdienste übermittelt haben. Nur seltsam, dass der US-General in seiner Erzählung weder den Spion noch aktuelle Informationen oder Mithilfe der Kurden erwähnte. Ihnen wurde eine gewisse Hilfe zu Beginn gewährt, der Rest sei dann eine ganz vom Pentagon ausgeführte Aktion gewesen. Der Tunnel sei mit dem Hund und anderer Technik entdeckt worden.

Dagegen Abdi: "Wir erfuhren, dass es einen Tunnel im Haus gibt. Wir erfuhren, wie viele Menschen und Wächter in den Haus waren. Wir erfuhren die nächsten al-Nusra-Checkpoints am Haus. Wir erfuhren die ganzen Sicherheitsdetails des Hauses." Und dann wird es noch wilder. Um dem Spion vertrauen zu können, sollte er gebrauchte Kleidung und eine Blutprobe von Bagdadi bringen.

Angeblich hat er aus einem Haus, in dem sich Bagdadi aufgehalten hatte, vor drei Monaten gebrauchte Unterwäsche Bagdadis weitergegeben. Wie er vor einem Monat an die Blutprobe gekommen sein soll, verriet Abdi nicht. Man verglich die davon gewonnene DNA mit der DNA-Probe, die man gemacht hatte, als Bagdadi 2004 in amerikanischer Gefangenschaft im Irak war. Die Analysen stimmten überein, seitdem habe die CIA den Fall ernster genommen, aber die geplante Operation sei dann, was er schon früher erzählt hatte, angeblich wegen des Rückzugs der US-Truppen und dem Einfall der Türken, verschoben worden, was McKenzie explizit verneint hatte. Bagdadi sei dann kurz davor gestanden, in ein anderes, schon vorbereitetes Haus bei Dscharabulus, umzuziehen. Dann habe man zugeschlagen, der Spion sei mit den US-Soldaten ausgereist und soll das Kopfgeld erhalten.

Vom OIR-Sprecher veröffentlichtes Bild über die Verlegung von Panzern aus Kobani nach Deir ez-Zor.

Wer erzählt also ein Märchen? Das Pentagon oder der SDF-Kommandeur? Das Pentagon will seine Leistung herausstreichen, Abdi die entscheidende Rolle, die die Kurden gespielt haben sollen. Nach erstem Eindruck ist die Kurdengeschichte eher eine orientalische Märchenstunde. Aber wer weiß, vielleicht will das Pentagon die Rolle der Kurden möglichst herunterspielen, um den "Verrat", der Trump vorgeworfen wird, herunterzuspielen.

Auf der anderen Seite stehen die Kurden nun zwischen der syrischen Armee, die fordert, dass sich die SDF in diese integriert, was die SDF aber nicht will, und den Amerikanern, die nun doch in Syrien bleiben wollen, um die Ölfelder bei Deir ez-Zor zu sichern, die nach dem Vormarsch der SDF gegen den IS unter der Kontrolle der Kurden stehen. Die Nachricht macht die Runde, dass ein großer amerikanischer Konvoi zum amerikanischen Stützpunkt bei Kobani gefahren ist, um diesen zu räumen. Soldaten und Gerät soll zum Schutz der Ölfelder verlegt werden. Das bestätigte auch OIR-Sprecher Leutnant Myles B. Caggins.

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