EU-Kommission: (Diese) Industriepolitik ist Rüstungspolitik

Die designierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen tritt am 1. Dezember 2019 mit ihrer neuen Kommission an. Bild: European Commission 2019

Mit Thierry Breton, künftiger Industriekommissar und Generaldirektor für Verteidigung und Weltraum, zum KI-Airbus?

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Zum 1. Dezember 2019 soll die neue EU-Kommission unter der ehemaligen deutschen Verteidigungsministerin von der Leyen ihre Arbeit aufnehmen. Erstmals wird dem Kommissariat für Industrie auch eine Generaldirektion für Verteidigung und Weltraum unterstehen. Frankreich hat für dieses Amt Thierry Breton vorgeschlagen, der bereits zuvor wichtige industrielle Weichenstellungen für die Digitalisierung der Streitkräfte begleitet hat. Könnten damit Thales und Atos zukünftig in einem europäischen Großkonzern für Künstliche Intelligenz nach dem Vorbild von Airbus aufgehen und wer wären die deutschen Partner hierbei?

Die neue Kommission

Mit jeder neuen Kommission ändern sich die Aufgabenbereiche der einzelnen Mitglieder und damit häufig auch die formale Benennung ihrer Kommissariate. Das hat allein schon damit zu tun, dass jeder Mitgliedsstaat durch einen oder eine Kommissar*in vertreten ist und sich damit deren Zahl über die Zeit veränderte. Mit der Erweiterung der EU wurden nicht einfach neue Aufgabenfelder addiert, ihre jeweilige Breite und Zusammensetzung - das Portfolio - wurde auch häufig neu variiert. Teilweise hatte dies auch sachliche bzw. politische Gründe: Aufgaben der Digitalisierung z.B. fielen in der Vergangenheit mal ins Ressort der Kommissar*innen für Forschung und Innovation, für Industrie oder auch für die europäische Zivilgesellschaft, bevor sie 2010 zu einem eigenen Portfolio zunächst unter dem Titel "Digitale Agenda" und später unter "Digitale Wirtschaft und Gesellschaft" zusammengefasst wurden.

In der zukünftigen Kommission unter der ehemaligen Bundesverteidigungsministerin von der Leyen wird dieses Portfolio von einer der drei Vizepräsident*innen der Kommission unter dem sperrigen Titel "Europa fit für das digitale Zeitalter" behandelt und um den Bereich "Wettbewerb" erweitert - der zuvor lange ein eigenständiges und zentrales Ressort darstellte.

Presse und Politik bilden in ihren Bezeichnungen der Kommissionsmitglieder oft weder den korrekten Titel noch das ganze ihm zugeordnete Portfolio ab. Das trifft auch für die Industrie-Kommissar*innen zu. Der deutsche "Industriekommissar" Günther Verheugen etwa arbeitete 2004-2010 unter der offiziellen Bezeichnung des "Kommissars für Industrie- und Unternehmenspolitik", aktuell wird dieses Portfolio von Elżbieta Bieńkowska als "Kommissarin für Binnenmarkt, Industrie, Unternehmertum und KMU" ausgefüllt.

Ihr designierter Nachfolger, der Franzose Thierry Breton, wird in der deutschen Presse weiterhin überwiegend als (designierter) Industrieminister bezeichnet, obwohl der offizielle Titel seines Portfolios "Binnenmarkt" lautet - mit der Bezeichnung "Industrie, Rüstung und Weltraum" aber passender beschrieben wäre. Denn der zukünftige Industriekommissar wird auch der neu geschaffenen "Generaldirektion für Verteidigungsindustrie und Weltraum" (DG Defence) vorstehen, die u.a. den "Europäischen Verteidigungsfonds" (EVF) im Umfang von 13 Mrd. Euro (2021-2027 aus dem EU-Haushalt plus nationale Kofinanzierung) verwaltet, mit dem EU-Rüstungsprojekte angestoßen und die entsprechenden Unternehmensstrukturen geschaffen werden sollen. Hierfür scheint Breton bestens geeignet.

Das unterstrich auch Claire Demesmay, Expertin für deutsch-französische Beziehungen bei der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Interview beim Deutschlandfunk in der Sendung "Europa heute" vom 25.10.2019: Ziel der Benennung Bretons sei es von französischer Seite gewesen, das mit dem Posten des Industriekommissars verbundene "Portfolio für Frankreich in der EU-Kommission sichern. Das ist ein sehr breites Portfolio - Binnenmarkt, Industrie, Verteidigung, Digitalisierung, das ist sehr viel."

Breton sei einer, "der diese Kompetenzen hat, der mit diesen Kompetenzen einfach überzeugen kann und sagen kann: Gut, ich kenne mich mit Industriefragen, mit Verteidigungsfragen und mit Digitalisierung aus".1 Demesmay führt dazu weiter aus: Breton habe "Erfahrungen gesammelt, sowohl in der Regierungspolitik als Wirtschaftsminister unter Jacques Chirac als auch in der Privatwirtschaft. Er war Chef von France Télécom, von Thomson. Er ist jetzt Chef von Atos. Das ist ein französisches Unternehmen aus der Digitalbranche".

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