Proteste und Polizeigewalt in Iran

"Proteste sind erlaubt, aber keine Gefährdung der Sicherheit" (Rouhani). Bild: Press TV

Nach einer massiven Benzinpreiserhöhung und dem Tod eines regimekritischen Dichters kommt es in zahlreichen iranischen Städten zu Protesten

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Wieder einmal gehen Tausende Menschen in Iran auf die Straße und demonstrieren gegen die Regierung, wieder einmal reagieren die Behörden mit Gewalt. Erinnerungen werden wach an die Großdemonstrationen von vor knapp zwei Jahren, bei denen mindestens zwanzig Menschen getötet und Tausende verhaftet wurden.

Ende vergangener Woche beschloss die Regierung von Hassan Rohani, Sozialleistungen für die ärmeren Schichten zu erhöhen und diese durch eine drastische Senkung der Benzinsubventionen zu finanzieren und damit Vorgaben des IMF vom März 2018 umzusetzen. Die iranische Wirtschaft ist in einer katastrophalen Lage, die Arbeitslosigkeit hoch. Durch die Inflation haben sich die Lebenshaltungskosten deutlich erhöht, Lebensmittelpreise haben sich stellenweise verdoppelt.

Viele Produkte des täglichen Bedarfs wurden lange Zeit durch massive staatliche Subventionen künstlich billig gehalten. Der ehemalige iranische Präsident Mahmud Ahmadinejad hatte diese Subventionen stark ausgeweitet, um sich Zustimmung zu erkaufen, was teils erfolgreich war. Seit seinem Amtsantritt hat Rohani diese Subventionen immer weiter beschnitten, was dazu führte, dass ihm eine neoliberale Politik vorgeworfen wurde. In dieser Zeit ist die Wohlstandsschere immer weiter aufgeklafft und Teile der Mittelschicht in die Armut abgerutscht.

Benzinpreise mancherorts fast verdreifacht

Die neuerliche Absenkung der Subventionen hat dazu geführt, dass sich die Benzinpreise mancherorts fast verdreifacht haben - ein Effekt, den besonders die unteren Schichten zu spüren bekommen, denen ja vorgeblich durch höhere Sozialleistungen geholfen werden soll. Doch auch die Beteuerung eines Regierungssprechers, das Geld fließe komplett an die Menschen zurück, konnte am Samstag eine neue Protestwelle nicht mehr besänftigen.

In Teheran, Shiraz, Abadan und in mindestens vierzig weiteren Städten und Dörfern kommt es seit Freitag zu Protesten. Die Demonstranten blockieren Autobahnen und wichtige Hauptstraßen mit ihren Fahrzeugen, andernorts zogen sie zu Fuß durch die Innenstädte. Doch ihre Slogans richten sich nicht nur gegen die aktuellen Preissteigerungen, sondern erinnern an den Jahreswechsel 2017-2018.

Während die Regierung die US-Sanktionen für die wirtschaftlichen Probleme verantwortlich macht und die Demonstranten, wieder einmal als vom Ausland gesteuert hinstellt, richten diese ihre Wut erneut ganz direkt gegen Rohani, sein Kabinett sowie gegen Revolutionsführer Ayatollah Ali Chamenei und fordern ein Ende des Engagements in Palästina, Irak, dem Libanon und anderen Ländern, wo Iran Steuergelder verwendet, um seinen Einfluss auszubauen und auch radikalislamische Organisationen unterstützt. Die Menschen auf den Straßen verlangen, dass zuerst die Probleme im Inland gelöst werden sollen.

Polizeigewalt

Anfangs setzte die Polizei Wasserwerfer und Tränengas ein, im Verlauf des Samstags wurde mehrfach auch mit scharfer Munition auf Protestierende geschossen. Es soll zahlreiche Verletzte und unbestätigten Berichten zufolge auch mindestens einen Toten geben. Von Seiten der Demonstranten ist von über zwanzig Toten die Rede. Hunderte Menschen wurden festgenommen.

Offenbar reagieren die iranischen Behörden diesmal schneller und versuchen, eine Ausweitung der Proteste zu verhindern. In Abadan sollen Demonstranten eine Polizeiwache in Brand gesetzt haben. In der Nacht zum Samstag war in mehreren Städten das Internet stark gedrosselt, im Laufe des Sonntags fiel das Netz komplett aus - auch das eine bereits bekannte Taktik der iranischen Behörden, um die Kommunikation der Demonstranten und den Informationsfluss nach außen zu stören.

Weitere Proteste entzündeten sich bereits am Donnerstag in Ahwaz. Nach dem Tod des regimekritischen Dichters Hassan Haydari gingen Angehörige der arabischen Minderheit auf die Straßen. Haydari hatte im Land ein Publikationsverbot und war 2018 kurzzeitig in Haft. Offiziell hieß es, der junge Dichter - er wurde nur 29 Jahre alt - sei an einem Schlaganfall gestorben, doch sein Bruder dementierte das und heizte Gerüchte an, nach denen er ermordet worden sein könnte.

Belegen lässt sich das nicht mehr - er wurde inzwischen beerdigt, eine Obduktion gab es nicht. Die iranische Regierung hat allerdings eine lange Tradition in der Ermordung regimekritischer Stimmen, so dass die Befürchtungen der Demonstranten und ihr Ruf nach Aufklärung nachvollziehbar sind.