Nach Fridays for Future nun Fridays gegen Altersarmut

Symbolbild: Mathias Konrath/unsplash

Gehen nach den Jungen jetzt die Alten auf die Straße? Kommentar

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Die Jugendklimabewegung geht längst nicht mehr jeden Freitag auf die Straße. Es war klar, dass ein wöchentlicher Protestevent irgendwann an Dynamik verliert. Dafür wollen am heutigen Freitag, den 24. Januar, in über 200 Städten Senioren auf die Straße gehen, und auch sie mobilisieren sich - unter dem Namen Fridays gegen Altersarmut - über soziale Medien. Kopiert jetzt also die ältere Generation die Aktionen der Jüngeren?

Das Anliegen scheint auch verständlich. Schließlich ist Altersarmut ein Problem, über das bereits seit Jahren geredet wird. Was also spricht dagegen, wenn sich Betroffene jetzt selbst organisieren? Einer der Organisatoren schreibt auf Facebook:

Wir können uns selbst zur Lobby machen, in dem wir so viele Menschen wie möglich für unsere Bewegung gewinnen, um gemeinsam gegen Altersarmut zu kämpfen. Unsere Bewegung fühlt sich nur dem kleinen Mann (Bürgern) verpflichtet, deswegen bleiben wir politisch unabhängig, Wir lassen uns von keiner einzigen Partei, Gruppierung oder Politikern instrumentalisieren.

Wir schließen niemanden aus, egal welcher Partei oder Bewegung er angehört, so lange er als Privatperson auftritt und mit uns gemeinsam gegen Altersarmut kämpfen möchte. Wir werden keinen Sonnenkönigen und Selbstdarstellern eine politische Bühne bieten, bei uns stehen ausschließlich die Betroffenen im Vordergrund.

Heinz Madsen, Fridays gegen Altersarmut

Von rechts gesteuert oder nur von Rechten unterstützt?

Da man niemanden ausschließt, bekommt man auch Unterstützer, die sich sicher viele der Senioren nicht wünschen. So hat die Neonazipartei "Die Rechte" ihre Unterstützung bekundet. "Endlich, die Alten stehen auf", jubelte die AfD. Nun könnte man einwenden, man kann sich seine Unterstützer nicht aussuchen.

Die Initiative "Omas gegen rechts" warnt davor, dass auch Organisatoren von Fridays gegen Altersarmut aktiv in rechten Zusammenhängen sind. Allerdings wird da auch betont, dass längst nicht alle Menschen, die sich bei Fridays gegen Altersarmut engagieren, Rechte sind.

Von kritischer Seite heißt es jedoch: "Nicht nur wird die Gruppe 'Fridays gegen Altersarmut' augenscheinlich von Menschen mit rechter und rechtsextremer Agenda geleitet, die Gruppe scheint auch als Honigtopf für nichts ahnende Menschen zu dienen, da kurz vor der Gründung, im Juli 2019 rechtsextreme Blogs dazu aufgerufen haben, das Thema Altersarmut zu nutzen." Mittlerweile wurden in einigen Städten die Mahnwachen und Kundgebungen wieder abgemeldet, weil die Aktiven sich von Rechten instrumentalisiert fühlen.

Rententhema von rechts besetzen

Schon seit Längerem gerieren sich Rechte unterschiedlicher Form als Verteidiger der deutschen Rentner, die angeblich gegenüber Geflüchteten benachteiligt würden. "Rentner müssen Flaschen sammeln und vor Essenstafeln Schlange stehen", heißt es in einem Aufruf der rechten Homepage PI-News im Juli 2019. Dort wurde an die AfD appeliert, das Thema Altersarmut zu besetzen. Nach verschiedenen Statistiken über wachsende Altersarmut kommt dann der nationalistische Erklärungsansatz.

"Die meisten der Sparer, die Monat für Monat in ihre Lebens- und Rentenversicherungen einzahlten, haben noch gar nicht realisiert, welche wohlstandsvernichtenden Auswirkungen der politisch gewollte Euro und die dadurch erst möglich gemachte Nullzinspolitik hat. Nur so ist die relative Ruhe im Merkelland noch zu erklären", wird die Ursache für Altersarmut im Euro gesehen.

Auch der Herausgeber des rechten Magazins Compact, Jürgen Elsässer, hat die AfD aufgefordert, das Thema Altersarmut zu besetzen. Auf einer sozialpolitischen Konferenz der AfD am 1. September 2018 in Brandenburg warnte Elsässer die AfD davor, sich wegen der unterschiedlichen Ansätze in der Rentenpolitik zu zerstreiten.

Damit spielte er auf eine noch ungeklärte Auseinandersetzung zwischen einen marktbasierten wirtschaftsliberalen Rentenkonzept an, wie es vom AfD-Vorsitzen Jörg Meuthen vertreten wird, und den sozialkonservativen Vorstellungen von Höcke und Co. Elsässer rief die AfD-Politiker dazu auf, statt über höhere Rentenbeiträge mehr über die Sicherheit und die Würde im Alter zu reden. Gerade Senioren würden besonders unter dem Verlust traditioneller Werte und alter Sicherheiten leiden. Daran könnte die AfD anknüpfen, so Elsässers Rat. Die Kampagne gegen Altersarmut passt auch in diesen Rahmen.

Aktion gegen Altersarmut und Privatisierung der Altersversorgung wäre nötig

Nun ist es keine Überraschung, dass solche Themen von rechts besetzt werden. Unter dem Motto Fridays for Hubraum wurde bereits versucht, Autofahrer zu mobilisieren.

Schon vor mehr als 15 Jahren beteiligten sich auch Rechte in der Bewegung gegen Hartz IV. Dort gelang es aber linken Gruppen oft, diese auszuschließen. Es ist eigentlich relativ einfach, bei solchen Themen eine Trennlinie zu ziehen.

Rechte Gruppen fordern exklusive Rechte für einige Gruppen, wenn sie Rentner gegen Migranten ausspielen. Sie knüpfen da an Vorstellungen an, dass man sich Rechte erst einmal verdienen muss, beispielsweise durch eine deutsche Staatsbürgerschaft.

Emanzipatorische Positionen verweisen darauf, dass es ein Menschenrecht auf ein Leben ohne Armut und Not geben muss, das man sich nicht erst verdienen muss und das auch nicht von einem Ausweis abhängig gemacht werden sollte. Es gibt in vielen Bundesländern auf dem Papier breite Bündnisse gegen Altersarmut, die von DGB-Gewerkschaften getragen werden.

Es wäre eine sinnvolle linke Betätigung, selbst auf der Straße aktiv zu werden und Rechte für alle Menschen unabhängig von der Staatsangehörigkeit zu fordern und sich gegen die Privatisierung der Altersversorgung zu wenden.

Denn hier liegen die Ursachen für der Altersarmut. Die von den Rechten lancierte Verknüpfung von Migration und Altersarmut aber hat keinerlei empirischen Hintergrund.

Wenig Schlagzeilen macht die Altersarmut der jüdischen Kontingentflüchtlinge aus der ehemaligen Sowjetunion, die gegenüber deutschen Spätaussiedlern diskriminiert werden. Eine Initiative fordert eine Gleichstellung der beiden Gruppen bei der Rente.