Pentagon: Erste Mini-Nukes sind einsatzbereit auf einem U-Boot

Testabschuss eines Trident-Marschflugkörpers. Bild: DoD

Angeblich dienen die taktischen Atomwaffen der Abschreckung, aber sie sollen auch bei nicht-nuklearen Angriffen und als Bunkerbrecher einsetzbar sein

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Ende Januar hatten William M. Arkin und Hans M. Kristensen von der Federation of American Scientists berichtet, dass das Pentagon bereits die neuen taktischen nuklearen Sprengköpfe W76-2 für die Trident D5-Marschflugkörper der Navy übergeben haben. Die taktischen Atomwaffen mit einer geringeren Sprengkraft von 5 Kilotonnen TNT sollen der Abschreckung dienen, aber auch neue Angriffs- und Reaktionsmöglichkeiten eröffnen (Flexibilität) und als Bunkerbrecher eingesetzt werden - und dabei unterhalb der Schwelle zur Auslösung eines Atomkriegs bleiben. Vorgänger sind die Sprengköpfe W76-1 mit 90 Kilotonnen oder auch W88 mit 455 Kilotonnen. So soll das Atom-U-Boot USS Tennessee (SSBN-734) bereits mit den W76-2-Sprengköpfen bestückt Ende 2019 zu einer Patrouillenfahrt auf dem Atlantik ausgefahren sein. Jede der Trident-Marschflugkörper kann 8 Sprengköpfe befördern.

Im Nuclear Posture Review (NPR 2018) und der Nuklearen Doktrin des Vereinigten Generalstabs (2019) war erklärt worden, dass die taktischen Atomwaffen die Abschreckung auch vor nicht-nuklearen "strategischen" Angriffen auf die USA sowie deren Partner und Alliierte verstärken soll. Das könnte darauf hindeuten, dass die USA Atomwaffen auch dann einsetzen wollen, wenn noch kein atomarer Angriff stattgefunden hat, womit das Gleichgewicht des Schreckens durch Androhung der wechselseitigen Auslöschung (mutually assured destruction - MAD) außer Kraft gesetzt würde ((Erst)Einsatz von Atomwaffen kann hilfreich sein).

Gestern wurde vom Pentagon bestätigt, dass ein U-Boot mit der neuen Atomwaffe ausgerüstet wurde. Das wird als Umsetzung des 2018 Nuclear Posture Review und als Schritt gegen "mögliche Feinde", namentlich Russland, dargestellt, die glauben würden, dass taktische Atomwaffen ihnen einen Vorteil gegenüber dem US-Militär verschaffen würden. Alles dient lediglich der Abschreckung in einer gefährlichen Strategie der Eskalation zur Deeskalation, dahinter verbirgt sich aber die Überlegung, aus der Androhung solcher Waffen oder auch durch deren Einsatz militärische Überlegenheit sichern zu können.

Taktische Atomwaffen waren seit 2002 vom Pentagon und dem damaligen Präsidenten George W. Bush gefordert worden. Dabei verfügen die US-Streitkräfte bereits über Hunderte von taktischen Atomwaffen, die allerdings von Flugzeugen abgefeuert werden müssen und von den russischen Raketenabwehrsystemen S-400 oder S-500 abgefangen werden könnten. Angeblich könnten dies aber von U-Booten abgefeuerte Marschflugkörper.

Aber man denkt wahrscheinlich an keinen Krieg mit Russland, sondern taktische Atombomben sollen eben auch dazu dienen, tief unterirdisch gelegene militärische Einrichtungen zerstören zu können. Zum Einsatz könnten sie vermutlich eher bei einem Konflikt mit Nordkorea, vor allem aber mit dem Iran, der nicht nur Atomanlagen, sondern auch Kommandozentralen, Waffenarsenale und Raketen in den Untergrund verlegt hat (Irans unterirdische "Raketenstädte").

In dem 2002 dem Kongress vorgelegten Bericht über die Zerstörung "harter und tief unter der Erde befindlicher Ziele" (Hard and Deeply Buried Target = HDBT) wurde mit Blick auf den Nuclear Posture Review (Eine Kombination aus nuklearen und nicht-nuklearen Angriffs- und Verteidigungsmöglichkeiten) die angebliche Notwendigkeit von Nuklearwaffen mit geringer Sprengkraft begründet. Diese könnten nicht nur unterirdische Anlagen zerstören, sondern auch dort befindliche nukleare, chemische oder biologische Massenvernichtungswaffen vernichten. Der Vorteil dieser Kernwaffen sei überdies, dass die "waffenproduzierten Kollateraleffekte reduziert" würden, wenn sie präzise treffen und tief in die Erde eindringen könnten (Mini-Nukes gegen Schurkenstaaten).

USS Tennessee (SSBN-734), auf der sich die neuen taktischen Atomwaffen befinden sollen. Bild: US Navy

Die Produktion der taktischen nuklearen Sprengköpfe hatte Anfang 2019 begonnen, im September 2019 meldete die National Nuclear Security Administration (NNSA), dass es bei der Produktion der neuen B61-12-Bomben, die im Rahmen der nuklearen Teilhabe die B61-Bomben ersetzen soll, zu einer 18-monatigen Verzögerung komme, das soll auch die Herstellung der W76-2 betroffen haben. Problem waren offenbar Teile, die man dann doch schnell ersetzen konnte (Modernisierungsprojekte von US-Atomwaffen verzögern sich). Arkin und Kristensen schätzen, dass bislang um die 50 W76-2-Sprengköpfe herstellt wurden.

Widerstand gegen die taktischen Atomwaffen hatte es bei den Demokraten gegeben. Die Absicht war, deren Auslieferung durch Sperrung der Gelder noch zu verhindern, da die Produktion nicht mehr zu stoppen war (Streit um taktische Atomwaffen). Doch bei den Verhandlungen zum Pentagon-Haushalt 2020 in Höhe von 738 Milliarden US-Dollar sind die Demokraten eingeknickt und einige durchgewunken, u.a. die Herstellung von jährlich 80 Plutoniumkernen für Atombomben sowie eben die Entwicklung und die Produktion von Mini-Atombomben sowie deren Übergabe an die Truppen (Trump sagt "Wow": US-Verteidigungsetat 2020 steigt auf 738 Milliarden US-Dollar).

Vermutlich wurden unmittelbar nach der Einigung über den Verteidigungshaushalt die neuen nuklearen Sprengköpfe in aller Eile auf das U-Boot gebracht - vielleicht auch schon im Zuge der Planung, den iranischen Kommandeur Suleimani mit einer Kampfdrohne zu ermorden.

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