Deutsche haben mehr Angst vor Krieg

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Und wollen im Konfliktfall lieber neutral bleiben. Die Münchner Sicherheitskonferenz sorgt sich um den Westen

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Die Angst vor Kriegen ist in Deutschland deutlich gestiegen, hat Allensbach ermittelt. Ein Viertel der Bevölkerung hierzulande mache sich große Sorgen darüber, dass Deutschland in einen Krieg verwickelt werden könnte, ist im Sicherheitsreport 2020 zu lesen.

Herausgegeben wird der Lagebericht zum Sicherheitsempfinden der Deutschen von einem Institut mit dem prunkvollen Namen "Centrum für Strategie und Höhere Führung", das am Bodensee ansässig ist und, wie der Visitenkartenname schon nahelegt, Führungskräfte als Zielgruppe hat: "Ein Schwerpunkt der Tätigkeit liegt auf Trainings für das Entscheiden in komplexen Lagen und unter hoher Unsicherheit."

Sowohl an komplexen Lagen wie auch an hoher Unsicherheit mangelt es derzeit nicht, wie nicht nur beim Blick in die Medien, sondern auch an den Ergebnissen des "Sicherheitsreports 2020" abzulesen ist, die an die Presse übermittelt werden. Der Bericht selbst bleibt exklusiv. Die Zahlen stammen vom Allensbacher Institut.

Kriegsangst

Der Sicherheitsreport erscheint seit 2011 jährlich, was Vergleiche zulässt. In diesem Jahr ist aufgefallen, dass die "Kriegsangst" gegenüber dem Vorjahr um 10 Prozentpunkte zugelegt hat. "Ein deutlicher Sprung nach oben", wird als Einschätzung hinzugefügt. Der Bericht blättert einen ganzen Sorgenkatalog auf, der von Gesundheitsrisiken, Angst vor Demenz und Krebs bis zur Clankriminalität und der Unsicherheit gegenüber rechtsfreien Räumen, einem "düsteren Bild der Kriminalitätsentwicklung" bis eben in die Beunruhigung angesichts der internationalen Lage hineinreicht.

58 Prozent der Bevölkerung teilen die "große Sorge, dass aus ihrer Sicht die Lage in Europa und der Welt immer unberechenbarer wird", und 44 Prozent fürchten, dass Deutschland in militärische Konflikte hineingezogen werde, hat die Umfrage herausgefunden.

Im letzten Jahr fiel der Sicherheitsreport, der seinerseits schon vom Gefühl der Bevölkerung getragen war, "in einer besonders unsicheren Zeit zu leben", mit dem Ergebnis auf, dass die USA "als größte Gefahr für den Weltfrieden" gesehen wurden, noch vor Nordkorea, der Türkei und Russland.

Starker Zug zur Neutralität

Die beiden Ergebnisse der Sicherheitsreports 2019/2020 spiegeln sich auf eine indirekte Weise in Schaubildern wider, die im Eingangsessay des Berichts zur am kommenden Wochenende anstehenden Münchner Sicherheitskonferenz auftauchen. Auf Seite 19 des PDFs Munich Security Report 2020 wird anschaulich gemacht, wie Antworten auf die Frage ausfallen, die wissen will, wofür sich die befragten Bürger eines EU-Landes im Falle eines Konflikts zwischen den USA und Russland entscheiden würden.

Die Mehrheit in den Ländern Österreich, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, Ungarn und Italien fällt eindeutig aus. Nur in Polen liegt die Zustimmung für "neutral bleiben" mit 45 % unter 50 Prozent. Überall sonst hat sich die Mehrheit dafür ausgesprochen. Mit dem Spitzenwert von 85 Prozent im neutralen Österreich und aussagekräftigen 70 Prozent in Deutschland.

Die anderen Optionen lauteten: "Sich an die Seite der USA stellen" oder "an die Seite Russlands". Den Spitzenwert für die Seitenwahl USA erzielt bei der Umfrage aus dem Jahr 2019 Polen mit 33 Prozent. In Deutschland würden sich gerade mal 12 Prozent der befragten Bevölkerung im Konflikt zwischen den USA und Russland auf die Seite des Nato-Partners stellen. Für Russland würden sich 7 Prozent entscheiden.

Auch im Konfliktfall USA-China gibt es unübersehbar deutliche Mehrheiten für eine neutrale Position. Sie sind noch ausgeprägter. Bei sechs von acht Ländern liegt die Zustimmung für "neutral bleiben" bei über 60 Prozent. Es lässt sich nicht einmal ein Ansatz für die Mehrheit einer Seitenwahl erkennen, was man mit einiger Anstrengung vielleicht noch bei den 33 Prozent Unterstützung der Polen für die USA im Konflikt mit Russland noch in die Umfragebalken hineinmalen könnte.

Im Falle eines Konflikts zwischen den USA und China sind auch die befragten Polen mit 54 Prozent mehrheitlich für "remain neutral". In Deutschland sind es 73 Prozent. 6 Prozent wären hierzulande für eine Unterstützung Chinas und nur 10 Prozent sind dafür, sich an die Seite der USA zu stellen.

Der Wunsch nach "Raushalten" aus militärischen Konflikten, in denen die USA verwickelt sind, passt - wie die Einstufung der Kriegsgefahr, für deren Entstehung die Politik der US-Regierung mitverantwortlich gemacht wird (Sicherheitsreport 2019) schlecht zu den Überzeugungen, die in der Einleitung zum aktuellen Bericht der Münchner Sicherheitskonferenz dargelegt werden.