Covid-19: Der Weg in die Wirtszelle

Schematische Darstellung eines Coronavirus mit Oberflächenproteinen auf der Außenhülle. Abbildung: Markus Hoffmann

Forscher im Wettlauf mit der Zeit und möglichen Konkurrenten - Ansatzpunkt zur Bekämpfung des Virus in Göttingen gefunden?

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Während Corona die Welt mit stündlichen Schreckensmeldungen in Atem hält, sind - weniger spektakulär - Männer in weißen Kitteln mit Fragen auf der mikroskopischen Ebene beschäftigt. Eine ihrer Fragen lautet: Wie arbeitet eigentlich dieses Ding, wie gelangt es in die Zelle?

Hier könnte es nach neuestem Wissensstand Einsichten geben, die, vorsichtig formuliert, auch schwer Getroffenen Anlass zu vagen Lichtblicken geben. Immer im Hinterkopf, dass es bei Forschung um Geld geht, im Fall der weltweiten Coronaepidemie sicherlich um sehr viel Geld. Forschung gestaltet sich insofern in der brenzligen Situation, in der man händeringend nach Abhilfe sucht, auch als Wettrennen.

Auf der Jagd nach dem Schlüssel

Schwere Krankheitsverläufe bei einer Coronainfektion gibt es vor allem im Zusammenhang mit dem Befall der Lunge. Um eine Krankheit überhaupt auslösen zu können, müssen Viren in Körper- bzw. Organzellen eindringen - dazu heften sie sich an geeignete Zellen und schleusen ihre Erbinformation in diese Zellen ein. Göttinger Infektionsforscher am Leibniz-Institut für Primatenforschung (DPZ) haben sich auf die Frage konzentriert, wie das neue Coronavirus SARS-CoV-2 in die Wirtszellen eintritt. Das Ziel: Herauszufinden, ob und wenn ja dieser Prozess beim neuen Virus blockiert werden kann.

SARS-CoV-2 ist eng mit dem SARS-Coronavirus (SARS-CoV) verwandt, das 2002/2003 die SARS-Pandemie ausgelöst hat. Für die Bekämpfung beider Viren-Arten stehen gegenwärtig weder Impfstoffe noch Medikamente zur Verfügung. Zusammen mit Kollegen von der Berliner Charité, der Stiftung Tierärztliche Hochschule Hannover, der BG-Unfallklinik Murnau, der LMU München, des Robert-Koch-Instituts und des Deutschen Zentrums für Infektionsforschung sieht die Forschergruppe einen erfolgversprechenden Ansatz darin, ein zelluläres Protein unter die Lupe zu nehmen, das für das Eindringen von SARS-CoV-2 in Lungenzellen verantwortlich ist: die Protease TMPRSS2.

"Spike": Das Anheftungsprotein

Das Coronavirus SARS-CoV-2 arbeitet mit einem Anheftungsprotein ("Spike"), dieses nutzt den gleichen zellulären Anheftungsfaktor (ACE2) wie das SARS-CoV. Beide Viren benötigen die zelluläre Protease TMPRSS2 zur Aktivierung. Die Protease ist für den Weg in die Zelle unverzichtbar, sie ist das Schlüsselelement. Blockiert man TMPRSS2, bremst man den Befall von Zellen, in dem Fall von Lungenzellen.

"Damit haben wir einen Ansatzpunkt zur Bekämpfung des Virus gefunden", sagt Prof. Stefan Pöhlmann, Leiter der Abteilung Infektionsbiologie am DPZ. Und wartet gleich mit noch einer guten Nachricht auf: Es existiere bereits ein Medikament, das die Protease hemmt. Sein Name: Camostat Mesilate.

Vorhandene, klinisch freigegebene Medikamente, die gegen TMPRSS2 gerichtet sind, hemmen die SARS-CoV-2 Infektion von Lungenzellen. Bild: Markus Hoffmann

Doppelter Wettlauf

Dabei handelt es sich um ein in Japan zugelassenes Medikament, das üblicherweise gegen Entzündungen der Bauchspeicheldrüse eingesetzt wird. Sein Hemmfaktor, so Pöhlmann, hemme auch die SARS-CoV-2-Infektion von Lungenzellen: "Wir haben (…) festgestellt, dass Camostat Mesilate das Eindringen des Virus in Lungenzellen blockiert", so Mitarbeiter Markus Hoffmann, der Erstautor der Studie. "Unsere Ergebnisse legen nahe, dass Camostat Mesilate auch vor der Krankheit COVID-19 schützen könnte". Dies solle im Rahmen von klinischen Studien weiter untersucht werden.

Ein erfolgversprechender Ansatz? Man wird sehen, der Wettlauf gegen die Zeit und gegen mögliche Konkurrenz ist jedenfalls in vollem Gange. Aus epidemologischer Sicht erweist sich dabei der NRW-Kreis Heinsberg mit seinen hohen Fallzahlen als wichtiger Datenpool. Wie der WDR gestern berichtete, liegen zahllose Proben aus dem dortigen Gemeindegebiet in Dutzenden Laboratorien zur Untersuchung vor. Dazu zählen nicht nur Entnahmen aus Lunge, Nase und Rachen, sondern auch Proben, die aus der Atemluft, von Armaturen, Türgriffen oder aus Siphons stammen. Im Unterschied zu SARS wurde bei Covid-19 auf die Vermehrung der Viren im Rachen bereits frühzeitig hingewiesen. Anhand einer Basisreproduktionsrate R0 versuchen Forscher derzeit zu ermitteln, wie sich die Epidemie weiter entwickeln könnte.

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