"Westernization" der ukrainischen Armee

Bild Wolodymyr Selenskyi: Mykhaylo Markiv / The Presidential Administration of Ukraine / CC-BY-4.0 / Grafik: TP

Von Russland befreit, bis zum Ruin verwestlicht, von Krisen überrollt. Die Ukraine in den Zeiten von Corona - Teil 5

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Die amtierende ukrainische Regierung hat sich bei ihrem Bekenntnis zu dem vom Westen aufgestellten Reform-Katalog die des Militärs zum besonderen Anliegen gemacht. Selenskyj:

‚Besonderes Augenmerk lege ich auf die Reform der Führungsstruktur innerhalb der ukrainischen Streitkräfte.‘ Selenskyj betonte, dass die Ukraine im Jahre 2020 damit beginnen werde, die Standards und Verfahrensweisen der NATO einzuführen, vor allem bei der Ausbildung der Truppen. ‚Diese Arbeit machen wir nicht nur zum Schein. Sie soll zu wirklichen Schritten bei der Reform der ukrainischen Armee führen, in Einklang mit den Standards der Nordatlantischen Allianz‘.
(president.gov.ua, 26.6.19)

Der Präsident ist schwer dafür, endlich und ernsthaft "NATO-Standards und Verfahrensweisen" in seinen Streitkräften einzuführen, auf dass deren nach seinem Urteil schon jetzt hohe Schlagkraft - "Ich habe mich noch einmal davon überzeugt, dass unsere Einheiten in jeder Situation ein hohes Niveau an Kampfbereitschaft besitzen" - auf Weltniveau wachse: "Wir brauchen eine schlagkräftigere Armee... Wir brauchen eine High-level-Armee", sagte der Präsident" - weil ja allgemein gilt: "... eine schlagkräftige Armee macht die Position eines jeden Staates sicherer und stärker. (president.gov.ua, 9.10.19)

Den energischen politischen Willen des neuen Chefs, die ukrainische Armee auf NATO-Format zu bringen, wissen die Freunde der Ukraine in Brüssel und im Pentagon sehr zu schätzen. Dass er sich über das Programm, das er so tatkräftig voranbringen will, in so gut wie allen Hinsichten gründlich täuscht, wird man ihm schon beibringen.

Zustand der Streitkräfte

Über die Einschätzung Selenskyjs, seine Truppe weise ein "hohes Niveau an Kampfbereitschaft" auf, können westliche Militärplaner nur den Kopf schütteln. Sie wissen um die trostlose Verfassung der Armee in ihrem neuen Frontstaat: Einer Armee, die drei Jahrzehnte Niedergang hinter sich hat, seit der Auflösung der SU lange ohne politischen Auftrag in dem Sinn vor sich hin west - und, dem Absturz der Ukraine zum failed state entsprechend, zunehmend ohne Alimentierung; in der das Material, wo immer ein Geschäft winkt, zu Geld gemacht oder von einer der zahlreichen Privatarmeen in Besitz genommen wird; in der Teile des verbliebenen Geräts notdürftig funktionstüchtig gehalten werden und der Rest verrostet; in der das Personal von den oberen Rängen bis zum gemeinen Soldaten depraviert und politisch gespalten ist wie der Rest des Volkes,1 und in der große Teile eine Zukunft als Oligarchensöldner oder/und Krimineller suchen und finden.

Das eigentliche Problem aber - dieser Verdacht hat sich bei den Zuständigen in den USA und in Brüssel im Zuge des Scheiterns ihrer diversen Reform-Versuche zur Gewissheit verdichtet - besteht darin, dass sie es nicht nur mit einem unzuverlässigen Haufen wie in anderen shithole countries auch zu tun haben, sondern mit einem Verein, in dem, wie so oft in der Ukraine, nach wie vor russischer Einfluss vorhanden ist. Immerhin dienen in hohen wie niederen Rängen ja auch Leute, deren Loyalität keineswegs einer Ukraine auf NATO-Kurs gilt, nicht wenige haben ihr Handwerk in Moskauer Militärakademien gelernt und leisten in ihrem ukrainischen Traditionsstolz zähen Widerstand gegen das Vorhaben, ihre Truppe - in Bezug auf Aufbau und Ausrüstung im Grunde immer noch eine Streitmacht sowjetischen Typs, mit der falschen Kommandosprache und mit Schießgerät und Munition, die mit keiner NATO-Anforderung kompatibel sind - in eine moderne Armee nach westlichem Zuschnitt zu transformieren.2 Und es fehlt auch oftmals an der Einsicht, dass die vielfältige Kooperation mit dem großen Nachbarn, von der das ukrainische Militär samt seinem militärisch-industriellen Komplex bis heute zehrt, das entscheidende Hindernis für eine glorreiche Zukunft der Nation darstellt.

Die "Reform" der ukrainischen Armee: Ein großes Abbruchunternehmen unter Aufsicht der NATO

Bei der "Einführung von NATO-Standards und -Verfahrensweisen" handelt es sich daher auch nicht, wie die "Volksdiener" glauben, um so etwas wie Verbesserungen und Umstellungen in einer an und für sich funktionsfähigen Armee, sondern um deren konsequent vollzogene Entrussifizierung und "Westernization", also letztlich um die Neugründung einer politisch verlässlichen und wirklich interoperablen Truppe. Das "Comprehensive Assistance Package for Ukraine (CAP)", das die NATO im Juli 2016 verabschiedet hat, lässt keinen Zweifel daran, dass beim Partner eine "Reform" fällig ist, die keinen Stein auf dem anderen lässt:

- In Auftrag gegeben wird erstens ganz generell eine "Reform des Verteidigungs- und Sicherheitssektors und der Aufbau von Institutionen. Zu den Schlüsselbereichen gehören die demokratische und zivile Kontrolle des Sicherheits- und Verteidigungssektors sowie der Aufbau wirksamer und effizienter Verteidigungs- und Sicherheitsstrukturen." Die bisherigen Strukturen im Sicherheits- und Verteidigungssektor sollen wegen eines offenbar fundamentalen Mangels an "Effektivität und Effizienz" entmachtet und im Wege des "institution building" durch neue ersetzt werden, die den regierenden NATO-Freunden in Kiew und ihren westlichen Aufsehern eine "zivile Kontrolle" über das Militär verschaffen.

- Zweitens soll unter Anleitung des NATO-Partners Norwegen ein "effizientes" Personalmanagementsystem etabliert werden, das dafür sorgt, dass künftig nur noch die richtigen Leute, die mit dem Willen zur "Interoperabilität" mit der NATO, in der ukrainischen Armee Karriere machen.3

- Drittens plant die NATO unter Federführung von gleich drei ihrer Großnationen die Abschaffung des bisherigen Kommando-, Kontroll- und Kommunikationssystems der ukrainischen Armee. Mit Hilfe neuer "C4-Strukturen" sollen eine Streitmacht neuen Typs entstehen - und natürlich auch ganz neue Möglichkeiten für die NATO zur so wichtigen Kontrolle über den "regionalen Luftraum".4

- Viertens kümmern sich die Tschechische Republik, die Niederlande und Polen um "Logistics and Standardization" in der Armee der Ukraine, damit auch bei dieser "Schlüsselkomponente der Reform" Interoperabilität erzielt wird. Usw. usf.

Weil diese "Reform" erkennbar keine ist, sondern ein Programm zur Zerstörung der überkommenen Armee und zu ihrem Neuaufbau als verlässliche NATO-Teilstreitkraft, installiert das CAP in weiser Voraussicht nicht nur die eben erwähnten "Führungsnationen", sondern jede Menge für die Abarbeitung der Programmpunkte verantwortliche gemeinsame "Platforms", "Joint Working Groups", "Partnerships", und der NATO-Generalsekretär versichert seinen Freunden in Kiew noch einmal extra und sehr glaubwürdig, dass sein Verein sie bei der Implementierung des großen Projekts nicht allein lässt: "Die Berater der NATO werden mit euch zusammenarbeiten." (Stoltenberg vor dem ukrainischen Parlament, 31.10.19)

Die neue Regierung traut sich das Aufräumen mit den alten Zuständen nach NATO-Vorgaben, das sie mit einer Runderneuerung ihrer stolzen Armee verwechselt, glatt zu, verfügt per Dekret die Einführung der neuen "C4-Strukturen" und gibt damit den Auftakt zu einem Machtkampf in der Militärhierarchie - es gilt ja, unter strenger Berücksichtigung der richtigen politischen Loyalität, ein neues Kommandosystem durchzusetzen. Sie gleicht die Dienstgrade ihrer Truppe an die in der NATO üblichen an, was alles andere als ein Formalismus ist, nämlich die grundsätzliche Neudefinition von Diensträngen, Aufgaben, Befugnissen und Besoldung; und sie verpflichtet sich gesetzlich auf die Umwandlung ihrer Armee in eine Berufsarmee nach westlichem Vorbild - für einen Staat ohne Geld ein kühnes Projekt.

Dass da ein größerer Gewaltakt zu bestehen ist, ist dem erwähnten Dekret selbst deutlich anzusehen. Für den Fall, dass degradierte oder entlassene Soldaten oder Truppenteile die Notwendigkeit der getroffenen Maßnahmen nicht freiwillig einsehen, richtet der Verteidigungsminister vorsorglich "zusätzlich" zu den Strukturreformen eine "moderne" Militärpolizei ein zur - natürlich! - "effektiven" Durchsetzung der neuen Rechtsverhältnisse.

Korruptionsbekämpfung im militärisch-industriellen Komplex: Noch ein großes Abbruchunternehmen und ein bisschen offizielle Industriespionage

Seit der Ernennung des Litauers Abromavičius, den die USA schon der Regierung Poroschenko als Wirtschaftsminister aufs Auge gedrückt hatten, zum Chef des staatlichen Rüstungskonzerns Ukroboronprom gibt es Fortschritte auch bei der "Reform" des ukrainischen Militärisch-Industriellen Komplexes, wie oppositionelle ukrainische Patrioten empört berichten:

Die Amerikaner führen in der Ukraine eine regelrechte Inspektion durch. Vom 11. bis zum 21. November werden Vertreter des Instituts für Verteidigungsanalyse des Pentagons eine Reihe von Betrieben des ‚Ukroboronprom‘ [der größte ukrainische Rüstungskonzern] aufsuchen. Ihnen wird im Wesentlichen die ganze innere Küche unserer Verteidigungswirtschaft gezeigt, und, von außen betrachtet, sieht das, was da passiert, wie eine Wirtschaftsprüfung aus... In der Anordnung von Aivaras Abromavičius wird darauf hingewiesen, dass alle Leiter der Unterabteilungen von ‚Ukroboronprom‘ an den Treffen mit den Vertretern des Instituts für Verteidigungsanalyse der USA teilnehmen sollen. Und die Leiter der Abteilungen für Panzertechnik, Waffen und Munition, Funkortung, Funkverbindung und speziellen Apparatebau, Schiffbau und Meerestechnik, Flugzeugbau und -reparatur, Verwaltung intellektuellen Eigentums u.a. müssen außerdem auch den Aufenthalt der Amerikaner in den Produktionsfirmen von ‚Ukroboronprom‘ organisieren. All das angeblich ‚zu dem Zweck, von der amerikanischen Seite strategische Empfehlungen und konsultative Hilfe bei der effektiven Implementierung von Reformen im militärisch-industriellen Komplex der Ukraine unter Berücksichtigung der besten internationalen Praxis‘ zu erhalten. Insgesamt neun Tage lang werden die amerikanischen Militärs praktisch alle Schlüsselbetriebe des Landes inspizieren... Die amerikanische Seite ‚wünscht‘, in den Diskussionen mit den Betriebsdirektoren solle es um die Zukunft der Betriebe gehen, um deren Konsolidierung, um Zusammenschlüsse, Änderungen der Betriebsleitung und auch um neue Produktionslinien sowie um Probleme der Lieferketten. Zu dem Zweck soll von jedem Betrieb eine Liste der fünf bis zehn anderen Betriebe geliefert werden, mit denen er zusammenarbeitet. Außerdem wurde darum gebeten, eine vollständige Aufstellung von Personal, Ausrüstung, fachfremden Aktiva und Schulden vorzubereiten.
(strana.ua, 14.11.19)

Der Weltmacht öffnen sich endlich alle Türen in der ukrainischen Rüstungsindustrie, sodass einer Generalinventur nichts mehr im Wege steht, die

- ermittelt, was da an schönen Erfindungen und nützlichen Technologien der westlichen Aufmerksamkeit bisher womöglich entgangen ist - immerhin waren hier zu Sowjetzeiten ca. 20 Prozent der Entwicklungs- und Produktionskapazitäten der Rüstungsindustrie der Weltmacht Nr. 2 versammelt;

- nachrechnet, was da überhaupt wie rentabel hergestellt wird;

- die Frage aufwirft, ob nicht mit Blick auf die "beste internationale Praxis" gewisse "Änderungen" am Platz sind, bei den Betrieben wie bei der Betriebsleitung;

- und, nicht zuletzt: endlich Art, Umfang und Subjekte der einschlägigen Kooperation mit Russland ans Licht bringt. Die gibt es nämlich auch Jahrzehnte nach der Auflösung der SU immer noch. Die russische wie die ukrainische Rüstungsindustrie, einst als Bestandteile eines einheitlichen "militärisch-industriellen Komplexes" aufgebaut, sind ihre wechselseitige Abhängigkeit bis heute nicht losgeworden. Zwar ist inzwischen viel an industrieller Potenz auf beiden Seiten verkommen, und der antirussische Fanatismus in Kiew - vor allem unter der Regierung Poroschenko - hat die einschlägigen Geschäftsbeziehungen erfolgreich dezimiert, aber nicht erledigt. Die finden trotz des laufenden Kriegs gegen den Aggressor im Osten - mehr oder weniger offiziell und mehr oder weniger legal - immer noch statt und tragen ihren Teil dazu bei, dass die Ukraine - trotz allem und immer noch - zu den zehn größten Rüstungsexporteuren der Welt zählt, weswegen die erbetene "Liste mit fünf bis zehn Gesellschaften, mit denen der Betrieb zusammenarbeitet", mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit den Verdacht auf "Korruption in der Verteidigungsindustrie" erhärten könnte.5

Was die Zukunft, in die die ukrainische Rüstungsindustrie auf Anraten der US-Spezialisten vornehmlich schauen soll, anbelangt, so zeichnen sich erste "Änderungen" bereits ab:

Ukroboronprom plant laut stellvertretendem Vorsitzenden Mustafa Nayem, 36 Betriebe zu schließen
(Radio Svoboda, 19.1.20)

Die USA behandeln die Rüstungsindustrie der Ukraine sehr geradlinig als ihren exklusiven strategischen Besitzstand gegen ihre Rivalen: Geschäfte, die Russland nützen, bringen sie, wenn die Regierung in Kiew das mit Blick auf die absehbaren Schäden auch für ihren Laden nicht von sich aus erledigt, zum Erliegen,6  was zwar Härten für den Partner bedeutet, ihm als "Bollwerk zwischen Freiheit und Autoritarismus" (Mike Pompeo) aber alle Ehre macht. Versuche Chinas, sich in die ukrainische Rüstungsindustrie einzukaufen, unterbinden die USA ohne Rücksicht darauf, ob der Deal schon legal abgewickelt ist oder nicht, und legen selbst die Hand auf die entsprechenden Betriebe, was filmreife Machenschaften einschließt.7

Großer Beliebtheit im amerikanischen Verteidigungsministerium erfreuen sich schon seit längerem die Fähigkeiten der Ukraine zur biologischen Kriegführung. Eine bereits seit 1993 bestehende ‚Zusammenarbeit‘, die sich anfänglich darauf konzentriert, die aus Sowjetzeiten überkommene Forschung und ihre Errungenschaften in Sachen biologische Kampfmittel in Besitz zu nehmen, ist inzwischen erheblich ausgeweitet worden: Das Pentagon finanziert und betreibt heute in eigener Regie 15 Labors in der Ukraine, stattet sie mit ausschließlich amerikanischem Personal aus, das sich, fern vom Homeland, der risikoreichen Forschung nach brauchbaren Massenvernichtungsmitteln widmen kann. Anders als China, das den USA Aufklärung für ihr mutmaßliches Corona-Verbrechen schuldet, hat die Weltmacht ihre Bio-Gift-Fabriken selbstverständlich fest im Griff.

Strategische Aufgaben und militärische Ausstattung der Ukraine

Die Aufgaben der ukrainischen Armee und die für deren Erfüllung zweckmäßige Ausstattung definieren die USA streng nach ihren strategischen Bedürfnissen. Die Erfüllung von Selenskyjs Friedensversprechen zählt durchaus nicht dazu. Ein dauerhafter Kleinkrieg, der Russland schwächt, ist den US-Strategen nämlich herzlich recht und auch einiges an modernem Schießgerät wert, weswegen die Ukraine neuerdings sogar panzerbrechende Waffen für ihren Krieg erhält, aber nur unter der Auflage, sie ein paar Hundert Kilometer vom Anwendungsort entfernt zu lagern8  Das potente Zeug soll ‚nur‘ dazu dienen, allein durch seine Dislozierung die abtrünnigen Republiken und ihren Schutzpatron in Moskau mit erheblichen neuen Kriegsrisiken zu konfrontieren und ihren Kriegsaufwand zu erhöhen; seine Anwendung zur Eskalation der Auseinandersetzung ist - fürs Erste - nicht vorgesehen. Aus dem gleichen Grund verhallen auch - fürs Erste - die Bitten aus Kiew um moderne Artillerie, Panzer usw. ungehört, und das ukrainische Heer darf seinen Krieg mit billig eingekauften Uralt-Tanks aus den Zeiten des Kalten Kriegs bestreiten.9

Selenskyjs penetranter Proamerikanismus und seine noch penetrantere Willfährigkeit sind eben mitnichten der Auftakt zu einem schönen do ut des mit der Weltmacht, und Interoperabilität bedeutet aus deren Sicht keineswegs die Aufrüstung des ukrainischen Militärs zur potenten High-tech-Armee unter ihrem eigenen Kommando.10

Amerika nutzt die gewendete Nation mit der größten Freiheit als seinen strategischen Besitzstand, ohne jede Rücksicht auf die Ambitionen des Ze!Teams, mit einer "schlagkräftigen Armee" seine "Position" zu stärken. Die US-Militärplanung subsumiert ihren neuen Waffenpartner vollständig unter ihre Strategie der "Vorwärtspräsenz" an den russischen Grenzen11 und nimmt sich von dem, was in diesem potentiellen riesigen Kriegsraum an intakten oder halbintakten Radarstationen, Flugplätzen, Häfen und militärischem Gerät der ukrainischen Streitkräfte herumsteht, was sie brauchen kann, und baut ansonsten in eigener Regie die militärischen Kapazitäten auf, die sie für ihr Kriegsszenario für nötig hält.

Was genau am ukrainischen Militär für die Zwecke der Allianz brauchbar ist, ermittelt sie in allererster Linie in von ihr geplanten und angeführten gemeinsamen Manövern, die in allen drei Waffengattungen mehr oder minder ununterbrochen stattfinden, Mann und Gerät quasi unter Kriegsbedingungen praktisch auf ihre Funktionstüchtigkeit, Mängel bei der Interoperabilität mit NATO-Verbänden überprüfen, die nötige Auslese vornehmen, Ausbildungs- und Rüstungsprogramme initiieren, was für die Feinsteuerung des bereits erwähnten "Comprehensive Assistance Package for Ukraine" von großem Wert ist. Kein Wunder, dass auch diese Art der "Transformation" der ukrainischen Streitkräfte den patriotischen Ärger über eine "Kolonisierung" der stolzen Nation wachruft. Null Kampfauftrag gegen den Aggressorstaat im Osten, wie ihn Poroschenko und die "Partei des Krieges" liebend gern übernehmen wollen, stattdessen eine Betreuung der Armee und der Rüstungsindustrie, die einer Abwicklung nahekommt: Das strapaziert das nationale Gemüt doch erheblich.

Pompeo, Anfang des Jahres zu Besuch in Kiew:

Der endgültige Sieg der Revolution der Würde ist zum Greifen nah. Die Vereinigten Staaten haben hart daran gearbeitet, der Ukraine bei der Entwicklung einer starken Rechtsstaatlichkeit, eines gesunden Investitionsklimas, eines reformierten Verteidigungssektors und der Energieunabhängigkeit zu helfen, und das werden wir auch weiterhin tun.
(ua.usembassy.gov, 31.1.20)

Peter Decker ist Redakteur der politischen Vierteljahreszeitschrift GegenStandpunkt, in dessen aktueller Ausgabe der vollständige Artikel ebenfalls nachzulesen ist.