USA: Schließung der Botschaft in Bagdad?

Mitglied der irakischen Volksmobilisierungseinheiten (Hashd asch-Shaabi). Foto: Ahmad Shamloo Fard/Commons Attribution 4.0 International License

Pompeo erhöht den Druck auf den Irak und Iran. Gedroht wird mit Militärschlägen gegen schiitische Milizen

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Der ganz große Erfolg der Außenpolitik, den Trump sucht, lässt auf sich warten: eine Friedensvereinbarung zwischen Saudi-Arabien und Israel. Die Signale aus Saudi-Arabien deuten derzeit nicht darauf hin, dass eine solche Vereinbarung noch vor den US-Präsidentschaftswahlen zustande kommen wird.

So bleibt immerhin die Vereinbarung zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Israel, bei der sich die Trump-Regierung Lorbeeren für ihre Vermittlerrolle beim Zustandekommen des historischen Ereignisses aufgesetzt hat. Der groß angekündigte Nahost-Friedensplan ist nicht aufgegangen, sondern in Stücke zerfallen. Trump baut nun auf Teilerfolge.

Aber die Teilerfolge sind schon etwas, um bei den Wählern zu punkten. Zwar ist der Wahlkampf eher von Innenpolitik bestimmt, doch gibt es die Wählerschaft der Evangelikalen und der Amerikaner mit engen Verbindungen zu Israel. Dazu kommen noch diejenigen, für die zum MAGA-Versprechen auch gehört, dass die USA militärische Stärke zeigen, wenn es nötig ist.

Maximaler Druck

Das bevorzugte Ziel der amtierenden US-Administration für solche Demonstrationen ist Iran. Die gezielte Tötung des iranischen Generals der Revolutionären Garden, Soleimani, im Januar dieses Jahres am Bagdader Flughafen war eine solche Demonstration der militärischen Schlagkraft und auch des Schock-Potentials. Gut möglich, dass Trump diesen Effekt noch einmal, wenn auch in etwas kleinerer Dimension, als nächsten Teilerfolg in seine Wahlkampfpräsentation aufnehmen will.

Die Nachrichtenagentur AFP, die Washington Post und die kurdische Publikation Kurdistan 24 berichteten in den letzten Tagen von der Drohung des US-Außenministers Pompeo, die US-Botschaft in Bagdad zu schließen - Teil eines US-Rückzugs aus dem Irak? Den hatte Trump schon öfter angedeutet, allerdings ohne fixen Zeitplan. Zuletzt gab es auch die Ankündigung des US-Generals Frank McKenzie, Chef des U.S. Central Command, dass die US-Truppen demnächst im Irak von 5.000 auf 3.000 reduziert werden könnten.

Die Auflösung der Botschaft in Bagdad ist allerdings, wie aus dem Bericht von Kurdistan 24 hervorgeht, mit einer militärischen Drohung gekoppelt. Sie läuft darauf hinaus, dass US-amerikanisches Personal in Sicherheit gebracht werden soll, damit das US-Militär stärker zuschlagen kann.

"Wenn sich unsere Streitkräfte zurückziehen und die Botschaft geschlossen ist, dann werden wir jeden liquidieren, der sich nachweislich an diesen Akten (Angriffe auf die grüne Zone sowie auf Konvois oder Stellungen von US-Truppen im Irak, Einf. d.Verf.) beteiligt hat", wird Pompeo zitiert. AFP berichtet von "sehr sehr verärgerten Amerikanern".

Nachhaltige Zermürbung

Auslöser sind Milizen mit engen Verbindungen zum Iran, die den USA im Irak eine Art Zermürbungskrieg liefern. Als Namen kursieren die Miliz Kataeb Hezbollah und Asa'ib Ahl al-Haq. Beide Gruppierungen sind den USA als Gegner schon aus Zeiten der irakischen Insurgenz bekannt.Sie werden in Zusammenhang mit einer ganzen Reihe von Anschlägen und kleineren Angriffen gebracht, die den US-Truppen im Irak zusetzen.

Die Angriffe bzw. Anschläge der letzten Wochen, die auch westliche Partner der USA im Irak in Mitleidenschaft zogen, wenn etwa die Grüne Zone in Bagdad beschossen wurde, wo sich viele Botschaften befinden, wurden allerdings nicht von den beiden genannten schiitischen Milizen reklamiert, sondern von einer neugegründeten Miliz: al-Muqawama. Sehr wahrscheinlich steht sie mit Iran in Verbindung. Offiziell wird das aber nicht zugestanden, die US-Regierung wird das wissen. Das gehört zur Politik der Signale, die die Kontrahenten untereinander austauschen.

Der iranische Präsident Rouhani bekräftigte diese Tage erneut, dass es Ziel der iranischen Führung ist, die USA aus dem Nahen Osten zu vertreiben ("trying to get the United States out of the region"). Die Präsenz der USA im Irak ist Iran ("schädlich für die Stabilität der Region") unerwünscht (wie auch die Präsenz Israels im Nahen Osten, wie es Hassreden des greisen Klerikers Khamenei periodisch wiederholen). Rouhani sagte dies bei einem Treffen mit dem irakischen Außenminister Fuad Hussein am vergangenen Samstag.

Dass der irakische Außenminister nach Teheran reiste, als gerade die Drohungen des US-Außenministers Pompeo bekannt wurden, lässt vermuten, dass dieses Thema Grund des Besuches war. Denn die USA versuchen die nächste Machtprobe. Sie erhöhen den Druck auf die Regierung al-Kadhemis, mit der Andeutung militärischer Schläge wie auch mit finanziellen Drohungen. Der irakische Premier hat alle Mühe, die Polarisierungen in seinem Land auszugleichen.

Keine Rücksicht auf die innenpolitische Situation

Eine auf einen größeren und längeren Horizont ausgerichtete US-Politik würde anders als die von Betonköpfen darauf achten, einer Balance im Irak zuzuarbeiten, statt Spannungen zu mobilisieren. So wie es im Libanon unmöglich ist, die Hisbollah zu entfernen, weil sie Teil des politischen Lebens geworden ist, so unmöglich ist es, im Irak die schiitischen Milizen mit iranischen Verbindungen "auszuschalten".

Die Präsenz Irans im Irak im Unterschied zur US-Präsenz ist jedem Besucher auffällig, wie es der US-Beobachter Sam Heller beschreibt. Die Existenz militanter, den USA feindselig gesinnter schiitischer Milizen ist nicht einfach in einem Great-Game-Move zu ändern, das ist keine "Hire and Fire"-TV-Show. Die Kataeb Hezbollah und die Asa'ib Ahl al-Haq sind eng mit den Volksmobilisierungseinheiten verbunden, den Haschd asch-Schabi. Der Konflikt würde schnell eskalieren.

Der irakische Premierminister al-Kadhemi versuchte in den letzten Monaten ein Manöver auf drei Bühnen. Er gab gegenüber den USA Zeichen, dass er mit den aggressiven Aktionen schiitischer Milizen nicht einverstanden war. Mit einem spektakulären Austausch von Führungskräften im Sicherheitsbereich. bahnte er einen neuen Kurs an. Anderseits besuchte er Milizen der Haschd asch-Schabi persönlich, mit Versöhnlichkeitsbotschaften und ostentativen Zeichen der Ehrerbietung.

Die dritte Bühne ist die schwierige innenpolitische Lage. Sie ist gekennzeichnet von einer Revolte, die die Vorgängerregierung zu Fall brachte und die sich am 1. Oktober jährt. Es brodelt noch immer, da es noch keine grundlegenden, spürbaren Reformen zur Verbesserung der ökonomischen Situation gegeben hat. Die Jugend hat wenig Aussichten und viele Gründe, ihren Protest fortzusetzen.

Zu den Spannungen kommt das äußerst brutale Vorgehen gegen die Demonstranten hinzu, bei dem, wie dies zum Beispiel hier sehr scharf beschrieben wird, auch schiitische, irannahen Milizen nicht gerade einen Entspannungsbeitrag geliefert haben sollen, sondern mit aggressiven Verhalten für böses Blut gesorgt haben. Jedenfalls gibt es zahkreiche Vorwürfe in dieser Richtung. Wie al-Kadhemi diese Spannungen entschärfen kann, ist offen. Der Druck aus den USA macht es nicht leichter.

Von der grauen Eminenz des irakischen Klerus, Ayatollah al-Sistani, der die Volksmobilisierungseinheiten zum Kampf gegen den IS 2014 ins Leben gerufen hat, kam zuletzt der Aufruf, dass die versprochenen Neuwahlen in der ersten Jahreshälfte 2021 abgehalten werden sollen.

Es gibt im Irak eine Diskussion darüber, ob der Wahlmodus geändert werden soll. Statt des bisherigen, der auf das konfessionelle und regionale Mosaik viel Proporzrücksicht nimmt und zu langwierigen Phasen der Regierungsbildung führte, plädieren manche für eine Direktwahl des Staatschefs. Das könnte, so die Argumente der Gegenseite, einem Autoritarismus wieder Aufwind geben, den man doch loswerden wollte.

Der Trend im Nahen Osten ist allerdings genau das: die Restauration autoritärer Macht in Zeiten der Unsicherheit. Die besten Beispiele dafür sind Ägypten und die Vereinigten Arabischen Emirate. Irak und Syrien sind besetzte Länder, bei denen immer wieder neu Teilungsvorschläge auf den Tisch gebracht werden. Die USA hatten vor, beide mit Regime Change "politisch zu reformieren". Das ist gründlich fehlgeschlagen. Umso größer ist das Misstrauen gegenüber Einmischungen der USA, was nicht bedeutet, dadurch die Führung ihres Gegners aufzuwerten.