Der Mehrwert ist überhaupt kein Rätsel

Marx ist Murks - Teil 3a. Eine weitere Replik auf die Einwürfe der Foristen

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Vorab: Es handelt sich in den folgenden Ausführungen um die Besprechung der Lesereinwürfe zu der Artikelserie "Was spricht für den Kapitalismus?". Berücksichtigt werden Einträge, nur sofern sie zu Redaktionsschluss (24.09.2020) für die Foren von Teil 1, Teil 2, Teil 3 oder den bisherigen Repliken I und II vorlagen.

Ich bedanke mich für den privaten und öffentlichen Zuspruch vieler Leser, die mich dazu ermuntert haben, mit der bisherigen Verfahrensweise fortzufahren. Und sowieso bei der Redaktion von Telepolis, die mir überhaupt erst diese Möglichkeit eröffnet hat. Ebenfalls bedanke ich mich auch bei den sehr wenigen Lesern, die sich wenigstens die Mühe machen, ihre Kritik nach bestem Wissen und Gewissen darzulegen1, und nicht gleich eingeschnappt sind bzw. direkt in den Hetz-Modus übergehen (z.B. Diffamierung des Autors, Vorwurf des religiösen Eiferns, Mitgliedschaft in einer "Politsekte", Gleichsetzung mit Faschismus), wenn man sie mit Gegenargumenten konfrontiert

An die Leser, deren Gemüt ich besonders erregt zu haben scheine, möchte ich nur eins sagen: Schnappatmung ist kein Argument. Ebenso wenig ist es ein Argument, einfach nur "Nein!" oder "Falsch!" oder "Stimmt nicht!" oder "Da bin ich anderer Meinung!" zu rufen, ohne den vermeintlichen Fehler im ausreichenden Detail herauszuarbeiten. Tut es, wenn schon nicht für mich, so doch für das mitlesende Publikum. Denn wenn es niemanden gibt, den ihr überzeugen wollt, wieso tut ihr euch den Stress der Forumsteilnahme überhaupt an? Wenn die emotionale Ungehemmtheit, die im Forum oft schlagend zum Vorschein kommt, psychologische (z.B. Impulskontrollschwäche) oder physiologische (Hormonspiegel, Blutdruck, ...) Ursachen haben sollte, möge doch diese Sorte Leser zugunsten der eigenen Gesundheit vielleicht besser auf die weitere Lektüre verzichten.

Wenn nicht, dann sollte man sich beim Argumentieren etwas mehr Mühe geben, was z.B. damit beginnt, dass man meine bisherigen Publikationen daraufhin überprüft, ob die eigenen Einwände in der Artikel- oder Replikserie nicht schon angesprochen wurden. Wer etwas wissen will, nimmt sich die Zeit.

Sofern aber von dieser Seite neben hysterischer Aufgeschrecktheit und strohmännischer Unterstellung auch noch themenbezogene Argumente vorgebracht wurden, die nicht bloß die Wiederholung der immerselben Vorwürfe (Gulag, Mauertote, Mangelwirtschaft, etc.) sind, wurden sie für die Replik berücksichtigt. Es ist jedoch nicht von mir zu erwarten, dass ich auf Foristen eingehe, die schon von sich aus damit in die Debatte einsteigen, dass ihnen mein "Wortschwall" oder "Geschwurbel" zu lang ("tldr"), zu lästig, zu "krude" oder was auch immer ist. Man erkennt an fast jeder ihrer Äußerungen, dass sie sich tatsächlich keine Mühe machen, sich in die vorgebrachten Argumente ausreichend tief einzudenken, schon gar nicht in die Rolle des Advocatus Diaboli, die darin besteht, die Argumente des Gegners nach Möglichkeit so stark wie möglich zu machen oder wenigstens korrekt vorzutragen, bevor man sie attackiert, anstatt sich an unwichtigen Details abzuarbeiten (z.B. sich lustig machen über orthographische Fehler), nur um überhaupt etwas entgegnen zu können. Auch werde ich nicht auf solche Foristen eingehen, die ich bisher kritisiert hatte, die aber trotz weiterhin reger Forumsteilnahme mit keinem Wort auf diese Kritik eingegangen sind, jedenfalls nicht, so weit ich es überblicken kann.

Herzlichen Dank auch an einige besonders engagierte Foristen (besonders auffällig "jsjs") für ihre intellektuelle Unnachgiebigkeit. Das sind offensichtlich Experten auf diesem Gebiet. Durch keinen Vorwurf in Verlegenheit zu bringen, dabei stets die Ruhe wahrend. Sie gehen jedem Einwand der Leser nach, mag er noch so blödsinnig klingen, und versuchen, ihn auch im Detail zu entkräften, anstatt sich mit großspurigen Behauptungen zufrieden zu geben. Wo es mir passt, werde ich solche Foristen zitieren, anstatt einen eigenen Standpunkt herauszuarbeiten. Der wäre nämlich ohnehin deckungsgleich, allenfalls in andere Worte gekleidet. Auch ich will auf so viele Einwände wie möglich eingehen, weshalb die dritte Replik der Lesbarkeit wegen in mehrere Artikel aufgetrennt wird.

Mir wurde von einigen Foristen "Publikumsbeschimpfung" unterstellt, und zwar ausgerechnet von solchen, die ich mir gar nicht vorgeknöpft hatte, denn von jenen kam meist eher ein Dank für die Anregung der Debatte und dass ich mich mit ihren Einwänden auseinandersetze. Publikumsbeschimpfung ist ein eigenartiger Vorwurf. Neu hinzugestoßene Leser mögen sich selbst davon überzeugen, ob das stimmt. Eine öffentliche Widerlegung vorgebrachter Gegenargumente gegen meinen Artikel, auf die in vielen Punkten leider fast gar nicht oder nur sehr unzureichend eingegangen wurde, mag einen Ehrenmann zwar gleichermaßen am Ego kratzen wie eine Beschimpfung, ist aber deshalb noch lange keine.2

Was die Leute im Forum sich in ihrer intellektuellen Hilflosigkeit so gegenseitig an Schmähungen und Bedrohungen an den Kopf werfen, dagegen bin ich doch wahrlich ein Waisenknabe. Und welchen Zweck hätte das denn auch? Es geht doch nicht darum, eine Duftmarke zu hinterlassen. Polemik ist gut und erwünscht, ich akzeptiere sie auch gegen mich selbst, solange sie nur leistet, was sie soll: den Inhalt eines Arguments zum Vorschein zu bringen. Sie soll mich dazu bringen, "touché" zu sagen. Alles andere ist einfach nur peinlich und man tut sich mittelfristig keinen Gefallen damit, sich den Unmut der anderen Leser zuzuziehen.

Die Spekulationen um meine Person überschlagen sich. Das ist mir im Grunde alles egal, soll jeder denken, was er will3, nur eins möchte ich gerade rücken. Der Vorwurf schmeichelt mir zwar, aber ich spreche nicht im Namen des Gegenstandpunkt Verlags4

Nun denn, auf geht‘s!

Zur Notation: Mit "[!!!]" und "[!?!]" mache ich auf verdächtige Stellen in den Aussagen anderer Foristen aufmerksam, die ich dann im Anschluss an das Zitat bespreche. Das häufig verwendete Kürzel "AdA" steht für "Anmerkung des Autors". Meine Ergänzungen der Zitate anderer Foristen haben also oft die Form "[!!! Text. AdA]". Wie immer habe ich der Lesbarkeit halber Orthographie und Interpunktion nachkorrigiert, ohne dies explizit auszuweisen. Ergänzungen von mir sind immer in eckigen Klammern. Falls andere Foristen ebenfalls eckige Klammern benutzen, wurden sie, wo es mir aufgefallen ist, durch runde Klammern, Kommas oder Parenthesen ersetzt, manchmal sogar ganz weggelassen.

Wenn es vorkommen sollte, dass ich zu verkürzt zitiere, bitte darauf hinweisen und noch einmal hervorheben, welches Argument unter den Tisch gefallen ist.

Einwand 1: Der Autor betreibt Begriffsverwirrung

Am Ende hat jeder Arbeiter doch zumindest sich selbst und die eigene Ausbildung als Produktionsmittel, die untrennbar mit ihm verbunden sind. […] Der Arbeiter ist mindestens Eigentümer seiner selbst [!!! Richtig! Das ist sogar der Clou im Kapitalismus, AdA] - seines "Produktionsmittels", mit dem er eine bestimmte Arbeit ausführen kann. Er kann sich weiterbilden, lernen und Erfahrung sammeln und sich somit weitere Produktionsmittel [!!!] aneignen. Seine Arbeit kann er am Arbeitsmarkt verkaufen - je nach Marktsituation gewinnbringend.

Forist "cybergorf"

Nein, gewinnbringend kann er sie nicht verkaufen. Er bekommt im Lohn nur ein Äquivalent zurück, keinen Gewinn, das sind verschiedene Dinge. Allenfalls im Falle einer positiven Preisabweichung der Arbeitskraft vom Wert "Preis (= Lohn) > Wert" könnte man wohlwollend von einer Art Gewinn reden.

Offenbar hat Marx die eigene menschliche Arbeitskraft nicht unter den Begriff der Produktionsmittel gefasst. Das ist ein entscheidender Punkt bei ihm. Er legt es aus analytischen Gründen sehr drauf an, die verschiedenen Produktionsbedingungen (Arbeit, Werkzeug, Boden, Wissen, etc.) nicht alle in einen Topf zu werfen, sondern sorgfältig auseinanderzuhalten. Wenn man mit der Benennung unzufrieden ist5, führt man eben eine eigene ein:

Produktionsmittel':= alle Produktionsmittel - Arbeitskraft

Interessanter wäre doch zu fragen, ob seine inhaltlichen Ausführungen stimmen.

Und wieder ein neuer Begriff. Es gibt keinen Mehrwert [!!! Nicht? AdA], den sich jemand aneignet. […] Damit wäre der Mehrwert einfach nur der Gewinn [...], den man bei einem Geschäft macht [!!! Also doch? AdA].

Forist "cybergorf"

Dass es den Mehrwert gibt, ist nicht das Rätsel, das ist mehr als offensichtlich.6 Alle träumen vom großen Geld, und jeder weiß: Wenn es legal zugehen muss, müsste man eine Firma gründen. Ziel der ökonomischen Untersuchung ist es zu charakterisieren, wie er zustande kommt. Marx hat dieses Geheimnis gelüftet. Mehr dazu in Teil 4.

Richtig ist, dass ein Programmierer an sich nicht viel an Produktionsmitteln benötigt. Falsch wäre es, zu behaupten, dass er damit schon alles in der Hand hat, um konkurrenzfähige Produkte herzustellen. Entweder findet er eine Nische, da sagt der Begriff ja schon, dass das nicht die allgemeine Sphäre ist. Oder er benötigt viel, viel Manpower, um gegen die etablierte Konkurrenz antreten zu können. Die dürfte er allein nie aufbringen können, d.h. er braucht Kapital und angestellte (!) Programmierer.

Forist "jsjs"

Einwand 2: Der Mehrwert ist überhaupt kein Rätsel

d) Preise können sehr wohl maximal willkürlich sein

Der Autor bemängelt, dass keine konkreten [!!! Nein: "keine korrekten". AdA], sondern nur fiktive Beispiele [!!! … die also keine sind. AdA] kommen, die zeigen, dass eine Packung Kartoffelchips so teuer werden kann, wie eine Luxusvilla. Ich hätte ein historisches Beispiel, das zumindest in die Größenordnung geht: Tulpenmanie. Und natürlich geht es auch umgekehrt. Wirecard [!!!] ist wohl [!?!] nicht viel mehr wert, als eine Packung Kartoffelchips.

Forist "Klaus N"

Mit Wirecard ausgerechnet einen Betrugsfall, d.h. eine planmäßige Abweichung vom Regelfall des kapitalistischen Standardprozederes, als Gegenbeispiel vorzubringen, um damit den Regelfall zu erklären, ist vom Standpunkt der Theoriebildung schon ein starkes Stück. Das von verschiedenen Foristen vorgebrachte Beispiel der Tulpenmanie beweist aber wohl viel eher meinen Punkt. Und das sagt schon sein Name: "-manie", sprich: Abweichung vom Normalfall.

Die Holländer gaben im 17. Jhd. horrende Preise für Tulpenzwiebeln aus, spekulierten mit ihnen. Da muss man sich doch erst einmal fragen, wie sie überhaupt drauf kamen. Es genügt nicht, einfach auf die Begebenheit zu verweisen und zack fertig. Das Faktum selbst spricht nie für sich allein.7 Es möchte jedenfalls niemand einen Rechtsstaat, wo Leute nach Augenschein abgeurteilt werden. Ihre Schuld muss ihnen schon auch noch bewiesen werden. Darüber hinaus ist anscheinend strittig, ob und in welchem Umfang das Faktum überhaupt gegeben ist. Allein basierend auf der historischen Quellenlage ist die Sache wohl alles andere als eindeutig. Ein paar Belege gibt es aber schon.

Der große Tulpenkrach hat letztlich gezeigt, dass es im kapitalistischen Betrieb eben sehr wohl auf die objektiv ins Produkt - hier: Tulpe - eingegangene Arbeit ankommt und nicht auf einen "subjektiv zugemessenen" Wert, dass sie z.B. als schön oder selten empfunden wird. Plötzlich haben in einer Kettenreaktion alle Tulpenbesitzer schmerzhaft einsehen müssen, dass ihre Zwiebeln tatsächlich kaum mehr wert sind als andere Blumen, weil auf ihre Produktion kaum mehr Aufwand draufgegangen ist.

Aufwendig war die Produktion nur zu Beginn. Nachdem das Zeug frisch aus dem Orient importiert wurde, war sicherlich vieles über das Produkt noch nicht klar. Sowieso umgab die Tulpe bereits ein Mythos sagenhaften Luxus. Tulpen kannte man bis dahin wohl nur aus Erzählungen über den Sultanspalast. Schon bald wurden sie auch in Europa zum Objekt geschäftlicher Tätigkeit.

Doch um ein verlässliches Geschäft daraus zu machen, musste die harte Wirklichkeit zunächst ein paar Fragen beantworten: Lässt sich mit Tulpen ein Agrargeschäft für Luxusprodukte machen (?) - mit dem europäischen Adel und dem gehobenen Bürgertum als anvisierte Käuferschicht. Sind sie bei mitteleuropäischen Klimabedingungen reproduzierbar? Oder muss stattdessen ein regelmäßiger Import die Nachfrage befriedigen? Will ich diese Agrarproduktion vermeintlicher Luxusgüter selbst betreiben, oder versuche ich lieber, durch Aufkauf so viele Tulpen wie möglich lokal zu monopolisieren, um potentielle Tulpenbauern von meinem Angebot abhängig zu machen?

Schließlich verkauft man ja nicht nur die Tulpe, sondern eine Geschäftsbedingung, die ihr in die DNA eingeschrieben ist - ihre Reproduzierbarkeit. Wie viel ist mir diese Quasi-Monopolstellung in meiner jeweiligen Gemeinde wert? Das ist übrigens tatsächlich eine Einschätzungsfrage, aber sie bemisst sich nicht am Gebrauchswert der Tulpe, sondern daran, was man meint, für ein Geschäft daraus machen zu können und welche finanziellen Risiken man bereit ist, dafür einzugehen. Da Holland damals unter dem Eindruck einer Pest stand, war die Risikobereitschaft, so wird massenpsychologisch gemutmaßt, entsprechend höher. Auch Wetten und Lotterien waren sehr verbreitet.

Zum Produktionsaufwand: Der war zu Beginn ja gar nicht ohne. Neue Äcker mussten angekauft, urbar oder frei gemacht und bestellt werden; der Samenbestand musste schrittweise erhöht werden; Forschung musste betrieben werden, d.h. Zucht von klima-, boden- und schädlingsgeeigneten Varianten. Erst nach und nach kristallisierte sich in der Konkurrenz heraus, wie viel Aufwand in der Produktion eigentlich wirklich steckt, und es zeigte sich am Ende ernüchternd: Hmm, gar nicht so viel, wie zunächst vermutet. Die Tulpe ist also doch nur ein typisches Agrarprodukt und keine Zauberpflanze.

Viele Tulpenbesitzer realisierten, dass sie nicht auf einem Geldhaufen, sondern auf einem Haufen Unkraut sitzen.8 Und der Haufen war häufig genug noch nicht mal real, sondern nur ein Versprechen, eine Option9 auf zukünftige Tulpen, die nach bestimmten Muster blühen.

Tulpen haben nämlich unter den Zierpflanzen eine spezifische Eigenschaft. Schon kleine Veränderungen der Bedingungen im Wachstum sorgen dafür, dass die Tulpe ihre Farbe ändert. In den Jahrzehnten um die Tulpenkrise herum waren allein an die 800 Sorten namentlich bekannt. Manche Sorten waren seltener als andere, auch viele Unikate, was die seltensten unter den schönen Varianten zu einer Art Kunstwerk (oder Sammlerstück) macht. Wir haben hier die Unterscheidung zwischen Handwerk und Kunst sozusagen innerhalb derselben Branche vorliegen. Die anvisierte Käuferschicht für die ganz besonderen Exemplare waren entsprechend Kunstnarren mit Geld, z.B. der europäische Adel, der sich um jene Zeit herum für die zierblumenlastige Gartenmode des osmanischen Reichs interessierte ("Orientalische Periode" der europäischen Gartenkunst).

Was die holländischen Händler und Züchter also untereinander gehandelt hatten, waren dann wohl nicht so sehr die Endprodukte selbst, bloße Blumen, sondern zweierlei: einerseits, im Falle einer angestrebten Massenproduktion, die Blue Prints für die gezielte Vermehrung; andererseits, im Falle eines zukünftigen Kunsthandels, strebten sie nach besonders auffälligen und seltenen Exemplaren, um sie zu monopolisieren. Mit anderen Worten: Sie verhandelten - um das Obige noch einmal auszuführen - die Bedingungen eines zukünftigen Kunst- oder Agrargeschäfts. Das kann, je nach individueller Zukunftsvision, auch schon mal zu geschäftstüchtigen Begehrlichkeiten, hohen Gewinnerwartungen und in Folge von Spekulation zu entsprechend astronomischen Preisen führen, die sich in ihrem Preis enorm voneinander unterscheiden. (Vgl. dazu Argumente zum Kunstmarkt in Punkt (h).)

Eine Besonderheit des holländischen Tulpenhandels war, dass die Tulpen noch vor der Blüte verkauft wurden, es also nicht gewiss war, welche Färbung und Musterung sich offenbaren würde, Top oder Flop. Die Käufe hatten insofern auch ein Stück weit Wett- oder Lotteriecharakter, und die haben sowieso rein gar nichts mit gesellschaftlich notwendiger Arbeit zu tun.

Damit ist die Ursache für den späteren Preisverfall benannt: eine vorausgegangene "Blase", d.h. ein Aufblähen des Preises deutlich über den Wert hinaus, die früher oder später durch einen praktischen Einsichtsschock platzen musste. Über den konkreten Auslöser des Preisverfalls und seine Verlaufsform lässt sich meines Wissens nur historisch spekulieren. Eine der vorgebrachten Theorien ist, dass der Sieg der Schweden in Wittstock für viele holländische Tulpenbesitzer die Geschäftsträume platzen ließ, die darauf bauten, mit deutschen Fürsten ins Geschäft kommen zu können, dafür zum Teil in starke Vorleistung gingen und sich entsprechend verschuldeten. Die Tulpen erwiesen sich nicht als taugliches Geschäftsmittel. Dies sprach sich unter potentiellen Käufern herum und es nahm die Nachfrage nach Tulpen ab, was ihren Preis senkte.

Konfrontiert mit sinkenden Preisen wollten die Tulpenbesitzer ihre Bestände wenigstens noch so teuer wie möglich losschlagen, was bei kontinuierlich sinkenden Preisen so früh wie möglich ist. Bei ihren kollektiven Panikverkäufen, die alle letztlich auf dieser einfachen Kalkulation beruhen, bewirken die Verkäufer zusammen das, was individuell keiner von ihnen will: sie erhöhen das Tulpenangebot massiv und senken dadurch ebenso massiv weiter den Preis. Diese Spirale wiederholt sich auf immer niedrigerem Preisniveau, so dass der Preis in den Keller stürzt. Manche Tulpenbesitzer ohne Rücklagen ruinierte das. Sie konnten dadurch ihre Schulden nicht bedienen und zogen unter Umständen auch noch ihre Gläubiger ins Unglück. Die Insolvenzverwalter gucken dann, was das bunte Gestrüpp wirklich wert ist.

Diese Episode der holländischen Wirtschaftskrise als allgemeine Krise zu bezeichnen, mag für die Ruinierten individuell richtig sein, wird jedoch gesamtgesellschaftlich total überzogen dargestellt, wie Wirtschaftshistoriker nachgewiesen haben. Die holländische Volkswirtschaft, damals die wohl führende der Welt - nach welchen Kriterien und Zahlen bemessen, ist mir nicht bekannt -, hat unter der Manie im Ganzen wohl sehr wenig gelitten. Das Geld hat ja, wenn überhaupt, nur seine Besitzer gewechselt, verblieb also vermutlich größtenteils im Land, konzentrierte sich so in den Händen einiger holländischer Gewinner, ich schätze vor allem in denen der Tulpenimporteure und -züchter, die damit z.B. in den Welthandel oder den Ausbau ihrer anderweitigen Unternehmungen investieren konnten. 10

Es konnten nur wenige Bankrotterklärungen in Folge des Tulpenkrachs nachgewiesen werden. Außerdem ist es realhistorisch wohl nicht so, wie es populärhistorisch immer wieder behauptet wird, dass der Tulpenwahn einen Großteil der Bevölkerung erfasst habe, sondern es hat sich der Tulpenhandel auf eine nur relativ kleine Gruppe des urbanen, gut situierten Mittelstands (Kaufleute, Notare, Ärzte, Bürger- und Handwerksmeister usw.) beschränkt, also sozusagen die Speerspitze der bürgerlichen Revolution. Hingegen waren weder das Proletariat noch der Adel in großem Maße in das Spekulationsgeflecht verstrickt.

Das Ausmaß der Krise wird stark übertrieben. Man schätzt z.B., dass in den drei Hauptzentren des Tulpenhandels Harleem, Amsterdam und Enkhuizen gerade mal um die 370 Leute in die ganze Geschichte überhaupt involviert waren. Von denen haben wohl nur die wenigstens Geld verloren. Es kommt halt drauf an, an welcher Stelle man sich in den diversen, mitunter verflochtenen Schuldenketten befindet.

Auf denselben Trick sind auch einige Indianer zunächst hereingefallen, als sie Felle gegen Glasperlen tauschten. Irgendwann wurde auch ihnen klar, dass sie beschissen wurden und feststellen mussten, wie einfach Glas - im Vergleich zum Jagen - herzustellen ist. Wäre das auch mit Gold passiert, welches zu Beginn der Neuzeit so ziemlich weltweit bekannt war? Klar, wenn dieselben Gründe wie bei den Tulpen und Glasperlen zutreffen, d.h. solange das Produkt vorgaukelt, dass darin mehr gesellschaftlich notwendige Arbeit steckt, als wirklich drin steckt.

Nun ist Gold aber tatsächlich produktionsaufwendig. Wie geht das Vorgaukeln also? Indem man das Produkt zwar dem Namen nach als Gold kennzeichnet, es in Wirklichkeit aber bloß eine gestreckte Legierung ist, die viel billiger ist. Das nennt sich Münzfälschung oder -entwertung. Solange dies nur gelegentlich passiert, hat es kaum Einfluss auf die Wirtschaft einer Nation. Dies haben Staaten durch Androhung harter Strafen (bis hin zur Todesstrafe) und durch die Zunahme in der Komplexität der Münzprägung (schwer nachzumachende Prägemuster) zu erreichen versucht.

Volkswirtschaftlich problematisch wird es erst dann, wenn die Münzentwertung die gesamte Nation und vielleicht sogar die benachbarten Nationen ergreift, wenn also z.B. der Staat selbst ganz systematisch die Münzfälschung in die eigene Hand nimmt, um so die nationalen Goldreserven auf sich zu ziehen, die er zur Finanzierung seiner Projekte (z.B. Söldnerheer) braucht. Dann nimmt die Entwertung sogar solch massive Züge an, dass es darüber glatt zur Krise kommt (Stichwort: Kipper- und Wipperzeit). Philipp de Valois (1293-1350, König von Frankreich) hielt es gar nicht erst für nötig, diese Praxis geheim zu halten. An solchen historischen Erzählungen blamieren sich Geldtheoretiker regelmäßig, die behaupten, Geld hätte nur daher seinen Wert, weil wir alle ganz fest dran glauben, dass es einen Wert hat. Nein, nein, da passiert schon auch noch ein bisschen mehr im Hintergrund als bloß eine kollektive Wahnvorstellung.

Es wäre doch viel interessanter, am Beispiel der Kartoffelchips, die zum üblichen [!!!] Preis verkauft werden, nachzuweisen, dass dort eben nicht der Arbeitsaufwand wertbildend ist.

Forist "jsjs"

Dies entspricht natürlich nicht dem Standpunkt von "jsjs" selbst, sondern ist nur die Ermahnung an "Klaus N", seine alternative Preisbildungstheorie konsequent durchzuziehen.

Dabei wäre zu berücksichtigen, dass der allgemein übliche Preis eben in der Regel feststeht, und hierzulande nicht an der Kasse nachverhandelt wird. Wie kommt also der Preis für eine Tafel Schokolade zustande, und warum weicht der so eklatant von dem eines VW Golfs ab?

Forist "jsjs"

"Klaus N" lässt sich nicht lange bitten und liefert ab:

Mein Erklärungsansatz wäre: zu extremen Preisen kommt es nur, wenn das Angebot unelastisch [!!!] ist. Siehe als milderes Beispiel die Preise für Masken zu Beginn der Pandemie.

Forist "Klaus N"

Die Theorie der Preiselastizität ist nur eine Verfeinerung der Theorie von Angebot und Nachfrage und besagt im Wesentlichen nur, dass sich Güter danach unterscheiden, wie stark die Preise angehoben oder gesenkt werden, wenn die Nachfrage relativ zum Angebot steigt oder sinkt. Das hat unter anderem damit zu tun, wie leicht bestimmte Güter durch andere ersetzt werden können, wenn man sie sich nicht mehr leisten kann.

Medizinische Masken waren vor der Corona-Krise sehr günstig. Als die Maskenpflicht kam und es einen Run auf Masken gab, schnellten die Preise hoch. Als es hieß, auch provisorische Masken seien erlaubt, und die Kapazitäten der Produktion ausgebaut wurden, da wurde auch der Preis wieder stark gesenkt. Hier muss man auch berücksichtigen, wie die Politik in die Preisbildung hineinregiert hat - zunächst durch Androhung von Strafen, später durch Subvention der Produzenten und Legalisierung provisorischer, selbstgemachter Masken. Was denkt sich der Durchschnittsbürger, der allein aus Furcht vor Strafe sich eine Corona-Maske für 15-20 Euro kauft? Welche Abwägung nimmt er dabei vor? Ganz einfach: Lieber den Gegenwert einer Arbeitsstunde hinblättern als zu riskieren, den von mehreren Arbeitstagen blechen zu müssen. Er weiß: Au weia, der Staat droht mir, das Produkt meiner Arbeit wegzunehmen, wenn ich nicht spute. Er weiß also sehr wohl, dass Geld letztlich "Symbol für Männerschweiß" (Forist "blu_frisbee") ist.

Zum wiederholten Male: Marx hat die Theorie von Angebot und Nachfrage nicht per se hinterfragt, auch nicht, dass die Preisschwankungen für verschiedene Güter unterschiedlich stark sein können. Diese unterschiedliche Stärke der "Volatilität" kann an den jeweiligen Produkteigenschaften begründet werden (stabile Preise bei Brot, starke Schwankungen bei Benzin). Er hat aber A & N an der richtigen Stelle in der Theorie eingeordnet, indem er benannt hat, worum sich auch die Lehre der Preiselastizitätstheorie drückt: Das Grundniveau der Preisbewegung zu erklären, was bei Marx der Wert ist, der über den Zeitverlauf gemäß seinen Bewegungsgesetzen steigen oder sinken kann. Das Einzige, was sie bestenfalls anzubieten hat, ist der übliche zirkuläre Murks. Das geht dann z.B. so:

Der Preis für Gold ist nicht hoch, weil Goldschürfen viel Arbeit macht, sondern man steckt viel Arbeit in die Goldförderung, weil der erzielbare Preis so hoch ist.

Forist "Klaus N"

Und woher wissen Goldschürfer, bevor sie in die Goldproduktion für den Markt einsteigen, dass der erzielbare Preis hoch sein wird? Doch wohl nur aus Erfahrung: Weil bereits früheres Gold auf dem Markt etabliert ist, von dem sie eben schon wissen, dass es was wert ist. Aber woher hat dieses frühere Gold überhaupt seinen hohen Wert? Man sieht, das Spielchen lässt sich bis in die prähistorische Vergangenheit so weitertreiben, bis zu den ersten Goldschürfern der Spezies homo sapiens, lange bevor es Märkte gab. Das erklärt nicht viel - oder ich hab das Argument falsch verstanden und falsch wiedergegeben. In diesem Fall bitte ich um eine Korrektur.

Wenn man den Preis nur durch den Preis erklärt, wird der Preis magisch ohne Erklärungskraft.

Forist "blu_frisbee"

Ohne Wertbegriff bleibt Geld mysteriös. Was Geld ist, interessiert die Bürgerlichen nicht, nur was man damit machen kann.

Forist "blu_frisbee"

Was ist das denn nun wirklich, also ich meine wirklich? Diesen Essentialismus halte ich tatsächlich für steril.

Forist "Klaus N"

Es mag ja sein, dass man es langweilig findet herauszufinden, was den Wert oder Preis einer Ware, insbesondere auch der Geldware überhaupt ausmacht, aber dann beraubt man sich halt einiger entscheidender Erkenntnisse. Dann steht man den scheinbar willkürlichen Bewegungen der Preise immer ratlos, oder mit einer unzureichenden Erklärung gegenüber, die zu ebenso unzureichenden Lösungen führen.

Volkswirte und Geld: Die reden meistens [!!!] über Geldmengen, und wie man die steuern muss. Da geht es um eine Funktion [!!!] für die Ökonomie, und nicht um die Bestimmung dessen, was Geld ist.

Forist "jsjs"

In der Tat: Wenn man sich in einem VWL-Lehrbuch danach erkundigen will, was Geld ist, dann bekommt man stets nur Antworten zu hören von der Sorte, wie man sie auch in der Bild-Zeitung regelmäßig verdolmetscht bekommt: Geld ist dazu da, um den Tausch zu vereinfachen, um das Sparen und das Investieren zu ermöglichen, usw., d.h. lauter funktionelle Auskünfte darüber, was man mit Geld so alles machen kann. Schön und gut, aber dies beantwortet nicht die Frage, warum Geld diese Funktionen überhaupt erfüllen kann, und deshalb auch nicht, was Geld ist.

Wenn man z.B. wissen will, was Wasser ist, wäre man vermutlich wenig zufrieden gestellt mit einer Antwort der Sorte "Wasser ist zum Waschen, Trinken, Schwimmen, Feuerlöschen, Chemikalienverdünnen, etc. da". Oder: Was ist ein Pferd? Damit kann man reiten. Denn das beantwortet nicht die Frage, was Wasser und Pferde sind, sondern nur, wie und wo sie ihre guten oder schlechten Verwendungen finden. Wissenschaftstheoretisch nennt man das den Funktionsfehler.

Marx hingegen hat das Geld tatsächlich erklärt. Die Funktionen des Geldes leitet er dann aus dieser Erklärung ab und fängt nicht etwa - wie die VWLer - direkt bei den Funktionen an. Der Grund, warum Marx sich so sehr auf die Wesensbestimmung ("Essentialismus") des Geldes versteift, liegt darin, dass schon darin eine ganze Menge Kritik an der Marktwirtschaft zutage tritt, die in Folge weiter entwickelt wird, und weil man sonst den Funktionen, die das Geld ja tatsächlich erfüllt, begriffslos-akzeptierend gegenüber steht.

So eingeführt, erscheint das Geld glatt als ein einziger Segen, als ein Ermöglicher: Es ermöglicht uns nämlich zu tauschen, zu sparen, Schulden zu machen, zu investieren und all das Zeug, was man mit Geld machen muss, wenn man es seinen Bestimmungen nach richtig gebrauchen will. Ach was wären wir bloß ohne Geld? Ganz klar, aufgeschmissen! Denn all diese Dinge könnten wir ohne Geld nicht tun. Gott sei Dank, dass wir es haben! So beginnt jede Wirtschaftsvorlesung erst einmal mit einem Riesenlob ans Geld und an die Gesellschaft, in der es zirkuliert.

f) Marx vernachlässigt die Zahlungsbereitschaft

Nutzen und Wert eines Produktes sind voneinander unabhängig [!!!]. Nach der Grenznutzentheorie kann man den Nutzen eines Produktes näherungsweise über die Zahlungsbereitschaft messen [!!!].

Forist "Klaus N"

Sie schaffen es, sich in 2 aufeinander folgenden [S]ätzen zu widersprechen. Ist er nun unabhängig oder nicht, der Nutzen vom Wert?

Forist "Gegenstandpunktleser"

Kleiner empirischer Einwand zur Zahlungsbereitschaft am Rande:

Die "Zahlungsbereitschaft" ist zum einen nur nach [!!!] der Transaktion ermittelbar, also wenn die potentiell mögliche Kaufentscheidung auch realisiert worden ist. […] [Sie] hängt also von Faktoren ab, die komplett extern sind, die vor dem tatsächlichen Kauf gar nicht zum Tragen kommen, und über ökonomische Kenngrößen überhaupt nicht erfassbar sind. […] Was passiert, wenn man dennoch glaubt, man könne solche Milchmädchenrechungen durchführen und sie auf die Realität übertragen, zeigte sich anschaulich beim Ford Edsel: Einfach mal eine "Zahlungsbereitschaft" herbei analysiert, die das Zehnfache der de facto festgestellten Zahlungsbereitschaft war.

Forist "Schizooura"

Natürlich ist Nutzen messbar, und zwar in Geld. Wie viel nützlicher ist ein stabiler Tisch gegenüber einem wackeligen? Das, was der Käufer dafür mehr bereit ist zu zahlen.

Forist "deedl"

Dann bitte ich auch noch darum, die Einheit des Nutzens zu bestimmen.

Forist "jsjs"

Die gibt es nicht. Ich weiß, dass ich lieber Steak als Spinat esse und Spinat lieber als Sellerie, und dass ich für ein Steak bereit bin, 20 Euro zu zahlen, für eine Portion Spinat aber höchstens 5 und für Sellerie höchstens 2. Ich kann aber nicht sagen, dass mir Spinat 5 Nutz liefert. Zahlungsbereitschaft reicht, kardinal skalierter Nutzen ist nicht erforderlich.

Forist "Klaus N"

Der Forist hält hier der "kardinalen" Nutzwertlehre die "ordinale" entgegen. Kardinal heißt: Der Spinat liefert mir 5 Nutz. Ordinal bedeutet: Steak > Spinat > Sellerie. Methodologisch möchte ich zunächst anführen, dass ich es wunderbar finde, dass ihm die höchst schwierige Aufgabe gelungen ist, aus Tausenden von Produkten drei herausgefunden haben, in denen sich seine persönliche Präferenzordnung mit der gegenwärtigen Hierarchie der Preise deckt - das muss schwer gewesen sein. Mal sehen, ob es noch dieselbe Ordnung bleibt, wenn es der Industrie endlich gelingt, Fleisch bei gleich bleibenden (!!!) Produkteigenschaften rein synthetisch herzustellen und so den Preis für dieses Gut massiv zu drücken. Oder muss er sich dann drei neue Produkte herauspicken, um dasselbe Argument zu bringen?

Dann hätte ich noch eine Frage: Warum zahlt ein Vegetarier dieselben Preise für den Spinat und für den Sellerie, wo er doch offensichtlich ganz andere Präferenzen hat? Seine subjektive Hierarchie der Bedürfnisse ist nicht identisch mit der objektiven Hierarchie der Preise, die er als gegeben vorfindet. Das Preisschild ist am Produkt schon dran, noch bevor sich A und B auf dem Markt begegnen.11 Der legitimatorische Gewinn einer ordinalen Nutzentheorie, noch bevor man irgendetwas daraus bastelt und neue Ideologien als Folgefehler aufeinandertürmt, liegt darin, dass man hinterher sagen kann, dass die Bedürfnisse bestens zu den Preisen passen. "Klaus N" macht's ja vor. Kommt doch eigentlich jeder gut weg bei der Geschichte.

Kardinal bestimmen geht nicht, weil der Nutzen nicht quantifizierbar ist. Aber im Tauschverhältnis lässt er sich dann doch irgendwie bestimmen? Wie soll das gehen? Ein Steak hat 15 mehr Nutzen als Spinat?

Forist "jsjs"

Das kriegst du nicht hin, aus einem subjektiven Verhältnis [= Nutzen. AdA] von vielen konkreten Bedürfnissen zu den jeweiligen Gebrauchswerte [= Produkten. AdA] einen allgemeinen Marktpreis abzuleiten, weil die Waren nach ihrer sachlichen [≠ wertmäßigen. AdA] Seite hin, völlig inkommensurabel [!!! d.h. nicht mit einer gemeinsamen Maßskala messbar. AdA] und [somit] nicht vergleichbar sind, und aus einem Bedürfnis und dessen Befriedigung [=konkreter Nutzen ("sachliche Seite")] sich keineswegs automatisch ein Preisschild ergibt.

Forist "Werner213"

Der Nutzen soll maßgeblich sein, lässt sich aber nicht quantifizieren [= nach eindeutiger Methode in eine Zahl übersetzen. AdA], und es zeigt sich erst im Ergebnis, wie viel (!) Nutzen drinnen steckt, anhand des gezahlten Preises? Das ist tautologisch [= zirkulär. AdA]. [...] Und warum kalkulieren Unternehmen einen Verkaufspreis, der mit handelsüblicher [≠ individuell so wie der Nutzen] Marge über den Stückkosten liegen muss, aber nicht allzu weit über dem der Konkurrenz? [!!! D.h. durch äußere, objektive Bedingungen (allg. Produktivität) vorgegeben. AdA] Und warum senken die [warenproduzierenden Kapitalisten] dauernd ihre Stückkosten, indem sie z.B. die Arbeit produktiver machen?

Forist "jsjs"

Weil nicht jeder [!!!] Schokolade kauft. Außerdem gibt es viele verschiedene Sorten Schokolade, das reicht von den 1€-Sachen bis hin zu den Edelpralinen, die man für 50 € oder mehr erstehen muss.

Forist "Klaus N"

Nicht jeder? Also liegt es an der Nachfrage, in der sich der Nutzen widerspiegelt? Dann kann also bei gleich bleibendem Interesse in der Bevölkerung (= konstanter Nutzen) für Schokolade ihr Preis nicht gesenkt werden? Und doch passiert es immer wieder und zwar nachhaltig. Die meisten Waren werden immer billiger. Sagen die Apologeten ja selbst: "Kapitalismus macht Luxusware zu Alltagsware."

Gut, der individuelle Geschmack kann sich im Laufe des Lebens ändern. Man kann sich an etwas sattessen und es nicht mehr sehen wollen. Oder man kann umgekehrt etwas, was man vorher verabscheut, nach und nach zu schätzen lernen. Aber wie ist das massenstatistisch, wenn wir die Gesamtbevölkerung anschauen, bei deren Betrachtung sich die individuellen Abweichungen nach oben und nach unten hin durch Durchschnittsbildung ausgleichen?

Es bleibt ja kaum anzunehmen, dass Schokolade insgesamt in der Bevölkerung unbeliebter wird. Ich kann mir auch kaum vorstellen, dass sie wesentlich beliebter wird. Mit einem solchen Gut hatte jeder potentielle Kunde schon inzwischen ausreichend Erfahrung, um sich mehr oder weniger festlegen zu können, ob er sie mag oder nicht. Wie ist unter diesen Voraussetzungen die kontinuierliche Preissenkung zu erklären?

Klarstellung zum Nutzen:

Der Autor [...] tut so, als wäre Nutzen binär, also einfach da oder nicht. Dies wird offensichtlich, wenn man weniger überspitzt. [...] Beide Regale haben einen Nutzen, weil man Sachen drauf ablegen kann. Der Nutzen des schiefen Regals ist jedoch geringer, weil manche Gegenstände von ihm herunterfallen und weil es aufgrund der ungleichmäßigen Belastung früher kaputt gehen wird. Nutzen ist nicht binär, sondern kann größer oder kleiner sein. […] Der Autor wird, wenn er einen Tisch braucht, nicht im Möbelhaus anrufen und sagen, sie sollen ihm einen liefern, egal welchen. […] Individuelle Bedürfnisse bedeuten, dass der Kunde seinen Nutzen nur maximieren kann, wenn er aus vielen Produkten auswählen kann und keine Einheitsware kaufen muss.

Forist "deedl"

Hier geht es doch nicht um ein größer oder kleiner, sondern um zweckdienlicher oder weniger zweckdienlich - Synonyme: geeignet, tauglich, adäquat, nützlich. Es gibt keinen Übergang von der Tauglichkeit (= Gebrauchswert) zu einer Maßzahl (= Tauschwert).

Es ist klar, dass falsch gebohrte Löcher "weniger" oder gleich gar keinen Nutzen haben. Aber wie viel weniger, und was ist die Einheit?

Forist "jsjs"

Aussagen wie eine Tischdecke ist 8 mal so nützlich wie ein Apfel, sind natürlich völliger Unsinn. Das hat (inzwischen) auch die VWL erkannt und sich vom kardinalen Nutzen auf den ordinalen Nutzen verlegt. Theoretisch ist das eine so unsauber wie das andere, es ist der Versuch die lästige Frage nach dem abstrakten Nutzen zu umgehen.

Forist "jsjs"

Ein Bedürfnis ist immer konkret. Man hat vielleicht Durst und dann ist es noch egal, ob man Wasser oder Saft trinkt. Aber zu sagen, ich habe ein Bedürfnis, ohne anzugeben, worin das besteht [= abstraktes Bedürfis. AdA], ist Unsinn. Insofern ist ein Bedürfnis ohne weitere Bestimmung eine inhaltsleere Abstraktion [= Verallgemeinerung. AdA]. Ein abstrakter [≠ konkreter. AdA] Nutzen ebenso. Wenn du Durst hast, nutzt dir ein Tisch nichts. [...] Der Nutzen, den ein Tisch stiften kann, passt nicht zu dem Bedürfnis. Vielleicht ist es noch so, dass du Durst lieber mit Wasser als mit Saft stillen möchtest. Aber auch das kannst du nicht in ein quantitatives Verhältnis stellen und z.B. sagen, wenn ich dreimal so viel Saft wie Wasser trinke, kommt derselbe Nutzen raus, weil Wasser für mich einen dreimal höheren Nutzen hätte.

Forist "jsjs"

Wie kann man die höchst individuellen Preisvorstellungen [...] in einen Marktpreis überführen? […] Es gibt [...] aufgrund der Individualität der Erzeuger, ganz viele Angebotspreise und ganz viele verschiedenen angebotenen Mengen, die zusammen die Angebotskurve bilden. Es gibt aufgrund der Individualität der Käufer ganz viele Nachfragepreise mit jeweils individuell nachgefragter Menge, die bilden die Nachfragekurve. Dort wo sich beide Kurven schneiden, ist der Marktpreis. Produzenten, die unterhalb des Marktpreises produzieren können und Käufer, die mehr als den Marktpreis zahlen würden, nehmen dann am Markt teil, für die anderen lohnt sich das Geschäft nicht.

Forist [??? unbekannt ???]

Lohnt sich das Geschäft nicht? Wie bitte? Ist das ein Euphemismus für Armut?

Was vorkommt, ist, dass man sich Dinge leistet, die normalerweise außerhalb des eigenen Budgets liegen, wenn die im Angebot sind. Was auch vorkommt, ist, dass man sich all die Dinge nicht leistet, obwohl man sie gerne hätte - weil man sie sich nicht leisten kann.

Forist "jsjs"

g) Bei jedem Handel werden immer alle reicher

Der Forist "OdinX" bemüht ein altes Argument. Anstatt ihn direkt im Wortlaut zu zitieren, bemühe ich einen seiner theoretischen Vorläufer aus der Wissenschaft, der da elegant schreibt:

Setzen wir nun, dass ein Jäger einen großen Überfluss an Tierfellen, also an Stoffen zur Bekleidung, aber nur einen sehr geringen Vorrat an Nahrungsmitteln besäße, und zwar so, dass für sein Bedürfnis nach Bekleidung vollauf, für sein Nahrungsbedürfnis aber nur in sehr mangelhafter Weise vorgesorgt wäre, während bei einem ihm benachbarten Ackersmanne gerade das umgekehrte Verhältnis obwalten würde. [...] Der eben dargelegte Fall, in welchem durch die wechselseitige Übertragung von Gütern, die für keinen der beiden Tauschenden Wert haben, also ohne jedwedes ökonomisches Opfer, die Bedürfnisse der beiden besser befriedigt werden können, als dies ohne eine solche Übertragung der Fall wäre, ist allerdings geeignet, uns das Wesen jenes ökonomischen Verhältnisses auf das Einleuchtendste vor das Bewusstsein zu führen.

Carl Menger, 1840-1921, habsburgischer Erfinder der Grenznutzentheorie

Wie entzückend. Der eine hat was, was der andere braucht und er selbst nicht braucht - und umgekehrt. Was liegt da näher als zu tauschen? Ein Segen für beide Seiten. Oder etwa nicht? Mengers konstruiertes Beispiel bezeugt nur das Gegenteil von dem, was es beweisen will. Dass Warenproduzenten mehr haben, als sie selbst brauchen, ist bereits Wirkung davon, dass sie ihr Zeug für den Markt produzieren. Nicht ihr zufälliger Überschuss macht sie zu Warenhändlern, sondern umgekehrt: Weil sie Warenhändler sind, beschaffen sie sich den Überschuss, der zum Handeln nötig ist. Wieso sollten sie sonst Dinge in ihrem Besitz aufhäufen, die sie nicht brauchen? Etwa aus einer reinen Unachtsamkeit heraus? Wie tollpatschig! Das Argument ist tautologisch, d.h. das, was bewiesen werden soll, ist bereits unterstellt. Der Tausch muss vorteilhaft sein - würden die Menschen sonst tauschen?

Ferner "stellen sie die Sache so hin, als wäre mitten im modernsten Tauschhandel noch immer gar nichts anderes im Spiel als das urmenschliche Bedürfnis nach Gebrauchsgütern [...]. Sie tun so, als würden dem Schuster die 100 Paar Schuhe, die er im Monat herstellt, als sein Konsumtionsmittel gelten, als solches aber ziemlich wenig nützlich sein, weil er höchstens ein paar davon braucht, so dass er sie allemal mit Vorteil für die Wurst hingibt. [...] Dummerweise ‘beweist’ die Fiktion genau genommen ein bisschen zu viel, nämlich die Vorteilhaftigkeit jedes [noch so schlechten] Tausches; gewinnen tut der Schuster auch, wenn er sein Monatswerk für eine [einzige] Wurst hingibt und erst eine Woche später verhungert.

GegenStandpunkt

[Zur Behauptung,] durch den Tausch würden beide (!) Seiten "reicher": Interessant ist doch, dass es in dieser Gesellschaft darauf ankommt, Geld zu vermehren. Das ist jedenfalls der Zweck der Unternehmen, die die nützlichen Dinge herstellen. Auf der einen Seite vermehrt sich das Geld, auf der anderen fließt es immerzu ab und muss neu verdient werden - meistens lebenslang. Wie passt das dazu, dass beiden Seiten durch den Tausch reicher werden?

Forist "jsjs"

Lehrreich ist das Beispiel allemal, weil es im Folgenden demonstriert, mit welchen doch recht billigen Legitimationsmethoden in der VWL gearbeitet wird:

Nehmen wir an, f(x) wäre mein subjektiver Wert von Ware x, und g(x) wäre dein subjektiver Wert von Ware x. Wenn du jetzt Objekt A besitzt und ich Objekt B und wir tauschen, dann war der gesamte subjektive Wert vor dem Tausch: W1 = g(A) + f(B). Und nach dem Tausch: W2 = g(B) + f(A). Der Tausch findet frei, aber nur unter den folgenden Bedingungen statt: g(B) > g(A) und f(A) > f(B). Also ist W2 > W1, der gesamte Wert ist durch den Tausch gestiegen.

Forist "OdinX"

Und weil die Beweisführung so abstrakt ist, dass sie für alle Menschen gilt, welche die Rolle von A und B einnehmen können, ist die Beweisabsicht auch schon erfüllt: Die Gesellschaft wird durch jeden Tausch, der alltäglich irgendwo stattfindet, ein kleines bisschen glücklicher. QED. Wir leben in der besten aller Welten. Der Beweis sieht schlau aus, aber in Wirklichkeit ist es bloß "ein mit Mathematik aufgemotzter Blödsinn" (Forist "blu_frisbee"), der die Zusammenhänge verschleiert und auf unsinnigen Prämissen beruht.

"Alles, was Mikro- und Makroökonomie betreiben, klingt nach einer Rechtfertigungslehre. […] Die ökonomische Theorie setzt dann einfach Geld, Tauschhandel, Markt, Lohnarbeit und Kapital voraus, ohne irgendetwas davon zu erklären. In dem, was das ergibt, wird dann theoretisch mathematisch abstrakt herum gewurschelt, getreu dem Motto: richtig gerechnet, falsch gedacht.

Forist "rackz"

Nichts gegen Mathematik, ich bin selbst vom Fach, aber man muss sie schon auch richtig zur Anwendung bringen, sonst lässt sich mit ihr wirklich alles beweisen. Oder um es anders zu sagen: Die Mathematik kennt unendlich-dimensionale Räume. Die Beweisführungen zu den speziellen Eigenschaften solcher Räume haben deutlich mehr Substanz als die einfachsten Beweisgänge in der elementaren VWL.

h) Kunstmarx - Ausnahmen widerlegen Regeln

Nützy hat sich mit meinen Ausführungen zu den Sonderfällen weitestgehend, wenn auch widerstrebend einverstanden gezeigt - oder auch nicht? -, würde aber gern ein allgemeines Kriterium haben, wonach wir unterscheiden können, was ein Sonderfall ist und was nicht.

Es darf nicht auf "was Marx erklärt, ist ein regelmäßiger Markt, sonst sind es Sonderfälle" hinauslaufen, denn das wäre deutlich zu einfach.

Forist "Nützy"

Marx hat keine allgemeine Theorie über Tauschverhältnisse an sich aufstellen wollen. Es geht um kapitalistische Produktion und Reproduktion. Es geht nicht um den zufälligen oder gelegentlichen Tausch.

Forist "jsjs"

In der kapitalistischen Produktionsweise geht es nicht um zufällig geglückte, einmalige oder gelegentliche Deals, sondern um den kontinuierlich aufgebauten Unternehmenserfolg, darum, dass alle Firmen bestrebt sind, zu wachsen und ansonsten unterzugehen. Dieses Wachstum vollzieht sich nicht zufällig, sondern es gibt objektive Methoden, es zu begünstigen, die werden an den Handelsschulen gelehrt, sonst bräuchte man auch nicht einen teuren CEO einkaufen, der sein Handwerk versteht, und könnte stattdessen das Geschäft dem Lehrling, also dem Zufall, überantworten.

Der CEO kann die Methode kennen, ohne wissen zu müssen, was er da seinem Begriff nach tut, nämlich die Aneignung fremder Arbeit immer besser zu organisieren. Ihm erscheint das ganz anders: Er modelt mit dem ihm zur Verfügung stehenden Budget den Arbeitsprozess, um damit die Produktion zu verbilligen. In dieser Optik kommt Ausbeutung nicht vor, sondern er sieht nur lauter freiwillig unterschriebene Arbeitsverträge.

So funktioniert jedenfalls nicht der Kunstmarkt. Im Gegenteil, sobald man dort solche Methoden der gesteigerten Produktivität einführt, verlieren die dort gehandelten Werke sofort ihre Magie, ihre Besonderheit. Und das will Kunst ja schon auch sein: etwas Besonderes, Aufregendes, Originelles, jedes mal neu, nie dagewesen, am besten so neu, dass es gleich skandalös ist, erschütternd. Wiederholung gilt schon als abgestanden, als allmählicher Übergang zum "bloßen" Handwerk. Da braucht man sich ja nur die Künstler selbst anzuschauen, was das häufig für Charaktere sind: Lauter Paradiesvögel, die ihre Individualität pflegen müssen, weil es ihre Geschäftsbedingung ist. Sie müssen sich abheben von anderen.

Kunstwerke etc.: Keine reproduzierbaren Güter, sondern Unikate. Haben doch mit dem Reichtum, von dem eine Gesellschaft lebt, nichts zu tun.

Forist "Werner213"

Man muss sich immer vor Augen halten, dass im Kapitalismus Menschen agieren, die einerseits den ökonomischen Sachzwängen unterworfen sind, und andererseits auch wiederum sehr frei agieren können und sich für Millionen ein Kunstwerk in den Safe stellen. Letzteres ist kein Einwand gegen die ökonomischen Sachzwänge.

Forist "jsjs"

Ein Kunstwerk hat - zumindest in der modernen Mainstream-Auffassung dessen - keinen Nutzwert und will ihn auch nicht haben. Nicht mal als Briefbeschwerer taugen einige davon. Dennoch gibt es Leute, die viel Geld dafür ausgeben, so ein Kunstwerk zu besitzen. Dabei ist das, was ein Kunstwerk ist, zunächst subjektiv. […] Meines Erachtens zeigt sich hier sehr schön Angebot und Nachfrage.

Forist "Nützy"

Angebot und Nachfrage regeln den Preis, der Preis bestimmt Angebot und Nachfrage. Das ist ein Zirkelschluss. Und ob der stimmt, bekommt man übrigens nie heraus. Diese Theorie könnte auch kürzer ausfallen und einfach sagen: Es ist so, wie es ist. Du kannst ja mal versuchen, aus gegebenen Preisen abzuleiten, warum die Nachfrage und das Angebot so sind, und umgekehrt. Du wirst nie aus dem Zirkelschluss herauskommen - das haben die so an sich.

Forist "jsjs"

Wenn ich eine Theorie einfordere, die Dinge erklären soll, die nichts miteinander zu tun haben, kommt mit Sicherheit weder Erklärung der einen noch der anderen Sache heraus. [...] Der Kunstmarkt findet zwar im Kapitalismus statt, ist aber nicht wesentlich, sondern eine aufgesetzte Verlaufsform. Du würdest ja vermutlich auch nicht auf die Idee kommen, den Heiratsmarkt heranzuziehen, bloß weil das "Markt" im Namen vorkommt, um die Warenproduktion und deren Gesetzmäßigkeiten zu erklären. Der Kunstmarkt funktioniert wie auch z.B. der Aktien- oder Flohmarkt nach jeweils eigenen Gesetzen. Die können Gemeinsamkeiten haben, müssen es aber nicht. Warum sollte ich jetzt eine Theorie bevorzugen, die irgendwie auf alles passt, aber nichts richtig erklärt?

Forist "jsjs"

Was wollen Sie über den Preis wissen durch ausgedachte Extremsituationen? Dass der Kunstmarkt immer verrückter wird? Dass es mehr Milliardäre gibt?

Forist "blu_frisbee"

Woher kommt das Bedürfnis, die Tauschverhältnisse des Kunstmarktes zu erklären, oder das Glas Wasser in der Wüste? Sind das die für die Gesellschaft relevanten Tauschverhältnisse? Ist nicht die Frage, warum es in einem Staat wie der BRD, wo die Arbeit zu produktiv geworden ist, immer noch (?) Armut gibt, viel, viel spannender? Oder die Frage, warum man sein Leben lang hart arbeiten muss, und am Ende die Rente nicht reicht? Warum geht der technische Fortschritt nicht einher mit einem allgemein wachsenden Wohlstand? Ich könnte noch ein paar mehr Auffälligkeiten, die zwingend mit der Produktion von Reichtum im Kapitalismus einhergehen, nennen […] Warum werden auf den Wirtschaftsseiten immer in Geld bemessene Kennziffern genannt. Warum vermelden Unternehmen wie VW nicht ihren Erfolg als "x neue Autos befriedigen jetzt Bedürfnisse", sondern als "Unternehmen wächst um x%"? Was ist überhaupt dieses Wachstum, um das es immerzu geht? Was wird da als Erfolg vermeldet?

Forist "jsjs"

i) Markenwaren

Okay, Kunstmarkt vorerst ad acta gelegt, aber was ist mit Markenware?

"Siehe z.B. industriell hergestellte Textilien, die unterschiedlich viel wert sind, je nachdem ob das Logo einer großen Marke darauf ist oder nicht. [...] Selbst bei solchen hochpreisigen, technisch quantifizierbaren Dingen [!?! Was sind technisch quantifizierbare Dinge? AdA] wie Autos oder Computer spielen Markenname und vermitteltes Gefühl beim Käufer eine große Rolle. Der subjektive Nutzen ist also durchaus individuell.

Forist "Nützy"

Das Kapital [...] tritt gegen eine Konkurrenz an: Z.B. einen anderen Hersteller von Autos, Taschen oder Schrauben. Je ähnlicher und austauschbarer die Produkte sind, desto entscheidender ist der Preis. Deshalb gibt es von Seiten der Hersteller das Bedürfnis sich anderweitig unterscheidbarer zu machen, am besten ein Alleinstellungsmerkmal zu besitzen (z.B. ein Logo, das geschützt werden muss). Wer schon mal in einer Entwicklungsabteilung oder im Marketing gearbeitet hat, weiß wie man sich den Kopf darüber zerbricht, wie man es hinbekommt, ein Alleinstellungsmerkmal aufzuweisen, das möglichst den Stückpreis nicht nach oben treibt [!!! d.h. ohne mehr Arbeit pro Stückfertigung investieren zu müssen, z.B. in Qualitätssteigerung. AdA]. Es ist ein Mittel, das es einem erlaubt, nicht nur über den Preis zu konkurrieren. Dafür wird dann auch gerne ein Nutzen "erfunden". […] Marx hat sich gefragt, wie die üblichen Tauschverhältnisse zustanden kommen, Ihr fragt euch, wie die Abweichungen zustande kommen. Letzteres ist meines Erachtens nur sinnvoll, wenn man weiß, was der Normalfall ist. Dann kann man sich auch erklären, warum und wie ein Alleinstellungsmerkmal auf das Austauschverhältnis wirkt.

Forist "jsjs"

j) Boden- und Wohnpreis

Ja und wenn im Boden wertvolle Güter zu vermuten sind, die durch technologisch auswärtige Möglichkeiten festgestellt wurden? Dann fällt alles Gerede ins Nirvana.

Forist "Neumond"

Wieso sollte eine nachträgliche Preiserhöhung des Bodens nicht möglich sein? Inwiefern steht das im Widerspruch zu den bisherigen Ausführungen zum Bodenpreis? Bitte die Einwände konkreter ausformulieren. Sonst läuft die Befassung damit auf Rätselraten hinaus und es überkommt einen der Verdacht, dass der Forist selbst nicht weiß, was er genau meint. Aber Hauptsache vieldeutig mögliche Fehler angemahnt.

Einer getrennten Würdigung am Rande ist die Meinung etlicher Foristen aus dem Lager bekennender Rechter, die dem Osten einerseits den "Eisernen Vorhang" als großes Verbrechen ankreiden wollen und im gleichen Atemzug - oder sei es nur ein paar Einträge später - sich jammervoll über das Unglück Deutschlands echauffieren ob all der vielen, viel zu vielen Emigranten aus kriegszerstörten Ländern, die sie wohl am liebsten allesamt abschieben würden. Reisefreiheit ja, auf jeden Fall! Aber die sollen bitte schön alle Zuhause bleiben. Z.B. dieser Eintrag hier:

Würde Berlin die 50.000 Sofortausreisepflichtigen, abgelehnten, illegalen Bewohner ausweisen, dann wäre wieder mehr Platz. Würden sie darüber hinaus die abgelehnten, aber geduldeten "Legalen" zurückführen, dann würden die Preise wieder sich stabilisieren.

Forist "OneMoreTry"

Das ist hemdsärmlige Ökonomiekritik. Konstruktiv und "sofort" umsetzbar. Es wäre doch so einfach, wenn nur alle mitmachten. Schon morgen kann die rosige Zukunft beginnen. Gelebte Utopie, zum Greifen nah. So viel steht aber schon fest. Das bejammerte Leid der Leute kann ein so ernst gemeinter Maßstab bei solcher Art "Analyse" jedenfalls nicht sein. Jedenfalls lässt der Forist sich nicht lumpen. Mit der Ökonomie von Angebot und Nachfrage kennt er sich bestens aus:

Fakt ist: Wo so viele neue Leute eine Wohnung suchen und es mehr Menschen als Wohnungen gibt, da wird die Miete drastisch steigen. Fällt dieser Faktor weg, dann können die bösen "Kapitalisten" spekulieren bis ihnen die Gelder ausgehen, die Preisen werden fallen.

Forist "OneMoreTry"

Abgesehen davon, dass massiver Leerstand (= Spekulation auf höhere Mieten oder auf Verkauf) vor Ankunft der Flüchtlinge vorhanden war, kratzt man sich unweigerlich am Kopf: Wenn ihm die Kapitalisten egal sind, warum will er diese Wirtschaftsweise überhaupt am Leben erhalten? Sie sind ja bis auf Randfälle die einzigen, denen sie dient. Wie auch immer, ganz Realpolitiker, der er ist, lässt er durchaus auch Einwände und Erwägungen gelten, unter denen Einwanderern ein dauerhaftes Bleiberecht hierzulande zugebilligt werden könnte:

Ja, die Migranten trifft nicht die Schuld, ja die Regierenden sind schuld, aber nein, die hofften nicht auf billige Arbeitskräfte, da bekannt war, dass diese Einwanderer auf dem Bildungsniveau von Grundschulabbrechern rangieren und obendrein häufig Analphabeten sind. Diese Argumentation wurde lediglich verbreitet, um die Bürger ruhig zu stellen, denn die wenigsten sind rein fremdenfeindlich, wenn die Menschen noch fleißig [!!!] sind und sich integrieren, dann tendiert diese Fremdenfeindlichkeit gegen Null.

Forist "OneMoreTry"

Solange die Ausländer sich nur ordentlich für Deutschland nützlich machen und am besten von echten Deutschen gar nicht erst zu unterscheiden sind (Integration, Assimilation), sind sie herzlichst willkommen. Aber eben nur unter diesem Vorbehalt. Und die Anderen? Die ausländischen Analphabeten (?), denen man jedenfalls nicht vorwerfen kann, dass sie es sind, die den hiesigen gut ausgebildeten, jedoch arbeitslosen Akademikern die Jobs wegnehmen. Deren unverschuldete Sprach-, Lese- und Rechtschreibschwäche disqualifiziert sie doch glatt, Teil der sittlichen Gemeinschaft werden zu dürfen. Sorry, tut uns ehrlich leid, wir sind nicht fremdenfeindlich, nur pragmatisch - das müsst ihr einfach anerkennen. "Wir" können eben nicht die ganze Welt ernähren. Aber seien wir nicht so streng, die Schweden können bleiben.

k) Klausis 10%-Rätsel zum Wertzuwachs

Ein paar Denksportaufgaben an die Leser von "Klaus N". Er ist ein bisschen ungeduldig, weil er bereits das Thema Ausbeutung anspricht, welches erst in Teil 4 der Artikelserie angesprochen wird. Aber wer schon weiß, wie Marx das mit der Ausbeutung gemeint hat, und was der Unterschied zum bürgerlichen Ausbeutungsbegriff ist, kann sich daran versuchen, im Forum seine Fragen zu beantworten:

Wenn der Kapitalist den Preis für sein Produkt um 10% erhöht, aber den Arbeitnehmern nicht das Gehalt, beutet er dann eigentlich den Arbeiter aus, oder den Käufer?

Forist "Klaus N"

Wenn der Unternehmer eine gute Idee hat, und seinen Betrieb so umorganisiert, dass die Arbeiter immer noch das Gleiche tun, aber 10% mehr Waren rauskommen, beutet er die Arbeiter dann mehr aus? Was, wenn er seine Preise um 10% senkt?

Forist "Klaus N"

Oder wenn sich der Kapitalist entscheidet, eine schönere Tomatensorte anzupflanzen, die die gleiche Arbeit verursacht, aber am Markt 10% höhere Preise verdient.

Forist "Klaus N"

Weitere Fragen an die Leser

Wieso übergeht ihr so viele Thesen, die ich in meiner Artikelserie aufstelle? Kein Einziger hat sich z.B. zum internationalen Lohngefälle geäußert, d.h. warum Afrika arm ist. Dazu muss man doch irgendeine Meinung haben, wenn man doch ansonsten in anderen Telepolis-Foren nichts Besseres zu tun hat, als ungeniert über unverschuldete Flüchtlinge zu hetzen.

Erkennt man da keinen Zusammenhang zur hiesigen Produktionsweise?12 Oder tut man es doch und ist peinlich berührt, nach dem Motto: Totschweigen und aussitzen? Bloß keine Diskussion darüber losbrechen.

Wieso äußert sich kein Leser zu meiner provokanten Behauptung, Entwicklungshilfe sei überhaupt nicht darauf gerechnet, das Leid der betroffenen Länder dauerhaft zu mindern? Und zwar nicht aus bösem Willen unserer Politiker, sondern aus sachlicher Notwendigkeit, wobei die Notwendigkeit natürlich nur unter der Prämisse einer kapitalistischen Produktionsweise gilt. Afrika ist also nicht nur arm, sondern bleibt auch arm. Alle anderslautenden Versprechungen wie die Millenniumsziele sind Idealismen und Illusionen oder gar bewusste Augenwischerei.

Wie steht man dazu, dass die kapitalistische Wirtschaftsweise notwendig auf einer auf Dauer gestellten Notlage der Arbeiterklasse beruht: Freiheit von Produktionsmitteln, d.h. lebenslanger Zwang zur Schufterei für die Klasse der Kapitalisten. Das ist insofern klärungsbedürftig für Länder mit einem massiven Exportüberschuss, der ja seinerseits beweist, dass die dortige Produktivität groß genug ist, um die große Welt nieder zu konkurrieren. Will sagen: Wir können mit wenig Manpower viel produzieren und trotzdem ändert sich nichts daran, dass man ein Drittel seiner Zeit auf der Arbeitsstelle verbringt.

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