Das Meer steigt rasant

Sturm Surge (2008). Bild: Scott Pena/CC BY-2.0

Während Jugendliche weiter für mehr Klimaschutz demonstrieren, zeigt eine neue Studie, wie sich der Anstieg der Meere beschleunigt

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Auch heute wieder gab es hier und da kleine Aktionen der Fridays-For-Future-Bewegung, zum Beispiel in Kiel. Doch viel scheint derzeit bei jungen Klimaschützerinnen und -schützern in Deutschland nicht zu laufen.

Wenn man natürlich von den Auseinandersetzungen am Dannenröder Forst in Hessen absieht, wo die Räumung auch am heutigen Freitag weiterging. Dort, zwischen Kassel und Gießen, soll ein alter Wald in einem Wasserschutzgebiet einer Autobahn weichen. Telepolis hat mehrfach berichtet, und die Grünen, die in der hessischen Landesregierung einen erheblichen Teil der Verantwortung für das Vorgehen von Behörden und Polizei tragen, geraten in der Klimaschutzbewegung immer mehr unter Druck.

Auch in anderen Ländern gehen derweil die Klima-Proteste weiter, meist mit kleinen Aktionen wie heute in Indonesien, in der Türkei, im japanischen Sendai oder in Bacheli, Indien. Oft jedoch wird der Protest wegen der Corona-Pandemie ins Internet verlegt, wie hier in Finnland oder Lucknow in Indien. Aber die nächste größere globale Aktion ist bereits in Vorbereitung. Am 24. April soll es in über 40 Ländern parallel Konzerte für den Klimaschutz geben.

Meer steigt beschleunigt

Bei der heutigen Aktion in Kiel vor dem dortigen Landtag direkt an der Förde ging es auch um den steigenden Meeresspiegel. Von diesem gibt es nämlich denkbar schlechte Nachrichten. Eine am heutigen Freitag im Fachblatt Science veröffentlichte Studie kommt zu dem Ergebnis, dass sich sein Anstieg deutlich beschleunigt hat.

Im vergangenen Jahrzehnt sind demanch die Meere im globalen Mittel um fast fünf Zentimeter gestiegen. 0,48 Zentimeter pro Jahr betrug durchschnittlich der Anstieg. Im 20. Jahrhundert waren es noch 0,2 und in den 90er und Nuller Jahren durchschnittlich etwa 0,3 Zentimeter pro Jahr gewesen.

Mit anderen Worten, nicht nur die Meere steigen, sondern die Geschwindigkeit, mit der dies geschieht, nimmt zu. Das ist ein klassischer Fall von exponentiellem Wachstum. Was dies bedeuten kann, erleben wir gerade mit bitteren Konsequenzen an der sich immer weiter ausbreitenden Corona-Pandemie.

Die jetzige Anstiegsrate würde bis zum Ende des Jahrhunderts einen um knapp 50 Zentimeter höheren Meeresspiegel bedeuten. In Schleswig-Holstein planen die Deichbauer bisher mit einem maximalen Anstieg von einem halben Meter. Doch das wird nicht mehr lange ausreichen.

In den 1960ern stieg der Meeresspiegel nur um etwa 0,05 Zentimeter pro Jahr. Danach brauchte die Anstiegsrate bis 1990 um auf 0,2 Zentimeter anzuwachsen. 2010 stieg dann der globale Meeresspiegel bereits um 0,4 Zentimeter pro Jahr. In den letzten 50 Jahren hat sich die Anstiegsrate also in etwa alle zwei Jahrzehnte verdoppelt.

Was könnte das bedeuten? Geht es auch nur für einige wenige Jahrzehnte mit dieser Beschleunigung so weiter, dann würde 2050 das Meer bereits um 1,6 Zentimeter pro Jahr steigen. Vermutlich würden dann immer noch einige sagen: "Alles nicht so schlimm."

Denn bis 2050 wäre die Pegelstände im Vergleich zum aktuellen Niveau erst um 25 Zentimeter nach oben geklettert. In etwa so viel wie im 20. Jahrhundert. Für europäische Deiche wäre das sicherlich noch zu verkraften, wenn man sie nicht aus Kostengründen aufgibt, so wie an einigen Punkten der britischen Westküste geschehen.

Doch anderswo, wo die Küsten ungeschützt und zu dem noch schwersten Stürmen ausgesetzt sind, wie etwa diese Woche in Honduras oder in Kolumbien, zählt jeder Zentimeter. Unter anderem, weil bei Sturmfluten die Wellen um so höher auflaufen, je tiefer das Wasser vor der Küste ist.

Auf jeden Fall käme das dicke Ende des Meeresspiegelanstiegs erst nach 2050. Sollte er sich nach der Mitte des Jahrhunderts nicht weiter beschleunigen, würden die Meere 2100 um gut einen Meter höher als heutigen Tags stehen. Würde sich der Anstieg weiter im gleichen Maße wie bisher beschleunigen, wäre der Meeresspiegel in 80 Jahren etwas mehr als zwei Meter höher als 2020.

Fünf bis zehn Meter höher

Und wie wahrscheinlich ist das alles? Es ist auf jeden Fall zunächst einmal nicht unmöglich. Erstens hat es in den vergangenen Jahrhunderttausenden mehrere Ereignisse gegeben, in denen der Meeresspiegel um mehrere Meter pro Jahrhundert gestiegen ist.

Zweitens war er während der letzten Warmzeit, vor 129.000 bis 116.000 Jahren vor der Gegenwart, um mindestens fünf und vermutlich nicht mehr als zehn Meter höher als derzeit.

Zu jener Zeit waren die Temperaturen im hohen Norden, über viele Jahrtausende gemittelt, rund zwei Grad Celsius wärmer als heute. Da sich im Rahmen der Klimakrise die Arktis aber erheblich schneller als der Rest des Planeten erwärmt, könnte dieses Niveau schon sehr bald erreicht sein.

Einen wesentlichen Beitrag wird dazu sicherlich auch die Tatsache leisten, dass sich das Meereis im Sommer immer weiter zurückzieht, so dass die Mitternachtssonne viel Zeit hat, das Meer zu erwärmen.

Schon seit Jahren wird eine Zunahme des Eisverlusts auf Grönland beobachtet. Hinzu kommt, dass dort wie auch in großen Teilen der Westantarktis einige Gletscher auf Gelände liegen, das zum Inland hin abfällt. Dadurch strömt um so mehr Meerwasser unter die Gletscher, je weiter diese sich zurückziehen.

Da dieses Wasser das Eis von der Unterseite auftaut, handelt es sich um einen sich selbst verstärkenden, also sich beschleunigenden Prozess. In der Antarktis hat diese Beschleunigung, wie der Potsdamer Klima- und Eisforscher Anders Levermann auf Twitter kommentiert, gerade erst begonnen.

Der globale Meeresspiegel wird seit Anfang der 1990er Jahre mit Satelliten vermessen. Aus den Jahrzehnten davor liegen Daten von Pegeln an den Küsten vor. Diese haben, obwohl nur Punktmessungen an den Küsten und höchst ungleichmäßig über den Erdball verteilt, den globalen Meeresspiegel recht gut erfasst, wie man aus dem Datenvergleich der letzten drei Jahrzehnte weiß.