"Würdest Du Dich gegen Corona impfen lassen?"

Stellungnahme eines Mediziners der älteren Generation zur Frage, ob er sich mit einem der zugelassenen Vakzine gegen das Coronavirus impfen lassen würde

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Vorab sei angemerkt, dass ich als Autor dieses Textes zwar kein Experte auf dem Gebiet der Impfmedizin oder der Immunologie bin, mich aber seit Beginn meiner ärztlichen Weiterbildung besonders auch mit Fragen der Pharmakotherapie beschäftigt habe und 1969/70 ein Jahr als Forschungsassistent in einem Pharmakologischen Universitätsinstitut tätig war.

Seit dieser Zeit habe ich mich ebenfalls mit pharma-kritischen wissenschaftlichen Positionen auseinandergesetzt, wie sie zum Beispiel regelmäßig in der seit 1967 bestehenden Monatszeitschrift Der Arzneimittelbrief zu finden sind. Außerdem gehöre ich seit etlichen Jahren zum wissenschaftlichen Beirat der pharma-unabhängigen medizinischen Fachzeitschrift "internistische praxis".

In den letzten Tagen wurde mir bei den Diskussionen im Freundes- und Bekanntenkreis, die in Corona-Zeiten ja überwiegend telefonisch oder per Videoschaltung erfolgen müssen, einige Male die Frage gestellt, ob ich mich gegen das Coronavirus impfen lassen würde, wenn mir eine Impfung angeboten wird. Diese Frage kann ich für mich nach einer Auseinandersetzung mit den mir zugänglichen Informationen über dieses Thema eindeutig bejahen und möchte meine Stellungnahme mit den folgenden Ausführungen begründen, die ich in vier Kapitel unterteilt habe.

1. Die Ausgangssituation: Auswirkungen von Covid-19

Ausgangspunkt meiner Überlegungen ist, dass SARS-CoV-2, das Coronavirus, das Covid-19 verursachen kann, für viele Menschen gefährlich ist und nicht unterschätzt werden darf. Darüber habe ich seit April 2020 in Telepolis eine Reihe von Artikeln veröffentlicht (1- 7), die Einzelheiten können dort nachgelesen werden.

Wie ich dort aufgezeigt habe, ist ein wichtiges Ergebnis neuerer Studien, dass in den europäischen Ländern, die mit Deutschland hinsichtlich der Alterszusammensetzung vergleichbar sind, die auf die ganze Bevölkerung bezogene Sterblichkeitsrate bei Covid-19, gemessen als Infection Fatality Rate (IFR), wahrscheinlich in der Größenordnung von 0,5 bis 1 Prozent liegt.

Das bedeutet, dass im Falle einer Infektion mit dem Coronavirus 5 bis 10 von 1000 Menschen an Covid-19 versterben (3, 5, 6). Damit ist die Sterblichkeit bei Covid-19 um ein Vielfaches höher als bei der saisonalen Grippe. Das hat auch kürzlich eine repräsentative Seroprävalenz-Studie an 3000 Probanden in München bestätigt, die eine IFR von 0,76 Prozent ergeben hat (8).

Von den bevölkerungsbezogenen IFR-Werten sind die altersspezifischen IFR-Werte zu unterscheiden. Die geschätzten altersspezifischen IFRs sind bei Kindern und jüngeren Erwachsenen sehr gering und steigen nach den neuesten Untersuchungen schrittweise auf 0,4 Prozent im Alter von 55 Jahren, 1,3 Prozent im Alter von 65 Jahren, 4,2 Prozent im Alter von 75 Jahren und 14 Prozent im Alter von 85 Jahren an (6). Die Analyse zeigt, dass Covid-19 ein geringes Risiko für Kinder und jüngere Erwachsene darstellt, aber gefährlich für Erwachsene auch schon im mittleren Alter und extrem gefährlich für ältere Erwachsene ist.

Neben dem Alter sind bekanntlich auch Vorerkrankungen für die Letalitätsrate bei einer Infektion mit dem Coronavirus entscheidend. Über den zahlenmäßigen Umfang der gefährdeten Personengruppen mit einer erhöhten Letalität aufgrund eines erhöhten Risikos für schwere Covid-19-Verläufe wegen bestehender Vorerkrankungen wurde im April 2020 eine aufschlussreiche Studie des WIdO (Wissenschaftliches Institut der AOK) publiziert (9).

Zu den dabei berücksichtigten Vorerkrankungen zählten chronische Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems (z. B. koronare Herzkrankheit und Bluthochdruck), der Lunge (z. B. Asthma, chronisch-obstruktive Lungenerkrankung und chronische Bronchitis), Lebererkrankungen, Diabetes, Krebserkrankungen und Erkrankungen, die mit einem geschwächten Immunsystem einhergehen.

Mit Hilfe von Hochrechnungen wurde ermittelt, dass in Deutschland bei 21,9 Millionen Personen mindestens eine dieser Vorerkrankungen vorliegt, sodass ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 besteht. Zwei Drittel dieser Personen waren 60 Jahre alt und älter.

Bei diesen Risikogruppen sind weitere Personengruppen mit einem erhöhten Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 noch gar nicht berücksichtigt. Dazu zählen zum Beispiel auch Millionen Menschen mit einer Adipositas (10) und Raucher (11), die häufig der jüngeren oder mittleren Altersgruppen angehören. Aber auch Mitarbeiter im Gesundheitswesen und in der Altenpflege rechnen dazu, die sich ebenfalls überwiegend in der mittleren Altersgruppe befinden.

Deshalb kann man davon ausgehen, dass bei wahrscheinlich mindestens 30 bis 35 Millionen Menschen in Deutschland ein erhöhtes Risiko für einen schweren Verlauf von Covid-19 besteht, das entspricht 30 bis 40 Prozent unserer Bevölkerung. Diese könnten von einer Impfung gegen das Coronavirus einen direkten Nutzen haben.

Solange sich die therapeutischen Möglichkeiten bei Covid-19 nicht wesentlich verbessern, müssen wir von den oben genannten hohen Letalitätsraten und damit einhergehenden erheblichen Mortalitätsziffern ausgehen. Bis dahin ist eine Verminderung der Todesfälle nur durch präventive Maßnahmen möglich. Dazu gehört neben den nicht-pharmakologischen Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie vor allem auch eine wirksame und sichere Impfung.