"Statt von Kampfdrohnen sollte von Killerdrohnen gesprochen werden"

Kampfdrohne CH-4B der algerischen Armee. Bild: Zerbout, CC0 1.0

Der KI-Experte Jakob Foerster und der SPD-Friedensaktivist Peter Förster über die Gefahren bewaffneter Drohnen, Folgen für Auslandseinsätze und den Mythos der billigen Waffe

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Sie haben sich in einem offenen Brief an die SPD gegen die Bewaffnung militärischer Drohnen der Bundeswehr gewandt. Warum nicht an alle Parteien und Fraktionen des Deutschen Bundestags?

Jakob Foerster: Außer der SPD haben alle Parteien zur Frage der Bewaffnung von Drohnen Stellung bezogen, die Entscheidung hängt nun an der Haltung der SPD - daher die Adressierung an die Sozialdemokraten. Dazu muss ich sagen, dass ich den Brief bewusst öffentlich gemacht habe, um die Zivilgesellschaft und auch die Vertreter anderer Parteien auf die Entwicklung hin zu automatisierter Kriegsführung aufmerksam zu machen, die mit Kampfdrohnen einhergeht.

Ich sehe als Forscher im Bereich der KI die Chancen, aber auch die erheblichen Risiken im Bereich der Künstlichen Intelligenz, die Warnung vor gefährlichen Fehlentwicklungen liegt mir sehr am Herzen.

SPD-Verteidigungspolitiker Fritz Felgentreu sagte, die Sozialdemokraten seien "offen für eine Bewaffnung von Drohnen zum Schutz eigener Soldaten". Aus der CSU hieß es zu den Kritikern in der SPD, diese Partei ignoriere "die Verantwortung, die sie als Regierungspartei für unsere Soldaten hat". Klingt ganz nach einer großen Koalition der Aufrüstung.

Peter Förster:Die Union versucht die Corona-Pandemie als Blaupause für die Verschärfung des brandgefährlichen Aufrüstungskurses zu nutzen. Das beobachten wir bei etlichen milliardenschweren Rüstungsprojekten, von "modernisierten" atomwaffenfähigen Kampfflugzeugen, zu Kriegsschiffen bis jetzt hin zu Kampfdrohnen. Einige Funktionäre aus meiner Partei wollen diesen Kurs mitgehen, aber sie sprechen damit nicht für die SPD.

Die Gegenstimmen zur Bewaffnung von Drohnen sind in der Sozialdemokratie vielfältig, bis hin zu den Landesverbänden Baden-Württemberg und Berlin, die sich - trotz Schwierigkeiten der politischen Meinungsbildung im Lockdown - gegen die Bewaffnung von Drohnen positioniert haben.

Drohnen sind keine billigen Waffen

Unlängst stand das Thema im Verteidigungsausschuss auf der Tagesordnung. Dabei ist die Initiative der CDU-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, die Heron-TP-Drohnen der Bundeswehr zu bewaffnen, durch die Fachgremien einfach so durchgelaufen, um dann am Veto der ressortfernen SPD-Fraktionsspitze zu scheitern. Hätten die Einwände nicht von den zuständigen SPD-Politikern im Bundestag selbst kommen müssen?

Peter Förster: Nun, meines Wissens ist weder im Verteidigungsausschuss noch im Haushaltsausschuss eine Entscheidung gefallen. Ob am Mittwoch dieser Woche eine Entscheidung für bewaffnete Drohnen fällt, oder diese nochmal vertagt wird, hängt nun wesentlich an der Debatte in diesen Tagen.

Daher appelliere ich an dieser Stelle noch einmal eindringlich an alle Leser dieses Artikels, sich mit Leserbriefen gegen Kampfdrohnen an die Presse und ihre Bundestagsabgeordneten zu wenden.

Zu Ihrer Frage möchte ich eine grundsätzliche Anmerkung machen: Es ist fatal, wenn die Frage der sogenannten "Verteidigungspolitik" bzw. Rüstungspolitik aus rein militärischer Logik betrachtet wird. Die Zukunftsfragen dieser Gesellschaft – von der Bekämpfung des Klimawandels, der Verwirklichung der politischen und sozialen Menschenrechte bis hin zu Fragen globaler sozialer Gerechtigkeit – sind auch die der Menschheit als gesamter und nur im Frieden zu lösen. Daher begrüße ich sehr, dass sich zunehmend Teile der Zivilgesellschaft samt der SPD in die Debatte einmischen.

Kampfdrohnen weltweit (13 Bilder)

MQ-1A "Predator" auf der Ali Base im Irak. Bild: U.S. Air Force

Eine Lehre aus dieser Auseinandersetzung ist, dass die Entscheidungsprozesse im Bundestag dringend so reformiert werden müssen, dass eine solche breite Entscheidungsfindung in Rüstungsfragen grundsätzlich ermöglicht wird.

Nimmt die Rüstungsindustrie Einfluss auf die Debatte?

Peter Förster: Die Rüstungsindustrie versucht - wie jede andere große Industrie auch - Entscheidungen in ihrem Sinne zu beeinflussen, dieses Problem ist bekannt. Mittlerweile sind einige dieser häufig dubiosen Spenden Teil juristischer Auseinandersetzungen, auch Dank der "Aktion Aufschrei - stoppt den Waffenhandel".

Konkret zu Kampfdrohnen kann ich dies nicht belegen, weise allerdings darauf hin, dass Drohnen keineswegs wie behauptet "billige" Waffen sind. Für die fehlgeschlagene Drohne Euro-Hawk sind bereits mindestens 700 Millionen Euro verbrannt worden. Die Gesamtkosten für das europäische Rüstungsprojekt "Future Combat Airsystem", das auch auf Drohnentechnologie basiert, werden vom Handelsblatt auf unvorstellbare 500 Milliarden Euro geschätzt …

… die Summe des Rekord-Bundeshaushaltes 2021.

Peter Förster: Aus Sicht der Rüstungsindustrie sind Kampfdrohnen und künstliche Intelligenz das Geschäft der Zukunft und zunehmend bereits der Gegenwart. Diese wachsenden horrenden Kosten für die öffentliche Hand sind Gewinne der Rüstungsindustrie.

Geht es um die Heron-TP-Drohnen oder sind sie nur Einfallstor für weitere entsprechende Waffensysteme wie das Future Combat Air System? Können Sie den Unterschied erläutern?

Jakob Foerster: Zu Ihrer Frage möchte ich vorausschicken, dass ich kein Experte für konkrete Rüstungsprojekte bin, sondern für Maschinenlernen und für künstliche Intelligenz, insbesondere in Multi-Agenten Systemen. Nach meinem Wissen verbirgt sich hinter dem Begriff "FCAS" eine neue Flotte von Kampfflugzeugen, die mit Begleitschutz durch autonom fliegende Drohnen den Luftraum verteidigen und Angriffe ausführen sollen.

Dieses bereits konkret geplante Rüstungsprojekt zeigt damit genau die Gefahren bzw. die sich bereits in Gang befindliche Entwicklung, auf die ich mit meinem Brief hinweise: Bewaffnete Drohnen schaffen die Voraussetzung für teil- und voll autonome Waffensysteme.