Muss Österreichs "graue Eminenz" gehen?

Der österreichische Finanzminister Gernot Blümel. Bild: Österreichisches Bundesministerium für Finanzen. Lizenz: CC BY 2.0

Finanzminister Blümel sagt, an den Korruptionsvorwürfe im Zusammenhang mit dem Glücksspielkonzern Novomatic sei nichts dran - aber er schweigt zu Fragen, ob es Spenden an parteinahe Vereine gab

Alle drei österreichischen Oppositionsparteien - Sozialdemokraten, Freiheitliche und Neos - verlangen seit gestern geschlossen den Rücktritt des österreichischen Finanzministers Gernot Blümel. Der gilt nicht nur als Schlüsselressortinhaber, sondern auch als enger Vertrauter von Kanzler Kurz, als wichtiger Strippenzieher und als "graue Eminenz" der Volkspartei, weshalb mit ihm auch das gesamte Koalitions- und Regierungsgefüge in Bewegung geraten könnte.

Ein "gutes Gespräch" und eine "freiwillige Nachschau"

Anlass der Rücktrittsforderungen ist, dass die österreichische Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) gegen Blümel wegen des Verdachts der Bestechlichkeit ermittelt. Blümel weist diesen Verdacht von sich. Aber das hatte vor zwei Jahren auch der damalige FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache gemacht - und Kurz hatte dazu gemeint, mit einem Regierungsmitglied, gegen das polizeilich ermittelt wird, könne er nicht länger zusammenarbeiten.

Im Fall Blümel gilt das bislang nicht. Der Finanzminister scheint sich seines Postens noch sicher zu sein, wenn er verlautbart, Rücktrittsaufforderungen werde er "sicher nicht nachkommen", und auch eine Vertretung bis zum Ende der Ermittlungen stehe "nicht zur Debatte". Den Kontakt mit der Staatsanwaltschaft bezeichnete er als "gute Gespräch", die gestrige Hausdurchsuchung mit Sicherstellungen als "freiwillige Nachschau".

"Bräuchte kurzen Termin bei Kurz. 1) wegen Spende 2) wegen des Problems, das wir in Italien haben."

Auf Seiten der Staatsanwaltschaft ist von "Hausdurchsuchungen an mehreren Standorten in Privat- und Unternehmensräumlichkeiten" die Rede, die man gestern wegen des Verdachts durchgeführt habe, "dass ein Verantwortlicher eines Glücksspielunternehmens Spenden an eine politische Partei im Gegenzug für die Unterstützung von Amtsträgern der Republik Österreich bei einer dem Unternehmen drohenden Steuernachforderung im Ausland anboten".

Eine Grundlage dieses Verdachts ist dem Nachrichtenmagazin Profil zufolge eine SMS, die der damalige Novomatic-Geschäftsführer Harald Neumann am 12. Juli 2017 an Blümel schickte. In ihr heißt es: "Bräuchte kurzen Termin bei Kurz. 1) wegen Spende 2) wegen des Problems, das wir in Italien haben."

Die Partei - und parteinahe Vereine

Bei diesem Problem könnte es sich um Nachforderungen in zweistelliger Millionenhöhe gehandelt haben, die die italienischen Finanzbehörden nach einem Besuch der italienischen Steuerfahndung am 5. April 2017 geltend gemacht hatten. Damals war herausgekommen, dass die italienische Novomatic-Filiale ihre Steuerlast durch auffällig hohe Lizenzzahlungen an die Novomatic GmbH niedrig gehalten hatte (vgl. Wie "geistiges Eigentum" und Steueroasen zusammenhängen).

Zum Punkt 1, der Spende, erklärte Nobert Wess, der Rechtsanwalt des im Februar 2020 überraschend aus "familiären Gründen" abgetretenen ehemaligen Novomatic-Geschäftsführers, der "Erinnerung [s]eines Mandanten" nach habe es sich dabei "um eine karitative Sache" gehandelt, "völlig losgelöst von dem Italien-Thema". Neumann wolle außerdem klarstellen, "dass es weder von ihm persönlich noch vonseiten der Novomatic AG Spenden an politische Parteien, sohin auch nicht an die ÖVP, gegeben" habe.

Auch Blümel beharrte auf einer Pressekonferenz darauf, dass keine Spenden des Glücksspielkonzerns an die ÖVP gab. Das lasse sich über den Rechnungshof und die öffentlich einsehbaren Register belegen. Auf Fragen dazu, ob es zu Spenden an parteinahe Vereine kam, wiederholte der Finanzminister diese Aussage. Und als Medienvertreter daraufhin die nicht beantwortete Frage wiederholten, brach er die Pressekonferenz ab.

Wie die Zukunft des 39-Jährigen aussieht, ist deshalb offen. Vielleicht wäre es gar nicht so uninteressant, wenn der bislang eifrige Verfechter einer Vorratsdatenspeicherung und einer Quasi-Klarnamenspflicht im Internet (vgl. "Digitales Vermummungsverbot") in der Politik bleibt, nachdem er praktische veranschaulicht bekam, dass Hausdurchsuchungen mit einer standardmäßigen Beschlagnahme sämtlicher Hardware und Datenträger im 21. Jahrhundert faktisch etwas ganz anderes sein können als sie zu einer Zeit waren, als man noch keine Computer, Smartphones und Tablets, sondern Füller, Kugelschreiber und Bleistifte hatte: Nämlich eine Strafe ohne Urteil (vgl. Euphemismus Hausdurchsuchung und Terrorfahndung in Kinderzimmern).

Vielleicht hat Blümel diese Erfahrung aber auch nicht gemacht: Die Ermittlungen gegen ihn wurden nämlich schon zwei Tage vor der "freiwilligen Nachschau" bei ihm öffentlich, weshalb er Zeit zum Aufräumen gehabt hätte.

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