Die "verfluchte" Atomkraftwerks-Baustelle in Flamanville

Flamanville. Bild: EDF

Schon wieder tauchen Probleme am EPR-Neubau auf, dessen Kosten vom französischen Rechnungshof schon auf 19,1 Milliarden Euro veranschlagt werden

"Neuer Rückschlag auf der verfluchten Baustelle des EPR-Reaktors" im französischen Flamanville, schreibt die französische Zeitung Le Monde. Immer wieder hatte Telepolis über die Probleme am Kraftwerksneubau in der Normandie berichtet. Dort sorgen unter anderem - wie auch jetzt wieder - Schweißnähte für Ärger.

Damit kommt der verfluchte Zeitplan erneut durcheinander. Es ist kaum noch möglich, die immer wieder verschobene Inbetriebnahme - zuletzt bis 2024 - noch zu einzuhalten.

Nun hatte die Atomaufsichtsbehörde Autorité de Sûreté Nucléaire (ASN) wieder einmal schlechte Nachrichten für den ohnehin hochverschuldeten staatlichen Stromerzeuger EDF, da die EDF die Atomaufsicht zuvor über eine "bedeutende Konstruktionsabweichung" informiert hatte.

Die finden sich nun im besonders wichtigen primären Kühlkreislauf des Reaktors. Verschiedene Rohrleitungsschleifen sind im Reaktor installiert und dazu kommen verschiedene Hilfskreisläufe. Und hier finden sich die Konstruktionsabweichungen an drei angeschweißten Verbindungen, die als "set in" bezeichnet werden.

Es handelt sich also wieder einmal um Problem an Schweißnähten. Um die Kontrolle der "Set-in"-Schweißnähte an der Hauptleitung zu erleichtern, wurden einst die Schweißnähte an diesen drei Stutzen verändert. Mit der Vergrößerung des Schweißnaht-Durchmessers veränderte sich auch die Größe des Bruchs im Schadensfall.

Das wurde in den Sicherheitsstudien nicht berücksichtigt. Die ASN hat deshalb den Kraftwerksbetreiber EDF aufgefordert, seine Strategie für den Umgang mit diesem Problem vorzulegen und die Ursachen für diese Abweichung und die Gründe für die späte Entdeckung zu identifizieren. Zudem wurde die EDF aufgefordert, die nötigen Korrekturmaßnahmen vorzunehmen. Sichergestellt werden soll auch, dass es keine weiteren Abweichungen im besonders sensiblen Primärkreislauf gibt, also ist eine Überprüfung weiterer Schweißnähte nötig.

Die "Erfolgsstory" von Pleiten, Pech und Pannen bei der "Renaissance der Atomkraft" mit der dritten Reaktorgeneration reißt also nicht ab. Der neue "European Pressurized Reactor" (EPR) sollte eigentlich schon seit acht Jahren Strom liefern. 2007 wurde mit dem Bau begonnen, 2012 sollte der erste EPR in Flamanville ans Netz gehen.

Kosten sollte der Reaktor, um angeblich billigen Atomstrom zu liefern, nur 3,3 Milliarden Euro. Inzwischen sind die Kosten auch nach Angaben der EDF schon auf 12,4 Milliarden Euro explodiert. Der französische Rechnungshof schätzt aber längst, dass sich die Gesamtkosten auf mehr als 19 Milliarden aufsummieren werden. Die neuen Probleme sind dabei noch nicht berücksichtigt.

Le Monde hebt auch hervor, dass dieses Problem auf einer "Baustelle voller Tücken" für die EDF zu einem Zeitpunkt kommt, an dem noch nicht einmal ein vorangegangenes Problem an Schweißnähten am Sekundärkreislauf gelöst ist. Die Atomaufsicht hat die von der EDF gewählte Lösung, Roboter zur Nachbearbeitung der schwer zugänglichen Schweißnähte einzusetzen, bisher nicht genehmigt.

Welche Kosten auf die EDF, die den Kraftwerksbau nach der Pleite des staatlichen Kraftwerksbauers Areva aufgezwungen bekam, in Flamanville noch zukommen, ist zudem noch unbekannt. Bekannt ist, dass die Atomaufsicht die Sicherheit des schadhaften Reaktordeckels nach einigen Jahren im Betrieb überprüfen will. Unbekannt ist aber, wie das überhaupt geschehen soll. Schadhaft ist eigentlich auch der Boden des Reaktorbehälters, aber da daran eine Prüfung völlig illusorisch ist, wird darüber bei der ASN hinweggesehen.

Die hat kürzlich auch ihre seltsame Politik bei der Blackout-Bekämpfung gezeigt. War zuvor schon die Laufzeit von den Uraltmeilern in Fessenheim trotz erheblicher Sicherheitsprobleme verlängert worden, soll nun die Laufzeit von altersschwachen Atomkraftwerken sogar auf 50 Jahre verlängert werden, damit in Frankreich die Lichter nicht ausgehen.

Dort wurde die Energiewende verschlafen und weiter auf Atomkraftwerke gesetzt. Demnächst will Frankreichs Präsident Emmanuel Macron entscheiden, ob in den nächsten 15 Jahren sechs neue EPR-Reaktoren gebaut werden. Die neuen Probleme kommen für die Atomlobby also zur Unzeit.