Streamingdienste: Die Rückkehr der Stoppschild-Ritter

Medienkonzerne versuchen weiterhin mit Grundrechtseingriffen und Zensur der Internetanschlüsse selbstverursachte Probleme zu lösen

"Kommt jetzt das Ende der illegalen Streamingseiten?", lautet am 15. März dieses Jahres der vielversprechende Titel, rief man den entsprechenden Artikel der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) vom 10. März des Jahres auf. Aber URLs unter denen er in diversen Reddit-Foren noch verlinkt ist, zeigen, dass ihn die Redaktion einige Male umbenennen musste: "Neue Clearingstelle sperrt künftig systematisch illegale Streamingangebote" oder "Streaming: Neue Clearingstelle sperrt illegale Internetseiten", lauteten die vorherigen Titel. Vielleicht waren die Journalisten da ein wenig übermütig. Aber das Internet vergisst eben nichts.

Trittbrett oder Steigbügel?

Doch nur Verschwörungstheoretiker werden annehmen, die Zeitung mache sich hier zum Steigbügelhalter der Contentindustrie. Aus den völlig wirkungslosen von-der-leyenschen Stoppschildern – die älteren Leser werden sich noch erinnern – und der unseligen Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen (GVU) wurde 2021 die ebenso wirkungslose Clearingstelle Urheberrecht im Internet (CUII):

Die Clearingstelle Urheberrecht im Internet, kurz CUII, ist ein von Internetdienstanbietern und Vertretern von Urheberrechteinhabern getragener Verein zur Zensur illegaler Internetdienste.

Wikipedia, 15.3.21

Die CUII startete am 11. März, unterstützt durch konservative Medien und scharf kritisiert vom fast kompletten Internet, Grundrechtsaktivisten und Politikern, die sowohl gegen Zensur wie auch gegen die erneute Übertragung staatlicher Aufgaben auf die Privatwirtschaft protestierten.

Bei Netzsperren bleiben Inhalte im Netz, es wird lediglich ein Vorhang davor gezogen (...) Der Einsatz von Netzsperren in demokratischen Staaten normalisiert dieses gefährliche Instrument. Es kann nur eine Frage der Zeit sein, bis Despoten und Autokraten auf Deutschland als Vorbild verweisen, wie es Erdogan und Putin bereits beim Netzwerkdurchsetzungsgesetz getan haben

Markus Beckedahl, Netzpolik.org

Das einzige was sich seit 2009 geändert hat, ist die Gesetzeslage, die es heute einem Lobbyverband erlaubt, beliebige Webseiten zu deaktivieren. Die Politik nennt derlei "Netzsperren". Vor elf Jahren noch ein Unding, das für Gelächter sorgte und Ursula von der Leyen zum Internetmeme machte, wurden die gewünschten Maßnahmen jetzt durchgesetzt.

Mithilfe massiver Lobbyarbeit, stets mit dem Verweis auf Kinderpornographie, ging es aber meist nur um die Interessen der Rechteinhaber aus Film- und Musik-Branche. Heute machen auch die Provider willfährig mit, die damals noch protestierten: "Provider sind keine Internetpolizei", sagte 2009 noch der Vodafone-Chef. Das würde ihm heute sicher nicht mehr passieren.

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