Mit samenfesten Sorten die Ernährung sichern

Gentechnologen versprechen Turbopflanzen, die dem Klimawandel standhalten. Die herkömmliche Pflanzenzüchtung hat längst entsprechende Ergebnisse vorzuweisen

Künftige Kulturpflanzen sollen resistent sein gegen Viren und Pilze, sie sollen mit Hitze, Trockenheit und salzigen Böden zurechtkommen, viele Nährstoffe, gesündere Fettsäuren und weniger Allergene enthalten. Und sie sollen eine wachsende Zahl von Menschen ernähren.

Neben den Konzernen drängt nun auch die EU auf eine Änderung der Zulassungsregeln, um mit Hilfe der Genschere CRISPR die genmanipulierten Superpflanzen schneller auf den Markt zu bringen.

Kann die Gentechnik erfolgreich den Hunger auf Welt bekämpfen? Betrachtet man die wichtigsten gentechnisch veränderten Pflanzen – Soja, Mais, Raps, Baumwolle – fällt auf, dass gerade mal Mais ein Grundnahrungsmittel ist. Mais braucht neben frostfreien Temperaturen im Jugendstadium ausreichend Wasser und Nährstoffe. Zwar verfügt jede vierte in den USA angebaute Maissorte über bestimmte Trockentoleranz-Eigenschaften, doch diese wurden zumeist mit herkömmlichen Methoden angezüchtet. Widerlegt sind auch die angeblich höheren Erträge.

So lieferte der Gen-Mais Drought Gard bei moderater Trockenheit ohne zusätzliche Bewässerung keine höheren Erträge als konventionelle Maissorten. Selbst in Südafrika lehnte die ansonsten gentechnikfreundliche Regierung 2019 die Zulassung des Gen-Maises ab, weil dieser den Landwirten keinen zusätzlichen Nutzen bringt. Was Soja betrifft, so wird es vor allem als Futter für Rinder angebaut. Der Soja-Anbau wiederum verhindert, dass auf denselben Äckern pflanzliche Lebensmittel angebaut werden können.

Für Kleinbauern wird es schwieriger

Die neuen gentechnischen Methoden seien einfacher zu handhaben und ideal für kleine Züchter, argumentieren Befürworter. Im Gegenteil: Für Kleinbauern, die mit den genveränderten Produkten arbeiten, wird dies eher schwieriger, weil sie mehr Geld für Saatgut, Dünger oder Pestizide ausgeben müssen. Die Konzerne kaufen kleine Labore, um die Entwicklungen mit Patenten abzusichern.

Pflanzen und Züchtungsmethoden werden über Patentierungen kommerziell verwertet. So würden kleine Start-ups, die sich auf dem Gebiet unternehmerisch betätigen, bald von größeren Firmen übernommen, einschließlich der Patente für Genome Editing, erklärt Christof Potthof, der bis 2020 beim Gen-ethischen Netzwerk arbeitete, im Interview.

Die herkömmliche Pflanzenzüchtung sei zu langsam, um Nutzpflanzen an den Klimawandel anzupassen, heißt es oft. Doch auch das Entwicklungstempo von CRISPR kann man nicht gerade als rasant bezeichnen.

Seit ihrer Erfindung vor acht Jahren gab es zwar zahlreiche Pflanzenversuche, doch sind diese von einer Marktreife noch weit entfernt. In den USA werden CRISPR-Pflanzen höchstens auf kleinen Versuchsflächen angebaut. Die wenigen Freisetzungsversuche in der stärker regulierten EU von 2019 und 2020 dienten lediglich der Grundlagenforschung.

Die Vorteile der Gentechnik – auch der neuen – sind mehr als übersichtlich, bilanziert Christof Potthof. Für ihn liegt der Unterschied zur klassischen Pflanzenzüchtung vor allem darin, dass CRISPR als Werkzeug dient, um Genome zu verändern.

Hybride – normiertes Obst und Gemüse für den Supermarkt

In der modernen Pflanzenzüchtung setzt man auf Hybride, weil diese den Anforderungen am Markt am ehesten entsprechen. Die einheitlichen Früchte sind schnell zu ernten und lange lagerfähig. Hybride entstehen durch die Kreuzung zweier genetisch weit entfernter Elternorganismen, die aus Inzuchtlinien stammen, bei denen die gewünschten Merkmale möglichst reinerbig (homozygot) vorliegen.

In der nachfolgenden F1 = Generation tritt der so genannte Heterosiseffekt auf: Die Pflanzen haben hohe gleichmäßige Erträge, sie sind widerstandsfähiger und uniformer. Oft liegt der Ertrag deutlich über dem der Elternlinien.

Zwar sind bei Hybriden schnellere Zuchtfortschritte möglich. Allerdings spaltet sich das Erbgut im Nachbau auf, die Nachkommen degenerieren, die wunderbaren" Eigenschaften gehen verloren.

Zudem sind Hybridsorten auf Hochleistung gezüchtet – sie brauchen fruchtbare Böden und viel Input. Diese Bedingungen sind auf kleinbäuerlichen Betrieben mit weniger guten Böden, weniger Nährstoffen und Wasser oft ungeeignet. Ihr größter Nachteil ist, dass das Saatgut von kommerziellen Saatgutfirmen nachgekauft werden muss. Auch im Demeter-Anbau werden bisher hauptsächlich Hybridsorten verwendet. Künftig will der Verband allerdings größeres Augenmerk auf samenfeste Sorten aus biodynamischer Züchtung legen, um den eigenen hohen Qualitätsansprüchen im Gemüsebau zu genügen.

Im Gegensatz zu Hybriden passen sich samenfeste Sorten an regionale und lokale Klima- und Bodenverhältnisse an. Sie lernen mit dem sich wandelnden Klima umzugehen und interagieren mit ihrer Umwelt. Die Pflanzen werden auf Widerstandsfähigkeit, Geschmack und innere Qualitäten selektiert, aber auch darauf, wie gut sie den konkurrierenden Beikräutern standhalten, erklärt Ruth Dettweiler, Demeter-Beraterin in Baden-Württemberg.

Ein entscheidender Vorteil ist, dass sie von Gärtnern und Landwirten selber vermehrt werden können. So kann jeder Betrieb seine eigenen Hofsorten züchten – unabhängig von Saatgutkonzernen. Darüber hinaus setzen sich die meisten Öko-Anbauverbände für eine Pflanzenzüchtung ohne Zellfusion ein.

Momentan allerdings liegt der Anteil nachbaufähiger Sorten auch im Ökolandbau noch bei unter zehn Prozent. Überwiegend werden Hybridsorten verwendet. Um den Handel mit Öko-Saatgut anzukurbeln, müssten die Züchter mit Händlern, Verarbeitern und Konsumenten zusammenarbeiten, ist die Demeter-Gemüsebau-Beraterin überzeugt.1

Pflanzen interagieren mit ihrer Umwelt

Um bei der Registerprüfung im Bundessortenamt bestehen zu können, muss eine neue Sorte eine hohe Einheitlichkeit aufweisen. Je einheitlicher eine Sorte ist, umso geringer ist ihre Anpassungsfähigkeit an die sich ändernde Umgebung. Zudem verengt sich das Spektrum an pflanzlichem Zuchtmaterial.

Seit dreißig Jahren züchtet Ulrike Behrendt Bio-Gemüsesorten im Oldendorfer Saatzucht-Betrieb, vierzig Kilometer nördlich von Bremen. Mit ihrem kleinen Team treibt sie die züchterische Entwicklung von Gurken, Chinakohl, Spitzkohl, Möhre, Rote Bete, Tomate und Salat voran. Die neue Gemüsesorten müssen lernen, mit widrigen Umweltbedingungen umzugehen – wie zum Beispiel der rot-grüne Batavia-Salat Saragossa - das Ergebnis einer Kreuzung eines wilden Salates mit einem Eissalat und einer Batavia-Sorte.

Als Selbstbestäuber ist Salat genetisch sehr homogen und wenig reaktionsfähig. Die durchgezüchteten Linien können sich nur bedingt ändern. Weil sie kaum noch von ihrem Typus abweichen, sind sie nicht mehr in der Lage, sich neuen Klimabedingungen anzupassen. Mit solchen Pflanzen habe der Falsche Mehltau, ein variabler Pilz, leichtes Spiel, erklärt die Pflanzenzüchterin. Trifft der Pilz auf einen großen resistenten, genetisch homogenen Bestand, gelingt es ihm bald durch immer neue Varianten, die Resistenzen zu durchbrechen und ganze Salatbestände unbrauchbar zu machen.

Diese Entwicklung geht immer schneller: Mittlerweile sind 36 Rassen dieses Pilzes bekannt. Auf der Suche nach wirksamen Resistenzen züchtete man immer neue moderne Sorten, doch deren Haltbarkeit wird immer kürzer.

Der Variabilität des Pilzes will die Züchterin mit einer größeren genetischen Vielfalt begegnen. So werden zehn ausgewählte Salatlinien einzeln züchterisch erhalten. Dieser konstante Salat-Mix mit unterschiedlicher Anfälligkeit bietet dem Pilz einerseits weniger Angriffsfläche, andererseits höhere Ertragssicherheit. Die hohe genetische Vielfalt bewirkt, dass sich neue Mehltaurassen langsamer entwickeln.

Doch auch im Gemisch müssen sich die Pflanzen an Änderungen anpassen: Stark anfällig gewordene Linien werden durch neu gezüchtete ersetzt. Alle Salatmischungen werden innerhalb eines Zeitfensters geerntet und den Großhändlern in einer bunten Kiste angeboten. Von den Kunden kamen bereits viele positive Rückmeldungen.

Nebenbei erhöht sich die Salatvielfalt am Markt. Im Rahmen des Vereins Kultursaat werden derzeit diverse Mischungen an Standorten mit verschiedenen Klima- und Anbaubedingungen getestet.