Leuchtturmprojekt auf der Kippe: Luftkampfsystem FCAS

Future Combat Air System: Modell der Tarnkappen-Kampfdrohne Dassault Neuron (2015). Foto: Tiraden/CC BY-SA 4.0

Das derzeit wichtigste Rüstungsprojekt in Europa, von Frankreich und Deutschland vorangetrieben, erfährt starken Gegenwind

Es gilt als das derzeit wichtigste Rüstungsprojekt in Europa, das Luftkampfsystem der Zukunft (Future Combat Air System, FCAS). Dabei handelt es sich um ein von Frankreich und Deutschland vorangetriebenes Vorhaben mit Spanien als Juniorpartner, in dessen Zentrum die Entwicklung eines Kampfjets der 6. Generation steht, der von bewaffneten und unbewaffneten Drohnen begleitet werden soll.

Als Leuchtturmprojekt für den Aufbau eines europäischen Rüstungssektors unter deutsch-französischer Dominanz genießt das FCAS auch politisch hohe Priorität, es erfährt aber aktuell dennoch massiven Gegenwind (siehe "Das größte europäische Rüstungsprojekt überhaupt").

Für die Befürworter des Vorhabens ist dies insofern misslich, weil der Bundestag unbedingt in der 25. Kalenderwoche ab dem 21. Juni die Freigabe der Gelder für die nächste Projektphase beschließen soll. Ansonsten droht eine massive Verzögerung, da nach den Bundestagwahlen auch bald der Wahlkampf in Frankreich ansteht. Die Internationale Politik schreibt dazu:

Der Druck auf die deutsche Regierung also ist immens, denn in diesem Sommer tritt FCAS in die entscheidende Planungsphase. Im April haben die beiden ausführenden Rüstungskonzerne Dassault Aviation und Airbus Defence and Space ihren Regierungen einen Plan auf den Tisch gelegt, der den Bau eines flugfähigen Prototyps bis 2027 vorsieht. Kostenpunkt: rund neun Milliarden Euro. Soll der Zeitplan eingehalten werden, müsste der Bundestag noch in dieser Legislaturperiode einen Finanzierungsplan freigeben mit dem deutlichen Hinweis: Hier wird nicht mit Millionen, sondern Milliarden gerechnet.

Internationale Politik

Aus diesem Grund wird von interessierten Kreisen derzeit alles darangesetzt, das Projekt in trockene Tücher zu bekommen. Laut der französischen La Tribune soll sich zum Beispiel einer der potenziellen Hauptprofiteure schon seit einiger Zeit mit Blick auf die anstehende Abstimmung über die FCAS-Gelder an deutsche Politiker heranschmeißen:

Nach unseren Informationen hat Airbus bereits damit begonnen, Briefe an einflussreiche Politiker in Deutschland zu schicken, um die Bedeutung dieser Vereinbarung und die entscheidende Rolle der deutschen Industrie in diesem Programm zu erklären.

La Tribune

Allerdings ist weiter unklar, über welchen Betrag abgestimmt werden soll, aktuell geistern sehr unterschiedliche Zahlen durch die Gegend. Offen ist aber vor allem die Frage, aus welchem Haushalt diese Gelder kommen sollen - nach Auffassung von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nämlich nicht aus dem Verteidigungshaushalt, sondern aus dem allgemeinen Haushalt.

Das FCAS ist das prominenteste von 15 Projekten, die Kramp-Karrenbauer in einem bislang einmaligen Vorgang zur Abstimmung vorlegen will, ohne dass sie finanziell vom Verteidigungshaushalt abgedeckt wären. Sie setzt dabei darauf, dass die Abgeordneten die Finanzierung aufgrund der Bedeutung der Projekte dennoch zusichern werden (siehe Rüstungsgroßprojekte: Milliardenpoker des Verteidigungsministeriums).

Mit diesem Erpressungsversuch hat es Kramp-Karrenbauer nun aber geschafft, Parlamentarier aus CDU und SPD in einem Ausmaß gegen sich aufzubringen, dass Insider davon ausgehen, selbst bei einem Wahlsieg der Union könne sie sich das Amt der Verteidigungsministerin abschminken.

Ungemach droht dem FCAS auch noch aus den Reihen des Verteidigungsministeriums selbst, wo laut einem internen Bericht, der nun an die Presse durchgestochen wurde, die - offiziell beigelegten - Konflikte mit Frankreich als so gravierend beurteilt werden, dass die nächste Projektphase aktuell "nicht zeichnungsreif" sei.

Gründe gibt es also genug, das Projekt so schnell wie möglich einzustampfen, bevor nicht nur wie bislang Millionen, sondern unzählige Milliarden darin versenkt werden - und das ist auch genau die Forderung, die jetzt aus der Friedensbewegung mit der kürzlich gestarteten Kampagne: "100 Milliarden Euro für neues Luftkampfsystem 'FCAS'? Wir sagen NEIN und werden aktiv!" erhoben wird.

FCAS Projektphase 1B: Wer soll das bezahlen (und wieviel?)

Beim FCAS geht es um riesige Summen, auch wenn sehr unterschiedliche Schätzungen über die schlussendlichen Baukosten kursieren, die von ca. 100 bis 300 Milliarden Euro reichen - mit dem Erstflug wird aktuell 2035 gerechnet, erste Auslieferungen dürften nicht vor 2040 stattfinden. Angesichts dessen sind die bislang für das Projekt aufgewendeten Gelder noch einigermaßen überschaubar, zusammen brachten Deutschland und Frankreich bisher 215 Millionen Euro ein.

Doch mit der nun anstehenden Projektphase 1B, die bis 2024 gehen und den Auftakt für den Bau eines Prototyps darstellen soll, dessen Fertigstellung aktuell für 2027 vorgesehen ist, dürfte es nun richtig teuer werden.

Wie teuer, das weiß allerdings bislang kaum jemand - am wenigsten einige Medien, wie der Deutschlandfunk oder die FAZ, wenn sie schreiben, die Abgeordneten sollten "über eine Vorlage in einer Höhe von 25 Millionen Euro beraten." Tatsächlich handelt es sich um eine sogenannte 25-Millionen-Euro-Vorlage, weil der Antrag diesen Betrag übersteigt und deshalb grundsätzlich noch einmal separat von Verteidigungs- und Haushaltsausschuss bewilligt werden muss.

Soweit so peinlich - allerdings herrscht tatsächlich bis heute völlige Unklarheit darüber, um welchen Betrag es konkret gehen soll. Als Gesamtkosten der nächsten Projektphase 1B werden zwischen 2,5 Mrd. Euro (La Tribune) über 3,5 Mrd. Euro (FAZ) bis hin zu 4,5 Mrd. Euro (SZ) angegeben. Über die verlässlichsten Informationen scheint die französische challenges.fr zu verfügen, die sich in der Mitte der kursierenden Zahlen bewegt, aber auch über Informationen über die Aufteilung unter den Projektpartnern zu verfügen scheint (übersetzt mit deepl.com):

Das Budget für Phase 1 B des FCAS-Programms (2021-2024) wird in der Größenordnung von 3,5 Milliarden Euro liegen, von denen nach unseren Informationen (ohne Mehrwertsteuer und Rückstellungen für verschiedene Risiken) 990 Millionen Euro auf Frankreich, 970 Millionen auf Deutschland und 940 Millionen auf Spanien entfallen.

Challenges

Von dem deutschen Anteil ist einem Artikel der Süddeutschen Zeitung zufolge allerdings bislang lediglich rund ein Drittel (330 Millionen Euro) in der kommenden Finanzplanung des Verteidigungsministeriums abgesichert - und genau das ist aktuell Gegenstand erbitterter Auseinandersetzungen.