Allianz gegen den "Drogenkommunismus"

Die ultrarechte Vox-Partei aus Spanien sucht die Allianz mit der konservativen PAN in Mexiko. Das Ziel: dem "Kommunismus" transatlantisch Einhalt gebieten und den politischen Diskurs verschieben

Die Vernetzung der europäischen extremen Rechten schreitet voran – und beschränkt sich nicht mehr bloß auf dem eigenen Kontinent. Vor wenigen Wochen besuchte die stellvertretende AfD-Vorsitzende Beatrix von Storch samt Ehemann Sven den brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro und dessen Sohn Eduardo. Der Präsidentensohn ließ verlautbaren, man teile Ideale wie "Familienverteidigung", "Grenzschutz" sowie der "nationalen Kultur".

Ein gutes Stück weiter nördlich – in Mexiko – erhielten 15 Senatorinnen und Senatoren der konservativen Partido Acción Nacional (PAN) am 2. September Besuch von der ultrarechten Vox-Partei.

Strategischer Schulterschluss

Mit dabei: Santiago Abascal, Parteivorsitzender von Vox und zentrale Figur für einen extrem konservativen, christlich-fundamentalistischen Kurs in Spanien. Vergangenen Monat setzte Abascal einen Tweet ab, in dem es hieß:

Spanien gelang es, Millionen von Menschen aus dem blutrünstigen und schrecklichen Regime der Azteken zu befreien. Stolz auf unsere Geschichte!

Das klang ganz so, als hätten die Spanier Mexiko mit der Conquista einen Gefallen getan. Hintergrund des Tweets war der 500. Jahrestag des Falls der Aztekenhauptstadt Tenochtitlán, an deren Stelle das heutige Mexiko-Stadt errichtet wurde.

Doch Abascal kam in einer viel wichtigeren Mission: Gemeinsam mit der rechten mexikanischen Oppositionspartei PAN unterzeichnete man den "Brief von Madrid". Das Schreiben prangert etwa an, dass der "Vormarsch des Kommunismus" eine "ernste Bedrohung" für Wohlstand, Freiheit und die Rechte der Menschen in der sogenannten Iberosphäre sei.

Das Konstrukt der Iberosphäre ist eine Wortschöpfung. Dabei handelt es sich laut Abascal um Nord- und Südamerika. Die Region gehöre, meint der Politiker, zum spanischen Kulturraum.

Zudem suchen die Vox-Politiker:innen Partner für eine Allianz, um das "Foro Madrid" (Madrid-Forum) ins Leben zu rufen. Das soll ein international vernetztes Bündnis gegen "den Vormarsch des Drogenkommunismus in der Iberosphäre" sein.

Die spanische Zeitung El Mundo bemerkt, dass das Vorhaben eine Antwort auf die Gründung der beiden linksorientierten Bündnisse "Foro de São Paulo" und "Grupo de Puebla" in der Vergangenheit sein soll.

Unterstützt werden diese von populären linken (Ex-)Präsidenten Lateinamerikas, darunter etwa Rafael Correa (Ecuador), José Mujica (Uruguay) sowie Evo Morales (Bolivien).

"Kopie des Populismus von Donald Trump"

Obgleich faktisch nur eine Handvoll Nationen weltweit kommunistisch orientiert sind (Kuba, Laos, Vietnam, Nordkorea, China), scheint das irreführende Sprach-Framing niemanden zu stören.

Im mexikanischen Wochenmagazin Proceso (Ausgabe 2340) zieht Alejandro Gutiérrez den Vergleich zu Donald Trump und konstatiert im Hinblick auf Vox, dass dessen "diskursive Strategie eine Kopie des Populismus von Donald Trump ist." So warf Vox der spanischen Linksregierung wiederholt vor, "illegitim" an der Macht zu sein - trotz rechtmäßig gewonnener Wahlen.

Eine mittlerweile salonfähig gewordene Taktik der extremen Rechten, die auch in Deutschland mehr und mehr angewendet wird, etwa vom rechten Netzwerk "Ein Prozent". Es geht nicht um eine sachliche Debatte, sondern um das Schüren von Ängsten und Vorurteilen. Geflüchtete fielen über das Land her, Sexualkunde-Unterricht verderbe die Kinder – die Debatte wird emotional geführt.

Diskursverschiebung als Ziel

Die Positionen von Vox sind bekannt und treffen auf beiden Seiten des Ozeans auf Resonanz: Anti-Abtreibung, Anti-Migration, Homophobie, Islamophobie, Tendenzen hin zum Franco-Faschismus.

Die christlich geprägte PAN-Partei Mexikos hatte schon seit ihrer Gründung 1939 vereinzelt Sympathisanten für das franquistische Regime in den eigenen Reihen. Als erzkatholisches Land reagieren in Mexiko viele allergisch auf das Recht auf Abtreibung. Stimmung gegen Schwangerschaftsabbrüche lässt sich leicht machen.

Dennoch entschied erst vor kurzem (7. September) der Oberste Gerichtshofs Mexikos (SCJN), dass das herrschende totale Abtreibungsverbot verfassungswidrig ist.

Bis dahin war der Abbruch lediglich nach einer Vergewaltigung im ganzen Land straffrei. Vor dem Obersten Gerichtshof "beteten" am Tag zuvor noch Menschen als Protest.

Auch das Ziel ist klar: Eine Diskursverschiebung soll her. Warum das gefährlich ist, erklärte der spanische Journalist und Autor Antonio Maestre 2019 im Interview mit dem Wochenmagazin Proceso (Ausgabe 2218):

Die Gefahr von Vox besteht nicht darin, dass sie aus eigener parlamentarischer Kraft agieren können, sondern in ihrer enormen Fähigkeit, die öffentliche Debatte mit ihrem Diskurs und ihren Vorschlägen zu "durchtränken" und sie durch Assimilation an die traditionelle Rechte zu verbreiten.

Vox ist mittlerweile die drittstärkste Kraft im spanischen Parlament.

Kontakte bis nach Russland

Zwei Organisationen sind dabei von essenzieller Bedeutung, denn sie hängen untrennbar mit den Ultrarechten von Vox zusammen. Zum einen die Disenso-Stiftung, geistiger Urheber des "Briefs von Madrid".

Deren Vorsitzender ist Santiago Abascal, gleichzeitig Vox-Parteichef. Die 2020 gegründete private Stiftung ist eng mit Vox verbunden und soll als Thinktank im Hintergrund dienen. Sie ist Mitglied der "Free Speech Alliance", einem Zusammenschluss von über 70 konservativen Organisationen, hauptsächlich US-amerikanischen Ursprungs.

Der Disenso-Stiftung sitzt auch Hermann Tertsch bei. Der Europaabgeordnete von Vox reiste ebenfalls nach Mexiko. Während seiner Jugendzeit war er Mitglied der Kommunistischen Partei des Baskenlandes. Zudem profilierte er sich als Journalist.

Anfang der 1980er-Jahre arbeitete Tertsch als Korrespondent für die spanische Nachrichtenagentur EFE und die Zeitung El País. Ende der 2000er vollzog er dann den ideologischen Seitenwechsel.

Er ist der Sohn von Ekkehard Tertsch, einem Journalisten und Mitglied der NSDAP in Österreich. Vazet Tertsch bot sich Deutschland als Spion und avancierte später zum Diplomaten. So arbeitete er mit Josef Hans Lazar zusammen, der die spanische Presse während des Zweiten Weltkriegs kontrollierte.

Noch bedeutsamer, um die Vernetzung und den Erfolg der Vox-Partei voranzutreiben, ist das "Intoleranz-Netzwerk" namens "CitizenGO". Den Namen "Intoleranz-Netzwerk" bekam CitizenGo von WikiLeaks. Die Enthüllungsplattform leakte 17.000 Dokumente über das rechte Vorhaben.

Laut Informationen der taz handelte es sich bei den veröffentlichten Dokumenten wohl um die Inhalte von Dropbox-Ordnern von Ignacio Arusaga, dem Präsidenten des Netzwerks. Arusaga ist seit vielen Jahren ein enger Freund Abascals.

Der Jurist Arusaga gründete demnach mit zwei Freunden die Initiative "Hazte Oír" (Verschaff‘ dir Gehör), die dann später in CitizenGo umbenannt wurde. Geld bekommt die Organisation vor allem vom russischen Oligarchen Konstantin Malofejew, der wiederum gute Kontakte zur orthodoxen Kirche in Russland und Präsident Wladimir Putin unterhält.

Der Antiabtreibungsaktivist Arsuaga will mit CitizenGo nichts weniger als "die einflussreichste internationale christlich inspirierte Mobilisierungswebsite" aufbauen. So formuliert es Arsuaga 2013 in einem Schreiben an den Oligarchen Malofejew.

"Beispiellose" Mobilisierung der europäischen Rechten

Mithilfe eines Systems bestehend aus unzähligen Petitionen und E-Mails an Abgeordnete des EU-Parlaments generieren sie Aufmerksamkeit und Unterstützer:innen. Die Autor:innen der taz, die neben anderen (internationalen) Medien die Wikileaks-Dokumente vorab zugespielt bekommen haben, erklären das Konzept:

Sie fluten die Posteingänge der Abgeordneten mit E-Mails und starten Onlinepetitionen. Innerhalb kürzester Zeit sammelt CitizenGo Tausende Unterschriften (…) Diese Graswurzelmobilisierung ist für die europäische Rechte bis zu diesem Zeitpunkt beispiellos.

Der amtierende Präsident Mexikos, Andrés Manuel López Obrador, sagte über das Treffen von PAN und Vox, die beiden Parteien seien dasselbe, "fast faschistisch", der Unterschied bestünde bloß darin, dass sie sich als Demokraten ausgegeben hätten. Ex-Präsident Felipe Calderón, ehemals selbst PAN, kritisierte das Treffen und sagte, seine Partei sei "vom Weg abgekommen".

Während die neoliberalen Staaten Mexiko und Spanien Lichtjahre von irgendeiner Form des Kommunismus entfernt sind, scheint die rhetorische Strategie der Vox-Partei aufzugehen. Der Kampf gegen ein Gespenst – sofern sprachlich gut verpackt – reicht offenbar aus, um Allianzen zu schmieden.

Zusammen mit der guten Vernetzung über Landesgrenzen hinweg hat die extreme Rechte in Spanien ein Level an Professionalität erreicht, von der die politische Linke nur träumen kann.