Das Unwort Ökofaschismus

Reformpädagogisch wertvoll oder Vorläufer der völkischen Siedler? Kolonie Monte Verità, gegründet um 1900. Bild: Johann Adam,Meisenbach, Nachlass Kunsthaus Zürich

Wer sich mit einem Schlagwort politische Kontrahenten vom Leib halten will, muss aufpassen, dass es ihm nicht auf die eigenen Füße fällt

Der Attentäter von Christchurch nannte sich einen Ökofaschisten. Der Attentäter von El Paso1 nannte sich ebenso. Für linke Gruppierungen der Umweltbewegung ist Extinction Rebellion ökofaschistisch. Diese wiederum distanziert sich von linker Militanz als, wen wundert’s, ökofaschistisch, wenn nicht gar "ökoterroristisch".

Jede Gruppe hat ihre Leitfiguren, die für die Gegenseite zum Buhmann werden. Einerseits ist das Roger Hallam Mitbegründer von Extinction Rebellion, der den Holocaust relativierte, um die Klimakrise stärker zur Geltung zu bringen. Für den Ökoterrorismus kann hingegen Tadzio Müller stehen, bunter Vogel der Bewegung, der jüngst verkündete: "Wer Klimaschutz verhindert, schafft die grüne RAF."

Der Ökofaschismus-Keule wird quer durch alle Fraktionen geschwungen und trifft gelegentlich auch Abweichler in den eigenen Reihen. Der Begriff wird durch inflationären Gebrauch seines Inhalts entleert. Jeder kann ihn nach seinem Gusto auslegen, sich aneignen und die verbleibende aggressive Konnotation gegen Andersgläubige richten.

Solche politischen Wortkompilation scheinen Gefahr zu signalisieren und neue Bedeutungen und Zuschreibungen zu kondensieren. So etwa die Wortschöpfung "Sozialfaschismus", die auf die deutsche Sozialdemokratie gemünzt war. Stalin erklärte damit die Partei zu einem Zweig des Faschismus. Ihm passte das ins Machtkalkül, aber der Partei tat es gar nicht gut.

Es ist genau hinzuhören, wer wie "Ökofaschismus" in seiner Rede verwendet, welches Motiv er hat. Man könnte es als Cui-bono-Frage bezeichnen: Wer ist es, der das mit welchem Zungenschlag unters Volk streut? Welchen Nutzen zieht er daraus?

Dieses mehrschichtige Hinhören ist umso nötiger, als im Zusammentreffen von linken und rechten Botschaften in der Umweltbewegung eine Seite die Regie führt. Die Rechte rückt von außen ihre Positionen an die linkslastigen Umweltorganisationen und deren Klientel in verschlüsselter Form heran. Die Verschlüsselung ist nicht zu durchschauen, weil sie als solche nirgends erscheint.

Gelogen wird mit der Wahrheit. Die Lüge wird nicht bemerkt, weil viele umweltpolitische Themen, mit denen die rechtsextremen Gruppierungen aufwarten, wortwörtlich denen der hergebrachten linken und sozial bewegten Gruppen entsprechen. Die Rechte, die auf Grün macht, hat mimetische Fähigkeiten.

Einige Themen wie Tierschutz, Vegetarismus, Kappung der Wachstumsökonomie und Zivilisationsflucht aufs Land werden dabei in den Vordergrund gestellt, weil sie eingängig sind und dem grünen Wertekanon nur zu gut entsprechen.

In historischer Perspektive haben die rechten Umweltschützer sogar die älteren Rechte. Sie behaupten nicht ganz falsch, sich ihre ureigenen Themen zurückzuholen.

Die Unschärfe des Begriffs Ökofaschismus bildet einen virtuellen Raum, in dem sich linke und rechte Argumentationsmuster treffen. Sobald sich die rechte der linken umweltpolitischen Position assimiliert hat, kippt der ganze Komplex in die Realität und offenbart ein hohes faschistoides Vernichtungspotential.