Klimawandel: Die Städte werden kochen

Betonwüsten heizen sich im Sommer sehr viel schneller auf als Stadtteile mit Grünflächen. Foto: Gerd Altmann auf Pixabay (Public Domain)

Mehr heiße Tage, deutlich mehr "Tropennächte" und stetig steigende Spitzentemperaturen: Unsere urbane Infrastruktur wurde mit den Erfahrungen eines gemäßigten Klimas errichtet. Experten fordern Umdenken

So viel steht schon fest: Mitte des Jahrhunderts wird es in Deutschland durchschnittlich bereits um mindestens zwei Grad wärmer als in vorindustrieller Zeit. "1,6 Grad sind ja heute schon erreicht", sagt Andreas Walter, beim Deutschen Wetterdienst in Offenbach zuständig für das Sachgebiet "Anpassung an den Klimawandel". Weil das Klimasystem träge sei, werde die Temperatur weiter ansteigen, "selbst wenn wir jetzt mit strengstem Klimaschutz beginnen", so Walter.

Zwei Grad im Durchschnitt bedeutet, dass die Zahl der "Heißen Tage" und der "Tropennächte" zunimmt: "Heiße Tage" sind solche, an denen 30 Grad und mehr gemessen werden, in den "Tropennächten" sinkt das Thermometer nicht mehr unter 20 Grad.

Besonders werden unter dieser Entwicklung die Städte leiden: Beton speichert Wärme, sonnenbeschienene Fassaden heizen sich an warmen Tagen locker auf 40 Grad Celsius auf, Asphalt kann es auf 45 Grad bringen, mit Teerpappe gedeckte Dächer sogar auf mehr als 60 Grad. Matthias Garschagen, Professor für Geografie an der Universität München und Klimaanpassungsforscher, sagt deshalb: "Städte sind wie Brenngläser des Klimawandels".

"Frankfurt am Main wird in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Klima bekommen, wie wir es heute in Mailand vorfinden", so DWD-Experte Walter. Mit solchen Analogien versucht die Wissenschaft zu verdeutlichen, was auf die Städte zukommt. So wird Berlin ein Klima bekommen, wie wir es heute im südfranzösischen Toulouse vorfinden, Hamburg wie das spanische Pamplona, Köln wie San Marino, Wiesbaden wie Lugano.

Spätestens ab 2050 "ungemütlich"

Das klingt vielleicht nett, wer die südlichen Städte aber besichtigt, wird konstatieren, dass sie ganz anders gebaut wurden. "Mit Hitzeerfahrung", sagt Andreas Walter: kleine Fenster, enge, schattige Gassen, weißer Anstrich. "Spätestens ab 2050 wird das Leben ungemütlich für Menschen in der Region Wiesbaden, Mainz, Mannheim, Karlsruhe, im Oberrheingraben bis hinunter nach Freiburg", so der DWD-Experte.

Dies sei schon heute die heißesten Gegenden in Deutschland: Früher, also im Durchschnitt der Jahre 1971 bis 2000, war es dort an nicht einmal 30 Tagen pro Jahr wärmer als 25 Grad Celsius. Mitte des Jahrhunderts werden es bis zu 80 Tage sein, Ende des Jahrhunderts sogar mehr als 120 Tage.

Hitze wird in einigen Jahrzehnten aber auch in Westdeutschland viel häufiger sein, besonders in der Kölner Bucht und im Ruhrgebiet: Sorgte früher der klimatische Einfluss des Atlantiks rheinaufwärts bis Düsseldorf oder Neuss für gemäßigte Sommer, so werden ab Mitte des Jahrhunderts auch hier die tropischen Tage mehr. Walter: "Im Ruhrgebiet trägt die dichte Bebauung ihren Teil zum Hitzestress bei."

Ein anderer Hotspot liegt in Ostdeutschland: Von Berlin über die Leipziger Tieflandsbucht bis nach Dresden werden in Südostdeutschland steigende Temperaturen unter kontinentalem Einfluss für den Anstieg unerträglicher Hitze sorgen. Auch die Lausitz ist stark betroffen. "Die Entwicklung kann man bereits heute nachweisen", sagt Andreas Walter.

Hitzestress, das kann auch tödlich sein. Studien belegen zum Beispiel für Berlin, dass das Sterberisiko während einer Hitzewelle in eng bebauten Stadtteilen am höchsten ist. Bereits im jetzigen Klima gab es in den Hitzesommern 2003, 2006 und 2010 in der Hauptstadt durchschnittlich 1400 Hitzetote, das sind rund fünf Prozent aller jährlichen Sterbefälle. Zum Vergleich: Im Berliner Straßenverkehr kommen im Jahresschnitt rund 65 Menschen ums Leben – Hitze ist also bereits heute etwa 25 Mal tödlicher.

Dicht bebaute Stadtteile als Hitzeinseln

Eine Studie zur Situation in Köln zeigt, dass die Innenstadt und die dicht bebauten Stadtteile bereits heute gegenüber dem Stadtrand eine deutliche Wärmeinsel darstellen. Fachleute weisen schon lange auf solche Entwicklungen hin und auch darauf, wie sich Städte darauf vorbereiten können.

Gehört werden sie bisher noch nicht genug, meint Petra Fuchs, die beim DWD für Stadt- und Regionalklimatologie zuständig ist. Sie erforscht, was Städte angesichts der Prognosen konkret tun können. Ihr Fazit: Städte müssen Orte schaffen, an denen sich heiße Stadtluft abkühlen kann.

Parks, Wiesen, Grünflächen tragen entscheidend dazu bei, dass in der Nacht Kaltluft gebildet wird. Werden diese Flächen zugebaut und versiegelt, verstärkt sich der Hitzestress in der Stadt der Zukunft.

Schon jetzt wird in den Stadtplanungsämtern berechnet, wo besonders schützenswerte Gebiete sind, in denen die kalte, frische Luft entsteht und durch die Stadt geleitet wird. "Die Stadtplaner wissen genau, wo diese Frischluftgebiete sind, aber es gibt immer eine Konkurrenz", so Petra Fuchs.

Eine Konkurrenz zwischen Wohnraum und Grünflächen. Knapper Wohnraum in wachsenden Städten. Schrebergärten, Parks und Wiesen werden bebaut, obwohl gerade diese Flächen für das Stadtklima entscheidend sind. "Das ist natürlich fatal für die zukünftigen Generationen", fasst Fuchs zusammen. Sie sind es, die dann in den überhitzen Städten leben müssen.

Müssen in Zukunft Häuser wieder abgerissen werden, die jetzt in Frischluftschneisen gebaut werden? Unklar, meint Petra Fuchs. Schon jetzt kann sie genau berechnen, welche Häuser dazu führen, dass die Wärmebelastung in einem bestimmten Stadtteil besonders hoch ist.

Doch das führe in der Regel nicht dazu, dass Häuser zurückgebaut werden. Die gesetzlichen Regelungen sind, laut Fuchs, noch nicht so weit, dass der Klimawandel hier in den Vordergrund gestellt wird. Ob sich das in Zukunft ändert, ist eine politische Entscheidung.

Sicher ist: Wirksamstes Mittel, eine Stadt zu kühlen, ist mehr Grün. Bäume zum Beispiel senken die Temperatur in ihrer Umgebung nicht nur durch Schatten, sie verdunsten bei steigenden Temperaturen auch viel mehr Wasser über ihre Blätter – was die Umgebung zusätzlich abkühlt.

Dilemma: Mehr Wohnraum heizt die Städte auf

Wenn zum Beispiel der Hinterhof eines Mietshauses nicht betoniert ist, sondern entsiegelt und baumbestanden, wenn Fassaden und Dächer begrünt sind, dann kann das die dortige Temperatur um bis zu zehn Grad senken. Doch das reicht nicht. Es braucht zusammenhängende Grünflächen, in denen die Luft zirkulieren kann. Sogenannte Frischluftschneisen, die frische kühle Luft in die Städte bringen und die heiße Luft hinaus transportieren.

Das ist ein Dilemma: Immer mehr Menschen möchten in die Städte ziehen, doch immer mehr Wohnraum heizt die Städte auf. Das sorgt für ein anderes Dilemma: Bereits heute sind vielerorts die Stadtbäume an ihrer Belastungsgrenze, in Berlin beispielsweise sind nicht einmal mehr die Hälfte aller 431.000 Stadtbäume gesund, wie der Straßenbaum-Zustandsbericht für das Jahr 2020 ergab. Vor allem Linden, Ahorn und Eichen leiden, allein im Stadtteil Friedrichshain-Kreuzberg mussten 2000 kranke Bäume gefällt werden.

Constanze Siedenburg von der Senatsverwaltung für Verkehr und Umwelt: "Für die Zukunft werden Baumarten benötigt, die während langanhaltender Hitze und Trockenheit überleben können." Allerdings müssen diese Bäume auch künftig mit Frost zurechtkommen. Im Berliner Stadtteil Neukölln wird mit Ungarischer Eiche experimentiert, in Heilbronn mit Zerr-Eichen, eine Spezies aus Südeuropa, die nicht nur hohe Temperaturen, sondern auch Frost verträgt.

Viele Versuche haben die Forscher dabei aber nicht: Wenn ein Baum in 30 Jahren herangewachsen ist, herrschen wegen der steigenden Temperaturen schon wieder ganz andere Bedingungen in unseren Städten.

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