Mehr Quarantäne, mehr Freiheit

Die Debatte über eine allgemeine Impfpflicht ist im vollen Gange. Weniger gravierende Eingriffe in die Grundrechte bleiben unbeachtet, etwa eine konsequente Isolierung Infizierter

An vielen Bundesbürgern ist der Corona-Virus Sars-CoV-2 bislang vorbeigezogen. Wer aber infiziert ist, gefährdet andere. Deshalb schreibt das Gesundheitsamt häusliche Isolation vor.

Missachtet man sie, wird man zur Gefahr für Leib und Leben anderer, genauso wie ein Raser, der sich nicht an Geschwindigkeitsbegrenzungen hält und mit 150 Sachen über den Berliner Kurfürstendamm donnert. Kommt jemand zu Schaden, verurteilen ihn die Gerichte als Mörder. Radar und Laser sorgen da vorbeugend für Disziplin.

Der Quarantäne-Brecher aber wird nur selten überwacht. Aber er ist genauso ein Gefährder. Darin liegt eine Unlogik, die uns von den Erfolgen in Fernost unterscheidet. Es ist allgemein bekannt, dass die dort strenge Isolation Infizierter ein zentraler Unterschied ist und die Erfolge bei der Bekämpfung der Pandemie mitbegründet.

Es sind demokratische Staaten wie Taiwan oder Südkorea – nicht nur das totalitäre China – die die Smartphone-Möglichkeiten der Bewegungsüberwachung mit guten Erfolgen einsetzen und damit eine bessere Quarantäne-Disziplin erreichen.

Die delikate Grenzziehung zum Überwachungsstaat ist sicher ein Grund, warum Politik und Medien diese Möglichkeiten bei uns nicht offen diskutieren. Aber können wir das durchhalten, berechtigt das die Akzeptanz von zehnmal höheren Krankheits- und Todesraten, noch dazu in Zeiten eines weiter steigenden Infektionsrisikos?

Unserer Corona-App war offensichtlich keine erfolgreiche Antwort, vor allem, da auch Infizierte sie nicht aktivieren müssen. Und nur zur Nachverfolgung taugt sie auch nicht.

Die Fernost-Staaten haben derartige Ideen erst gar nicht aufgegriffen. Alle diese Staaten, insbesondere auch das mit Pandemie-Risiken erfahrene Taiwan, nutzen die Bewegungskontrolle. Die Registrierung ist Pflicht.

Einreisende erhalten dort sogar eine spezielle Sim-Karte, zwei Wochen gültig. Kurznachrichten müssen beantwortet werden und Kontrollanrufe auch. Und der Service-Provider kennt die Ortsdaten. Ja, das ist staatliche Überwachung, aber erfolgreich. Unsere Zurückhaltung gibt mehr Freiheit, aber den hohen Preis nun fast unkontrollierter Zunahme der Infektionszahlen.

EU-Netzwerk eHealth beharrt auf Freiwilligkeit

Hinter der europäischen Zurückhaltung der Bewegungsüberwachung steckt primär eine Empfehlung des eHealth-Netzwerks. Es wurde geschaffen für die europaweite Koordinierung der Digitalisierung im Gesundheitswesen, einer wichtigen Voraussetzung für grenzüberschreitende Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau.

Schon wenige Monate nach Beginn der Pandemie hat das eHealth-Netzwerk empfohlen, alle digitalen Instrumente auf freiwillige Anwendung zu beschränken. Ob sie für eine solche Grundsatzfrage das geeignete Gremium war, kann bezweifelt werden.

Dieses Diktat der Freiwilligkeit zu hinterfragen, wird mit der zunehmenden Aggressivität neuer Virenmutationen nun noch dringender. Denn es scheint unvermeidlich, dass damit die konsequente Isolierung der Infizierten zu einem Eckpunkt wirksamer Corona-Programme wird – und die Überwachung mithilfe moderner Technik ebenso.

Die in Abweichung vom neuen Expertenrat geäußerte Forderung des Robert-Koch-Institut nach "maximaler Kontaktbeschränkung" könnte als Anstoß dieser überfälligen Diskussion gemeint sein. Denn die wichtigste Kontaktbeschränkung ist die der Infizierten, deren Isolation von allen Kontakten.