Antikörper mehr als 430 Tage nach der Infektion nachgewiesen

Diskussion über Genesenenstatus: Paul-Ehrlich-Institut über eine Studie zur Sensitivität und Nachweisdauer von Antikörpertests

Ob es zu einer Revision der Entscheidung kommt? Überraschend hatte das RKI vor gut einer Woche den Genesenenstatus auf drei Monate heruntergesetzt. Dem folgten auch von fachlicher Seite Kritik, Unverständnis und Argumente, die eher für das Gegenteil, nämlich einer Ausweitung sprachen, wie dies Andreas von Westphalen in einem Beitrag an dieser Stelle ausführlich darlegte: Die Halbierung des Genesenen-Schutzes.

Das RKI hob am 15.01.2022 die bis dato geltende Einschätzung auf, wonach "derzeit verfügbare" klinische und immunologische Daten eine Schutzwirkung für mindestens 6 bis 10 Monate nach überstandener SARS-CoV-2-Infektion belegen würden.

Die jäh verkündete Verkürzung wurde ebenfalls mit der "bisherigen wissenschaftlichen Evidenz" begründet. Diese deute darauf hin, dass "Ungeimpfte nach einer durchgemachten Infektion einen im Vergleich zur Deltavariante herabgesetzten und zeitlich noch stärker begrenzten Schutz vor einer erneuten Infektion mit der Omikronvariante haben", wie das RKI auf eine Anfrage von Telepolis erklärte.

Aktuell berichtet das Paul-Ehrlich-Institut von einer Studie, bei der Antikörper "über mehr als 430 Tage nach der Infektion nachgewiesen" wurden, "ohne dass ein Endpunkt absehbar war". Untersucht wurden 828 Proben von 390 Patientinnen und Patienten mit unterschiedlichen Covid-19-Schweregraden in zwölf verschiedenen Tests. Die Untersuchungsgröße und die Differenzierung der Tests deuten auf eine ernstzunehmende Studie hin.

Die wurde bereits am 4. Dezember 2021 in der Onlineausgabe des Journal of Clinical Virology veröffentlicht. Das ist ein Fachmagazin, die große Öffentlichkeit liest das nicht, sehr wohl aber dürften die Wissenschaftler im RKI davon Kenntnis gehabt haben. Warum entschied man sich im RKI dennoch für eine Verkürzung des Genesenenstatus? Weil es politisch wichtiger war, den Druck zu erhöhen, zur Corona-Impfung zu gehen?

Es falle auf, dass die wissenschaftlichen Referenzen, die das RKI zur Begründung erwähnt, keinerlei Aussagen über eine Begrenzung der Schutzdauer von Genesenen auf drei Monate machen, heißt es im erwähnten Telepolis-Artikel.

Antikörperreaktion nach mehr als einem Jahr

Die jetzt vom PEI vorgestellte Studie von Heinrich Scheiblauer et al. macht keine felsenfesten Aussagen darüber, dass Antikörper von Genesenen in jedem Fall noch mindestens 430 Tage lang nach der Infektion nachgewiesen werden können. Die lange Dauer wird allerdings durch mehrere Antikörper-Testverfahren bestätigt.

Eine Fragestellung zur Studie richtete sich auch auf Unterschiede in den Tests, die sich je nach Design auf verschiedene Richtgrößen konzentrieren. Doch zeigten unterschiedliche Verfahren eine längere Präsenz von Antikörper.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Sensitivität und Nachweisdauer von Anti-SARS-CoV-2-Antikörpertests ein bestimmtes Muster zeigen. Dieses war abhängig vom Testdesign, dem Zielantigen der Tests, der Antikörperbindungsstärke und dem Schweregrad von COVID-19 im betrachteten Zeitraum.

Ein charakteristisches Merkmal bei den meisten Patientinnen und Patienten war eine mit der Zeit zunehmende Antikörperbindungsstärke (Antikörperavidität) für die immunogenen SARS-CoV-2-Antigene RBD und Spikeprotein. Die Avidität ist ein Korrelat (Maß) für die Antikörperreifung und die Bildung eines Immungedächtnisses. Gesamtantikörpertests, die aufgrund ihres Testdesigns eine höhere Antikörperbindungsstärke messen können, und die auf RBD oder Spikeprotein basieren, zeigten daher mit zunehmender Antikörperavidität eine hohe Sensitivität und lange Nachweiszeit. Antikörper konnten dabei über mehr als 430 Tage nach der Infektion nachgewiesen werden, ohne dass ein Endpunkt absehbar war.

Surrogat-Virusneutralisierungstests zur Bestimmung neutralisierender Antikörper, die die Bindung von RBD (das auch in den bisher zugelassenen Impfstoffen verwendet wird) an die ACE2-Rezeptoren inhibieren, zeigten ebenfalls eine lange Nachweisdauer neutralisierender Antikörpern über 430 Tage.

Im Vergleich dazu zeigten RBD- oder Spike-basierte Antikörpertests, die jeweils nur die Antikörperklassen IgG, IgA und IgM nachweisen, eine geringere Ausgangssensitivität und im Laufe der Zeit abnehmende Antikörpertiter, obwohl IgG- und IgA-Tests bis 430 Tage eine relativ hohe Sensitivität (Testpositivität) beibehielten.

Paul-Ehrlich-Institut

In der für politische Entscheidungen maßgeblichen Einschätzung bleibt das PEI vorsichtig. Man plädiert für Antikörpertests – ohne ihnen allerdings eine Aufwertung derart zu geben, dass sich Genesene auf diesem Weg freitesten könnten. Vorsichtig heißt es, dass die Studiendaten "einen Beitrag dazu leisten" könnten, "die Antikörpertests gezielter einzusetzen und Sars-CoV-2-Antikörperbefunde in der täglichen diagnostischen Arbeit richtig zu interpretieren".

Die Antikörpertests können helfen, "die Dauer eines möglichen Immunschutzes gegen Sars-CoV-2 zu bestimmen", heißt es immerhin deutlich am Ende der Pressemitteilung.

Wie lange wird sich die Verkürzung des Genesenenstatus durch das RKI halten?