UN-Vertreter kritisiert Süddeutsche Zeitung: "Fragwürdige Methoden"

Kritisiert die Süddeutsche Zeitung: UN-Experte Nils Mezer. Bild: Eugene Jarecki, Piper Verlag

Schweizer Jurist Nils Melzer macht sich für Julian Assange stark und wendet sich gegen Polizeigewalt auch in West-Europa. Zwei Zeitungen rücken ihn nun in die Nähe russischer Propaganda. Das wirft Fragen auf

Mit sichtlichem Unmut hat der Schweizer Völkerrechtler und amtierende UN-Sonderberichterstatter zum Thema Folter, Nils Melzer, auf einen Bericht der Süddeutschen Zeitung reagiert: Deren Autoren, die SZ-Redakteure Thomas Kirchner und Ronen Steinke, werfen dem Juristen darin unseriöse Methoden vor. Das klingt auf den ersten Blick nach einem Skandal. Auf den zweiten Blick bleibt allenfalls ein Skandälchen – und Fragen an die beiden Redakteure des renommierten Blattes.

Der UN-Sonderberichterstatter setze sich "für Opfer staatlicher Gewalt ein, und besonders für Julian Assange". Jedoch mehrten sich die Hinweise, "dass er dabei zu weit geht", so der außenpolitische Redakteur Thomas Kirchner und der Innenpolitik-Redakteur Ronen Steinke. Wie ein Vertreter der Vereinten Nationen bei seinem Einsatz für Opfer staatlicher Gewalt "zu weit gehen" kann und ob bei der Kritik an staatlicher Gewalt Grenzen geboten sind, beantwortet der hinter einer Bezahlschranke versteckte Artikel kaum.

Stattdessen raunt es in dem Text, Melzer habe "auf (dem Kurznachrichtendienst) Twitter viele zweifelhafte Kontakte", es "wimmele" von "Rechtsextremisten" und "Kreml-Apologeten" aus allen Ländern. Mit ihnen kommuniziere der Jurist Melzer. Der kapitale Vorwurf von Thomas Kirchner und Ronen Steinke aber:

Auch bei RT, dem staatlich finanzierten russischen Propagandasender, ist er regelmäßig zu Gast, als profilierter Kämpfer für den inhaftierten australischen Whistleblower Julian Assange. Wenn man sich bei ihm meldet, ruft er blitzschnell zurück, auch spät abends.

Kirchner, Thomas; Steinke, Ronen

Potzblitz, mag man sich an dieser Stelle denken, der Melzer hat bei solch rascher Reaktion etwa zu verbergen. Zumal, wie Thomas Kirchner und Ronen Steinke kommentieren: "RT passen solche Aussagen bestens ins Programm."

Zwei Tage nach dem umstrittenen SZ-Beitrag echote der Tagesanzeiger aus der Schweiz, wo Thomas Kirchner als Korrespondent gearbeitet hatte: "Schweizer UNO-Experte setzt auf russischen Propagandasender".

Als Fußnote kann vor diesem Hintergrund nur Kirchners und Steinkes Erwähnung von Telepolis durchgehen. Hier habe Melzer in einem Beitrag Deutschland "Komplizenschaft" mit den USA vorgeworfen. Eine Lappalie, mag man meinen, wenn die Quellenangaben in diesem Passus nicht hätte überarbeitet werden müssen und der Beitrag für Telepolis tatsächlich ein Auszug aus Melzers jüngstem im Piper-Verlag erschienenen Buch Der Fall Julian Assange: Geschichte einer Verfolgung war. Ein renommierter deutscher Verlag statt einem Russen-Sender – Erwähnung fand das ebenso wenig wie der Grund für Melzers Kritik am Auswärtigen Amt: Dessen Vertreter hatten ihm bei einem Berlin-Besuch gegenüber offenbar wider besseres Wissen die Unwahrheit über Erkenntnisse zum Fall Assange gesagt.

Der UN-Experten jedenfalls antwortete inzwischen auf den Beitrag in der Süddeutschen Zeitung, die ihm eine Replik verwehrte. Telepolis dokumentiert Melzers Stellungnahme.

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