Reaktionäre politische DNA: Steinbachs folgerichtiger AfD-Eintritt

Auch zu ihren CDU-Zeiten nahm Erika Steinbach kein Blatt vor den Mund, wenn es um reaktionäre und revanchistische Positionen ging. Archivbild: Thomas Künzl / CC-BY-SA-4.0

Jahrelang war Erika Steinbach politisch heimatlos. Am Lebensabend hat sie in der AfD ein neues Zuhause gefunden, das so ist wie sie selbst

Erika Steinbach und Jörg Meuthen haben sich bei der AfD die Klinke in die Hand gegeben. Während Meuthen nach einigen Jahren an der Spitze der Partei feststellte, dass er von Nazis umgeben war, und austrat, kündigte Steinbach ihren Beitritt an. Überraschend kommt der Schritt nicht – man könnte eher meinen, die 2017 aus der CDU ausgetretene Steinbach hat sich zu Ihresgleichen gesellt.

Ihre offizielle Begründung liest sich natürlich anders: "Der bewusst zerstörerische Austritt von Jörg Meuthen, der wohlsituiert sein Europamandat behält, ist für viele, die hinter ihm standen, ein Schlag ins Gesicht", schrieb Steinbach auf Twitter. Die AfD habe das nicht verdient und deshalb wolle sie nun einen Mitgliedsantrag stellen. Am 1. Februar vermeldete sie schließlich, einstimmig aufgenommen worden zu sein.

Überraschend kam Meuthens Austritt nicht; schon länger wurde darüber spekuliert. Als er im letzten Herbst den Parteivorsitz hinwarf, hatte er noch betont, er werde seine politische Arbeit fortsetzen und wolle seine "Stimme hörbar einsetzen". In einem Mitgliederrundbrief ließ er aber offen, ob er das künftig noch im Namen der AfD machen wolle. Nun hat er sich entschieden; für eine neoliberale Politik braucht man schließlich nicht Mitglied der AfD sein.

Bei Steinbach ist der Fall anders gelagert: Reaktionäre Positionen gehören zu ihrer politischen DNA. Ein Blick in ihren Twitter-Account genügt, um das zu konstatieren. Bereits 2019 warfen ihr ehemalige CDU-Parteifreunde vor, mit ihren Tweets den Hass auf das Parteimitglied Walter Lübcke wegen dessen Einsatz für eine humanitäre Flüchtlingspolitik neu angestachelt zu haben.

Morddrohungen von extremen Rechten gegen den Kasseler Regierungspräsidenten Lübcke hatte es in dem Kurznachrichtendienst unter anderem als Reaktion auf Äußerungen von Steinbach gegeben, bevor Lübcke tatsächlich erschossen worden war. Natürlich wies Steinbach jegliche Mitverantwortung von sich.

Wenn ein Klaus von Dohnanyi in dem Medium The Pioneer die "Nation" lobt, bekommt er Beifall von Steinbach. Wenn Windräder aufgestellt werden sollen, dann ist sie dagegen. Und angesichts dessen, dass im letzten Jahr viele Ermittlungsverfahren gegen Islamisten eingeleitet wurden, spielt sie rechtsextreme Straftaten herunter. Ihren Ansichten ist sie damit weitgehend treu geblieben.

Als langjährige "Vertriebenen"-Chefin in Polen unbeliebt und gefürchtet

Im Jahre 2003 hatte Ekkehard Jänicke für Telepolis ein Porträt der damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Steinbach gezeichnet. Ihre Nähe zu rechten und revanchistischen Kreisen in der Bundesrepublik kann nicht abgestritten werden. Ihr langjähriges Amt als Vorsitzende des Bundes der Vertriebenen steht exemplarisch dafür, denn einen anderen Daseinsgrund, als die Ergebnisse des Zweiten Weltkrieges wieder rückgängig machen zu wollen, hatte diese Vereinigung nie.

Steinbach bestritt das in der Vergangenheit zwar, konnte sich aber manche revisionistische Behauptung nicht verkneifen. Eine davon: Polen hätte im März 1939 bereits mobil gemacht, lange bevor die Wehrmacht einmarschierte. Bei Historikern sorgte das damals nur für Kopfschütteln. Aber vor diesem Hintergrund verwundert es nicht, dass Erika Steinbach 1991 auch gegen die Anerkennung der Oder-Neiße-Grenze stimmte.

Gerechtigkeit und Entschädigung wollte sie – nicht für die Polen oder Tschechen, die damals von den deutschen Besatzern enteignet, vertrieben, versklavt oder ermordet wurden; sie wollte es für Deutsche wie ihren Eltern, die als Besatzer kamen und spätestens gegen Kriegsende bei den Einheimischen nicht mehr willkommen waren. Weil Polen und Tschechen dafür keine Wiedergutmachung zahlen wollten, wollte sie sie 1999 auch nicht in die Europäische Union aufnehmen lassen.

In Polen machte sie das nicht gerade beliebt, ganz im Gegenteil. Im Jahre 2009 führte das Meinungsforschungsinstitut GfK Polonia eine Umfrage durch, durch wen die Polen ihre Sicherheit am meisten gefährdet sehen. Gleich nach dem russischen Präsidenten Wladimir Putin kam Erika Steinbach auf den zweiten Platz, noch vor damaligen iranischen Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und weit vor dem weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko.

In den Augen Steinbach ist die AfD die "einzige bürgerliche Alternative" und ein politischer Hoffnungsschimmer. "Extremistische und verfassungsfeindliche Bestrebungen haben, wie die letzten Monate deutlich gezeigt haben, keinen Platz in der AfD", behauptet sie und verortet sich damit deutlich im politischen Raum. Denn nur wenn man vom rechts-außen Rand auf die politische Arena blickt, kann man keine extremistischen Bestrebungen von AfD-Funktionären erblicken.

Aber auch das verwundert nicht – Rassismus wollte sie in der Vergangenheit auch nicht als solchen erkennen. Als Steinbach noch Mitglied der CDU war und auch dem Vorstand der Bundestagsfraktion angehörte, überwarf sie sich mit dem Gremium. Der Tagesspiegel berichtete einst, wieso. Sie habe sich damals schützend vor den Bundesbanker Thilo Sarrazin gestellt, kritisierte den Umgang mit ihm.

Angela Merkel soll damals gesagt haben: Als Sarrazin mit seiner These vom Juden-Gen gekommen sei, da sei es bei ihr vorbei gewesen sein. Steinbach hatte offenbar weniger Probleme damit, wenn die "Elite" im Land von "Juden-Genen" schwadroniert.

Vergewaltigung in der Ehe sollte aus ihrer Sicht nicht strafbar sein

Unzufrieden mit ihrer Partei hoffte sie auf eine neue Partei rechts von der CDU; für eine "wirklich konservative" Partei sah sie damals schon gute Chancen. Mit ihrer Kritik stand sie damals nicht allein. Der ehemalige Innenminister von Brandenburg, Jörg Schönbohm, beklagte damals ebenfalls, dass die Konservativen in der CDU keine Rolle mehr spielen würden.

In der Diskussion um die Strafbarkeit der Vergewaltigung in der Ehe zeigte sich schon 1997, dass sich Teile der CDU schon von klassisch-konservativen Positionen verabschiedet hatte – doch Steinbach nicht. Sie gehörte zu den 138 Abgeordneten im Bundestag, die Vergewaltigung in der Ehe nicht unter Strafe stellen wollten.

Neben ihr stimmten allerdings weitere bekannte Christdemokraten dagegen, die oft danach noch weiter Karriere machten: Norbert Blüm, Friedrich Merz, Theo Waigel, Peter Ramsauer, Horst Seehofer und der heutige Innenminister von Brandenburg, Michael Stübgen. Noch im Jahre 2016 hatte Steinbach ihr Stimmverhalten in der Öffentlichkeit gerechtfertigt. Auf Twitter schrieb sie: "Ehe ist immer auch eine Sexualgemeinschaft" und sie empfahl die Scheidung, statt einer strafrechtlichen Verfolgung.

Insofern ist Steinbach ihren Positionen treu geblieben. Ihre ganze politische Laufbahn ist ein Zeugnis dafür, dass ihr Eintritt in die AfD folgerichtig war und keine Überraschung ist. 2018 übernahm sie bereits die Leitung der von der AfD als parteinah anerkannten Desiderius-Erasmus-Stiftung. Ein reaktionärer Geist gesellt sich zu anderen Reaktionären.

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