Nato-Beitritt und das Risiko einer Eskalation

Finnisch-russische Grenze, Virmajärvi. Bild: Repovesi/CC BY-SA 3.0

Was passiert, wenn sich Finnland und Schweden dem Nordatlantischen Bündnis anschließen? Der finnische Präsident hat die Diskussion befeuert

Der finnische Präsident Sauli Niinistö sorgte kürzlich für Aufsehen, als er gegenüber der Financial Times von einer Alternative zur Nato-Mitgliedschaft seines Landes sprach. Die sehe er in einer "vertieften militärischen Partnerschaft mit den USA und Schweden", erklärte er der britischen Zeitung und setzte, dass ein Beitrittsgesuch Finnlands ein "großes Risiko zur Eskalation trägt".

Per Twitter korrigierte die Kanzlei des Präsidenten nach: Er sei in der Financial Times falsch zitiert worden. Vielmehr meine der Präsident:

If there is an escalation it would have a huge impact [on] everybody. That is why I underline the risk of escalation, NOT linking that to Finnish behaviour or our decision-making.
Wenn es zu einer Eskalation kommt, würde dies enorme Auswirkungen auf jeden haben. Darum betone ich das Risiko der Eskalation und bringe es NICHT mit dem finnischen Verhalten oder unserer Entscheidungsfindung in Verbindung.

Sauli Niinistö

Doch der Satz in der Financial Times, ob falsch zitiert oder nicht, ist nun mal in der Welt und der finnische Staatspräsident wurde als Skeptiker eines Nato-Beitritts in den internationalen Medien wahrgenommen.

Dass nun ausgerechnet der 73-jährige Niinistö Alternativen zum Nato-Beitritt aufzeigt, verwundert. Denn er ist seit den Nullerjahren ein Verfechter des Bündnisses, damals war er damit noch recht einsam. Und während die Frage des Nato-Beitritts die meisten Parteien in Finnland spaltet, ist seine Partei, die konservative Nationale Sammlung, die einzige, die geschlossen für den Beitritt votiert.

In dem Land mit 5,5 Millionen Einwohnern, das seit seiner Gründung 1917 auf Neutralität setzte, ist angesichts des Ukraine-Krieges derzeit in mehreren Umfragen eine Mehrheit für eine Mitgliedschaft in der Nordatlantischen Verteidigungsallianz. Mit dem östlichen Nachbarn Russland teilt man eine 1.300 Kilometer lange Grenze.

Beitrittsfrage kommt vors Parlament

Die finnische Regierung unter der Sozialdemokratin Sanna Marin erarbeitet gerade eine Sicherheitsanalyse, die dann zusammen mit der Beitrittsfrage im Parlament besprochen werden soll. Danach würde eine Abstimmung zum Beitritt erfolgen.

Nach Angaben der Zeitung Iltalehti von Anfang März würde die sozialdemokratische Regierungschefin Marin einen Beitritt nicht mehr ausschließen. Bis kurz nach der Invasion waren die Sozialdemokraten gegen eine Nato-Mitgliedschaft.

Ein genaues Datum für einen möglichen Nato-Beitritt Finnlands, sollte das Land bald den Antrag stellen, gibt es nicht, dies vermittelte auch Stoltenberg nicht. Es soll sich um Monate handeln, so finnische Sicherheitsexperten.

Eine finnisch-US-amerikanische Partnerschaft hat das finnische Staatsoberhaupt bereits Anfang März mit seinem Amtskollegen Joe Biden in Washington besprochen. Der Konservative gilt derzeit als gefragter Gesprächspartner, da er einen relativ guten Zugang zu Wladimir Putin haben soll. Ihm bescheinigt Sauli Niinistö eine zunehmende Verbitterung und Entschlossenheit.

Sicherheitspolitischer Austausch zwischen Helsinki und Stockholm

Gleichzeitig läuft auch ein intensiver sicherheitspolitischer Austausch zwischen Helsinki und Stockholm. So haben Schweden und Finnland 2020 ein Abkommen beschlossen, das eine gegenseitige militärische Unterstützung regelt, sollte ein Land angegriffen werden. Die jeweilige Regierung kann, ohne das Parlament zu befragen, in einen Konflikt eingreifen – sie muss dies jedoch nicht.

Als verbindlicher gilt ein Beitritt in die Nato – die anderen Staaten müssen nach Artikel 5 einem Mitglied beistehen, wenn es attackiert wird. Beide Länder sind seit der Ukraine-Krise 2014 näher an die Nato herangerückt, es werden gemeinsame Manöver im Ostseeraum umgesetzt.

Schwedens sozialdemokratische Regierung unter Magdalena Andersson will weiterhin bei der Allianzfreiheit bleiben - mit der in der Financial Times zitierten Argumentation Niinistös, wonach ein Beitritt zum Bündnis die Sicherheitslage in Europa verschlechtern könnte. Andersson kann jedoch im September zugunsten bürgerlicher Parteien abgewählt werden, die sich für einen Beitritt aussprechen.

Wachsender Druck

Der Druck in dieser Frage nimmt in beiden Ländern zu. So hat Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg beiden nordeuropäischen Ländern einen raschen Beitritt versprochen, gleichzeitig droht Russland mit "Vergeltungsmaßnahmen" und die Russische Botschaft in Helsinki hat ihre Landsleute aufgefordert, Diskriminierung von Russen in Finnland zu melden.

Die Frage ist nun, wieso Niinistö auf einmal eine Alternative zur Mitgliedschaft aufzeigt, in dem er auf eine Kooperation mit den USA und Schweden weist. Was zwischen ihm und Biden besprochen wurde, ist nicht bekannt.

In Schweden sieht es so aus, dass die sozialdemokratische Minderheitsregierung unter Magdalena Andersson bei der Allianzfreiheit bleiben will, allerdings kann sie im September zugunsten einer bürgerlichen Koalition abgewählt werden, die sich von der seit über 200 Jahren gepflegten offiziellen Neutralität zugunsten der Nato verabschieden will.

Dort läuft die Nato-Debatte weit aggressiver und polarisierender als in Finnland.

Aussichten

Will nun Finnland, beziehungsweise Niinistö, der Kraft seines Amtes in der Außenpolitik Mitspracherecht hat, wieder zu seiner alten Rolle als Mittler zwischen Russland und dem Westen zurückkehren? Oder ist der Alternativvorschlag nur eine Finte des Konservativen, um den akuten außenpolitischen Druck aus Debatte um die Neutralität des Landes zu nehmen?

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