Pandemie verschärft Probleme freier Journalisten

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Studie: Ist der Umgang mit den Freien schon zu normalen Zeiten oft skandalös, dann ist er es in der Pandemie erst recht

Freie Journalisten sind aus der deutschen Medienlandschaft nicht wegzudenken. Etwa 100.000 Menschen gehen einer Schätzung der gewerkschaftsnahen Otto-Brenner-Stiftung (OBS) zufolge dieser Tätigkeit nach. Mit ihrer Arbeit ermöglichen sie es den Medien erst eine breite und lokale Berichterstattung, auch wenn das meist schlecht bezahlt wird.

Das hat unter anderem wirtschaftliche Gründe: Deutsche Medienhäuser spüren seit Jahren einen massiven Kostendruck – und sparen am Personal. Als Folge müssen in den Redaktionen immer weniger Journalisten immer mehr Output produzieren. Oder ganze Bereiche werden ausgegliedert und Inhalte verstärkt eingekauft – häufig von freien Journalisten. Für die Presse werden sie dadurch immer wichtiger.

In einer aktuellen Studie hat die Otto-Brenner-Stiftung untersuchen lassen, wie die freien Journalisten durch die Pandemie gekommen sind. Ob sie ein angemessenes Einkommen hatten und in der Pandemie halbwegs abgesichert waren, hingt demnach vor allem davon ab, für welches Medium sie arbeiteten. Während es für sie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk relativ wenig Probleme gab, sah es bei Print-Medien ganz anders aus. "Der Umgang mit den Freien in diesem Bereich muss als stellenweise skandalös bezeichnet werden", heißt es in der Studie. Schon in normalen Zeiten werden sie demnach nicht angemessen bezahlt.

"Häufig wird die Arbeit freier Journalistinnen und Journalisten bei Tageszeitungen und im Lokaljournalismus nicht einmal auf Mindestlohn-Niveau vergütet", erklärte Studienautor Gerhard Syben, "hier wirkte die Pandemie wie ein Brandbeschleuniger bestehender Probleme". In der Pandemie blieben dann selbst die spärlich bezahlten Aufträge aus; denn vor Ort fielen über Monate die kulturellen, sozialen und politischen Ereignisse weg, über die in der lokalen Presse fast ausschließlich von freien Journalisten berichtet wird. Für viele bedeutete das den Verlust ihres Einkommens.

PR statt Journalismus

Ein Grund dafür lag im Instrument der Kurzarbeit. Wurde es von einem Verlag genutzt, war es ihm für diese Zeit untersagt, Aufträge an freie Journalisten zu vergeben. Zumindest sahen die Verlagshäuser rechtliche Hürden. Doch die Gewerkschaft ver.di hatte das als "rechtlich so nicht einwandfrei" und als "Schutzbehauptung" bezeichnet. Das Wegbrechen von Werbeanzeigen dürfte aber auch eine Rolle gespielt haben. Die "Medienhäuser mussten nach Möglichkeiten suchen, die sich daraus ergebenden Einnahmeausfälle aufzufangen", heißt es in der Studie – und das konnten sie bei der Berichterstattung von freien Journalisten.

Verschärft wurden ihre Probleme auch dadurch, dass sie als Solo-Selbständige von den staatlichen Hilfen in der Pandemie weitgehend ausgeschlossen waren. Folglich mussten sie ihre Rücklagen aufbrauchen oder waren auf Hilfen von Familie und Freunden angewiesen. Oder sie mussten ihren Lebensstandard einschränken.

"Das blieb und bleibt nicht ohne Folgen: Ausnahmslos alle Interviewten aus dem Printbereich spielten mit dem Gedanken, sich Perspektiven außerhalb ihrer Arbeit für Zeitungen zu eröffnen", heißt es in der Studie weiter. Bei vielen freien Journalisten hätten sich im Zuge der Krise Ambitionen verstärkt, dem Journalismus ganz den Rücken zu kehren. Oder für Unternehmen und Institutionen bezahlte Public Relations zu betreiben.

Aber auch in den Redaktionen keimten in der Pandemie Überlegungen, künftig auf den Einsatz freier Journalisten ganz zu verzichten.

"Beide Entwicklungen zusammen könnten dazu führen, dass ein Großteil der lokalen Berichterstattung aufgegeben werden muss – mit schwerwiegenden Konsequenzen für die demokratische Öffentlichkeit", warnt Mitautorin Barbara Witte, denn: "Lokal- und Regionalzeitungen spielen eine sehr wichtige Rolle, wenn es darum geht, entscheidungsrelevante Informationen aus dem Nahbereich der Bürgerinnen und Bürger zu generieren".