Schweben statt fahren: Mehr Luftseilbahnen in die Städte!

Seilbahn "Mi teleférico" in der bolivianischen Doppelstadt La Paz-El Alto: Pro Tag transportiert das aus zehn Linien bestehende System über 300.000 Fahrgäste. Bild: Doppelmayr Seilbahnen GmbH

Immer öfter wird die Luftseilbahn als öffentliches Verkehrsmittel diskutiert. Denn die Kabinen überwinden mühelos Staus und andere Hindernisse

Üblicherweise assoziiert man Luftseilbahnen eher mit alpinen als mit urbanen Umgebungen. In Städten transportieren sie allenfalls Touristen zu hochgelegenen Aussichtspunkten. Als ernst zu nehmendes Verkehrsmittel galten sie bislang nicht – zumindest nicht in Europa, wo Verkehrsplaner:innen eher auf Bewährtes wie Bus, Straßenbahn und U-Bahn setzen.

Einen wahrhaften Boom urbaner Seilbahnen gab und gibt es hingegen in lateinamerikanischen Großstädten: Binnen zwei Jahrzehnten sind dort gleich mehrere neue Systeme entstanden, angefangen 2004 mit der Eröffnung der ersten Linie des "Metrocable" im kolumbianischen Medellín. Rekordhalter ist die bolivianische Metropole La Paz mit dem inzwischen fast 33 Kilometer langen Netz "Mi teleférico".

Auch in anderen Teilen der Welt haben städtische Seilbahnen in den letzten Jahren Einzug gehalten, z.B. in der türkischen Hauptstadt Ankara und im israelischen Haifa. In Europa stößt die Idee ebenfalls auf wachsendes Interesse: Einschlägige Projekte gibt es unter anderem in Amsterdam, Göteborg, Bonn, Köln, München, Stuttgart, Toulouse, Wien und Zürich.

Ohne Umweg zum Ziel

Wie touristische Seilbahnen werden auch die urbanen Systeme zumeist in schwierigen Topografien errichtet, beispielsweise zur Überwindung von Flüssen oder größeren Höhenunterschieden. Während für bodengebundene Verkehrsmittel teure Kunstbauten errichtet oder längere Umwege in Kauf genommen werden müssen, kann eine Luftseilbahn den direkten Weg nehmen.

Urbane Seilbahnen (8 Bilder)

Die "Téléphérique de Brest", ist eine Seilbahn in der französischen Stadt Brest, die das Quartier des Capucins mit der Station Jean Moulin in der Innenstadt verbindet. Bild: Jérémy Kergourlay / CC-BY-SA-4.0

Urbane Seilbahnen können aber nicht nur bergauf, sondern auch rein horizontal unterwegs sein und so die "zweite Ebene" über einer Straße erschließen. So soll etwa eine für München vorgeschlagene Seilbahnstrecke über dem vielbefahrenen Frankfurter Ring verkehren und auf ihrer 4,5 Kilometer langen Strecke eine staufreie Querverbindung zwischen mehreren U-Bahn-Linien schaffen.

Ob als tangentiale Verbindung oder Zubringer zu bestehenden Linien – generell eignen sich Seilbahnen gut als "Lückenfüller" in einem Verkehrsnetz, um anderweitig schwer zu realisierende Verbindungen herzustellen.

Ein Beispiel ist die im südfranzösischen Nizza geplante, 800 Meter lange Strecke, die ab 2025 die Endstation der städtischen Straßenbahn über den Fluss Var und die Autobahn A8 hinweg mit dem Nachbarort Saint-Laurent-du-Var verbinden soll.

Vorhande Strecken ergänzen, Lücken schließen: Luftseilbahnen können spezielle Funktionen in einem städtischen Nahverkehrssystem übernehmen. Bild: Doppelmayr Seilbahnen GmbH

Pendel- oder Umlaufbahn?

Die übliche Lösung für eine kurze Punkt-zu-Punkt-Relation ist die sogenannte Pendelbahn mit zwei Kabinen, die im Wechsel an den beiden Endpunkten andocken. Ein Beispiel für eine urbane Pendelbahn – die erste urbane Seilbahn Frankreichs – ist die Ende 2016 eröffnete, 420 Meter lange Seilbahn über den Fluss Penfeld in der nordfranzösischen Hafenstadt Brest, die ein ansonsten schwer erreichbares Stadtviertel ans öffentliche Verkehrsnetz anbindet.

Für längere Strecken baut man meist sogenannte Umlaufbahnen, bei denen mehrere Kabinen stetig im Kreis befördert werden. Vorteile dieses Systems sind die höhere Beförderungskapazität, die Möglichkeit von Zwischenstationen und die minimalen Wartezeiten für die Fahrgäste – der zeitliche Abstand zwischen zwei Kabinen lässt sich bis auf ca. 30 Sekunden reduzieren. In den Stationen werden sie kurz vom Seil entkoppelt und abgebremst, um das Ein- und Aussteigen zu erleichtern.

Mögliche Stations-Konfigurationen einer Umlaufseilbahn. An einer Zwischenstation kann die Seilbahn auch ihre Richtung ändern. Bild: TP

Bei den Umlaufbahnen unterscheidet man weiter nach Ein-, Zwei- oder Dreiseilsystemen. Bei einem Einseilsystem sind Trag- und Zugseil identisch, bei den anderen Varianten gibt es neben dem Zugseil zusätzlich ein oder zwei Tragseile.

Mehrseilsysteme haben den Vorteil, dass sie größere Kabinen befördern können, in denen auch Fahrräder, Rollstühle oder Kinderwagen Platz finden. Zudem erlauben sie größere Stützenabstände und sind weniger seitenwindempfindlich.

Tragseile stellen prinzipiell auch eine zusätzliche Sicherheitsreserve dar, sollte das Zugseil einmal reißen, was in der Praxis allerdings sehr selten vorkommt.

Je nach Systemvariante lassen sich mit einer Seilbahn etwa 3.000 bis 5.000 Personen pro Stunde und Richtung transportieren, vergleichbar mit einer Gelenkbus- oder Straßenbahnlinie. Mit der hohen Beförderungsleistung einer U-Bahn kann sie allerdings nicht konkurrieren.

Und noch einige weitere Einschränkungen gibt es: Um akzeptable Fahrtzeiten zu erreichen, sollten Seilbahnstrecken nicht länger als sieben oder acht Kilometer sein und nicht zu viele Zwischenstationen haben, da die Kabinen dort jedes Mal verlangsamt werden und sich die Fahrtzeit für die Gesamtstrecke entsprechend verlängert.

Außerdem sind Seilbahnen nicht ohne Weiteres kurvengängig, sondern benötigen hierfür Umlenkmasten oder Zwischenstationen. Im Vergleich zu einer Buslinie mit vielen Zwischenhalten ist die flächenhafte Erschließungswirkung somit begrenzt.