Ukraine: Frieden über einen Pyrrhus-Sieg?

Wer in Deutschland derzeit für eine politische Lösung des Krieges in der Ukraine eintritt, sieht sich rasch harscher Kritik ausgesetzt. Das ist keinesfalls neu. Ein Kommentar mit Blick auf andere Debatten und Zeiten

Wer heute für Diplomatie und Frieden demonstriert, wer auch jetzt noch dabei bleibt, die Nato zu kritisieren, gilt schnell als Unterstützer Russlands, als Kreml-Propagandist und als mitschuldig an Leid und Tod. Der Aggressor, so heißt es dann, könne schließlich nur mit Waffen in die Schranken gewiesen werden.

Der Pazifismus wird als Phänomen behandelt, das vielleicht eine an sich schöne Idee sei, aber eben aus der Zeit gefallen, wie es Kanzler Olaf Scholz Anfang Mai in der Wochenzeitung Die Zeit formulierte.

Die Forderung nach schweren Waffen für die Armee der Ukraine verbindet der Präsident der Ukraine, Wladimir Selenskyj, entsprechend mit der Verweigerung von Verhandlungen über eine Beendigung der Kampfhandlungen, solange die Ukraine das nicht aus einer Position der militärischen Stärke tun kann. Ein Siegfrieden wäre allerdings ein Pyrrhus-Sieg, der den Keim weiterer und durchaus heftigerer Nachfolgekonflikte und Kriege in sich trägt – und er wäre mit einer Eskalation, auch der Opferzahlen, verbunden.

Die Forderungen der Friedensbewegung, auf Diplomatie statt Krieg zu setzen, haben die Erkenntnis zur Basis, dass Kriege nicht im Frieden enden. Ein Siegfrieden ist ein Pyrrhus-Sieg, da er den Konflikt weiter schwelen lässt, ehe er erneut entbrennt. Nur eine beidseitig ausgehandelte Lösung, wie sie auch Uno-Generalsekretär António Guterres fordert, kann zu einer nachhaltigen Befriedung von Spannungen führen.

Hubert Kleinert, ein Urgestein der BündnisGrünen stellte dem diplomatisch ausgerichteten Konzept am 10. Juni 2022 in der Süddeutschen Zeitung einen gegen den Pazifismus gerichteten Text entgegen. Seine Betrachtung mündet in den Schlusssätzen:

Der Pazifismus gehört zu den Traditionen der Grünen. Aber manchmal hilft er eben nicht weiter.

Damit reiht auch er sich in den Mainstream der Medien des transatlantischen Raumes ein, und er unterstützt damit zugleich die Position der bündnisgrünen und Ampel-Spitzenpolitiker wie Robert Habeck, der beispielsweise anlässlich der Ostermärsche für den Frieden den Pazifismus als fernen Traum ins Reich der Illusion verwies.

Robert Habeck war dabei noch einen Schritt weiter gegangen und verlangte von der Friedensbewegung, eine Bewegung für die Bewaffnung der ukrainischen Armee und ihrer paramilitärischen, mitunter ultrarechten Kämpfer zu werden sowie dem Kriegswaffenexport in ein Kriegsgebiet zuzustimmen, obwohl das dem Kriegswaffenkontrollgesetz widerspricht und einem erneuten Dammbruch der Militarisierung der Innen- und Außenpolitik gleichkommt.

Denjenigen, die am Pazifismus festhalten, unterstellte Robert Habeck, sie nähmen durch Zuschauen große Schuld auf sich. Er – wie alle anderen Befürworter der Nato-affinen Kräfte – ignoriert die nukleare Gefahr für die europäische Zivilisation, die bereits unterhalb der ebenfalls von den Militärs aller Seiten in Kauf genommenen Schwelle des Atomkrieges unkalkulierbar und deshalb auch im Sinne der Bevölkerung in der Ukraine sowie in Russland nicht zu verantworten ist.