"Straßenblockaden bekommen unter allen Aktionsformen am meisten Aufmerksamkeit"

Lina Johnsen von der Letzten Generation. Bild: LG

Droht eine Spaltung der Klimabewegung? Lina Johnsen von der "Letzten Generation" über die aktuellen Protest-Aktionen, die Doppelmoral von Rot-Grün, die Soziale Frage und die Privilegien der Wohlhabenden

"Menschen hungern! Menschen frieren! Menschen sterben!" Das rief eine Aktivistin der Klimagruppe "Letzte Generation", als sie sich vor einigen Tagen in einem Museum an ein Gemälde klebte. Die "Letzte Generation" erzeugt seit Monaten mit ihren Aktionen große Aufmerksamkeit und Diskussionen, mittlerweile auch international.

Während Polizei-Gewerkschafter Rainer Wendt die Gruppe in der Tageszeitung Welt "auf dem Weg zum Terrorismus" beschrieb, wird sie von "Fridays for Future" verteidigt, ebenso von der Grünen-Parteivorsitzenden Ricarda Lange. Aus der CDU wird die Gruppe in die Nähe krimineller Strukturen gerückt.

Verstärkt wurde diese Diskussion nach einer Aktion in Berlin, durch die ein Einsatzfahrzeug der Feuerwehr womöglich verspätet am Einsatzort ankam. Eine 44-jährige Radfahrerin, die unter einem Betonmischer eingeklemmt war, ist inzwischen den Folgen ihrer Verletzungen gestorben.

Im Gegensatz zu "Fridays for Future" fordert die "Letzte Generation" auch soziale und finanzielle Rechte Benachteiligter ein: "Stoppt den Mord an den Armen!". Eine vorherige Kampagne war etwa "Essen retten, Leben retten".

Telepolis sprach mit Lina Johnsen von der Letzten Generation über ihren Aktivismus. Das Interview wurde vor der Straßenblockade in Berlin und den möglichen Folgen auf die Rettungskräfte geführt.

"Den Protest in die Mitte der Gesellschaft tragen"

Es wirkt, als hätten Sie gerade einen großen Zulauf an Aktivist:innen.

Lina Johnsen: Ja, der Widerstand in recht kurzer Zeit deutlich gewachsen. Das liegt vor allem an den vielen Vorträgen, die wir im ganzen Land halten. Immer mehr Menschen verstehen und spüren die Dringlichkeit des Handelns. Wann handelt die Regierung?

Wie kann es sein, dass die Politik keine Verantwortung übernimmt und letztlich ihrer verfassungsgemäßen Pflicht nicht nachkommt, alles daran zu legen, unsere Lebensgrundlagen zu schützen?

Schon diesen Sommer hat die Forst- und Landwirtschaft in Deutschland extrem unter der Dürre gelitten, es kam zu Ernteausfällen bei ohnehin schon steigenden Lebensmittelpreisen.

Wenn wir weiter machen wie bisher, kämpfen und bekriegen wir uns bald um Essen! Und die Regierung kann nicht einmal die einfachsten und zudem kostenlosen CO2-Einsparungen vornehmen, wie ein Tempolimit? Was hier gerade passiert, ist so absurd, dass selbst UN-Generalsekretär António Guterres sagte: "Eigentlich müssten wir jetzt alle in den Widerstand gehen!"

Ihre Aktionen finden nun auch immer öfter vor den Ministerien statt, nicht nur weiter mit Straßenblockaden. Aber warum dieser Strategiewechsel?

Lina Johnsen: Wir haben uns mit Wissenschaftler:innen der Bewegung Scientist Rebellion und den aktivistischen Gruppen Dept4Climate und Fossil Occupy zusammengeschlossen. Zuletzt wurde das Verkehrsministerium blockiert, mit der einfachen und überfälligen Einforderung eines Tempolimits von 100 km/h.

Zudem wurde die Eröffnung der World Health Summit …

… das ist eine internationale gesundheitspolitische Veranstaltung in Berlin unter maßgeblicher Beteiligung der Charité …

Lina Johnsen: … mit einem Feueralarm unterbrochen, denn die Regierung unseres Landes scheint noch nicht mitbekommen zu haben, dass unser Zuhause gerade in Flammen aufgeht. Wo sind die der katastrophalen Situation angemessen Maßnahmen? Aber Olaf Scholz bleibt wohl lieber untätig, wenn sein Haus abbrennt.

Hauptfokus werden aber weiterhin Straßenblockaden sein, denn der Protest muss in die Mitte der Gesellschaft getragen werden, nur so funktioniert er. Umfragen in unseren Vorträgen haben ergeben: Straßenblockaden bekommen unter allen Aktionsformen am meisten Aufmerksamkeit, weswegen jetzt ein so großer gesellschaftlicher Diskurs angestoßen wurde. Dieser ist so viel mächtiger und erzeugt mehr Druck auf die Regierung.

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