Warum Polen Atomreaktoren aus den USA bestellt

360-Grad-Projektion vom Inneren des unvollständigen Satsop-Kühlturms. Das AKW im US-Bundesstaat Washington wurde nie vollendet. Bild: Gregg M. Erickson / CC BY 3.0

Polen setzt auf Kernenergie, obwohl sie laut Internationale Energieagentur ein Auslaufmodell ist. Bizarr: Der bankrotte Westinghouse-Konzern soll es richten. Was haben AKW in Polen nun aber mit dem Ukraine-Krieg zu tun?

Man muss Polen – und der US-Vizepräsidentin Kamala Harris und der US-Energieministerin Jennifer Granholm für die Vermittlung des Deals – wohl gratulieren. Das Land will gleich drei "nukleare Zitronen" aus den USA kaufen.

Mit unfassbarer Kurzsichtigkeit hat die polnische Regierung eine Vereinbarung mit dem US-Unternehmen Westinghouse über den Bau von drei Kernreaktoren unterzeichnet.

Linda Pentz Gunter ist internationale Expertin bei Beyond Nuclear.

Offenbar ignorieren alle Beteiligten die Tatsache, dass Westinghouse durch seine katastrophalen Atomprojekte in South Carolina und Georgia in den Bankrott getrieben wurde. Das erste Projekt wurde mitten im Bau abgebrochen, und das zweite, Plant Vogtle, liegt nun Jahre hinter dem Zeitplan und weit hinter dem ursprünglich für 2016 vorgesehenen Datum für die Inbetriebnahme zurück, wobei die Kosten immer weiter in die Höhe geschossen sind und inzwischen 30 Milliarden Dollar übersteigen.

Ebenfalls übersehen wurde, dass der frühere Vizepräsident der Westinghouse Electric Company, Jeffrey A. Benjamin, in 16 Fällen angeklagt wird. Es geht dabei um Komplott, diverse Betrugsvorwürfe und falsche Aufzeichnungen des börsennotierten Unternehmens beim inzwischen verworfenen Reaktorprojekt V.C. Summer 2 in South Carolina.

Der offizielle Grund dafür, die lange auf Eis gelegten Pläne zum Bau von Kernreaktoren plötzlich wiederzubeleben, ist, dass es aufgrund des Ukraine-Kriegs im stark von fossilen Brennstoffen abhängigen Polen zu Energieengpässen gekommen sei. Bezeichnenderweise wurde aber auch der "Mangel an erneuerbaren Energiealternativen" als Grund genannt.

Ähnlich wie Frankreich mit seinem Atomstrom-Monopol hat Polens Abhängigkeit von Kohle und Gas die Entwicklung erneuerbarer Energien im Keim erstickt. Jetzt gibt es keinen anderen Ausweg mehr. Frankreich ist in vergleichbarer Weise gestrandet und importiert nun Energie aus fossilen Brennstoffen. Man nimmt sogar stillgelegte Kohlekraftwerke wieder in Betrieb.

Frankreichs Abwendung vom Klimaschutz ist dadurch bedingt, dass man jahrzehntelang der Kernkraft den Vorrang gab. Hinzu kommt, dass die alternde Kernreaktorflotte des Landes mit bemerkenswertem Tempo zusammenbricht – in letzter Zeit ist mehr als die Hälfte aller französischen Reaktoren außer Betrieb gewesen. Ein perfektes Beispiel dafür, warum die Entscheidung für die Kernenergie eine unüberlegte und unzuverlässige Entscheidung ist, selbst wenn man alle damit verbundenen Gefahren und Entsorgungsprobleme außer Acht lässt.

Die polnische Entscheidung, eine Partnerschaft mit einem bankrotten Konzern einzugehen, der in der Vergangenheit weder den Zeit- noch den Kostenrahmen einhalten konnte und zudem in kriminelle Machenschaften verstrickt gewesen ist, wirkt unerklärlich und bizarr. Vielleicht geht es noch um andere Dinge?

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