Eskalation innerhalb der Nato: Erdogans Säbelrasseln gegen Griechenland

Die ballistische Rakete "Tayfun" soll im Ernstfall Athen treffen. Als Grund für die Drohungen gibt der türkische Präsident den Versuch einer Bewaffnung der Ägäis-Inseln an. Was er weiteren Nato-Partnern vorwirft.

Nachdem Ankara erfolgreich Bedingungen für die Nato-Beitritte Schwedens und Finnlands gestellt und damit unter anderem die Auslieferung Asylsuchender erwirkt hat, stößt der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan immer deutliche Drohungen gegen den Nato-Partner Griechenland aus.

Laut dem Bericht der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu stellte er dem Nachbarland im Konflikt um die Ägais-Inseln sogar indirekt einen Raketenangriff in Aussicht. Nicht ohne Stolz sprach er über die ballistische Rakete "Tayfun" aus heimischer Produktion, deren erfolgreiche Testung natürlich Athen "erschrecke". Die Griechen hätten Angst, die Rakete könne auch Athen treffen. "Ja, natürlich wird sie das", bekräftigte Erdogan.

Laut Anadolu kann die Rakete innerhalb von 456 Sekunden Ziele in einer Entfernung von 561 Kilometern treffen. Ankara wirft Griechenland "provokante Aktionen und Rhetorik" sowie den Versuch der Bewaffnung der Ägäis-Inseln vor, die "aufgrund von Vertragsverpflichtungen entmilitarisiert" worden seien. Die Türkei werde nicht dabei zusehen, wenn griechische Truppen dort mithilfe des Nato-Partners USA ausgerüstet würden.

Erdogan beruft sich dabei auf den Lausanner Vertrag von 1923, in dem die Grenzen der neuen Republik Türkei festgelegt und Griechenland die Inseln Lesbos, Chios, Samos und Ikaria zugeschlagen wurden. Außerdem pocht er auf den Vertrag von Paris von 1947, mit dem Italien nach dem Zweiten Weltkrieg die Dodekanes-Inseln an Griechenland abgetreten hatte. In den Verträgen wurde festgehalten, dass Griechenland die Inseln nicht militärisch nutzen dürfe.

Griechenland hat seine Sicht am 25. Mai in einem Schreiben an die Vereinten Nationen dargestellt: Die Türkei wird darin aufgefordert, die Souveränität über die Ägäis-Inseln und die bestehenden Grenzen Griechenlands zu respektieren. Die einzige Differenz mit der Türkei sei die Abgrenzung der Meereszonen beider Länder. Zudem appellierte Griechenland an die Türkei, sich im Geiste einer guten Nachbarschaft für eine friedliche Lösung dieser offenen Frage einzusetzen.

Gegensätzliche Vorwürfe Erdogans und der PKK gegen die Nato

Erdogan liegt unterdessen noch mit einem weiteren Nato-Partner über Kreuz: Den USA wirft er vor, "terroristische Organisationen" in Nordsyrien zu unterstützen und mit Waffen zu versorgen, während er dort unter dem Label der "Terrorbekämpfung" selbst Krieg führt. Sein Vorwurf gegen die USA geht auf den gemeinsamen Kampf der USA und syrisch-kurdischer Einheiten gegen die Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) in Syrien zurück.

Er selbst betrachtet die laizistische Arbeiterpartei Kurdistans (PKK) als Hauptfeind und griff in Nordsyrien zur Bekämpfung von Organisationen, die ihr nahe stehen, auch auf dschihadistische Hilfstruppen zurück.

Die PKK wiederum hat der Nato inzwischen sinngemäß vorgeworfen, Kurdinnen und Kurden ans Messer zu liefern. Hintergrund waren Absprachen zwischen der Türkei, Finnland und Schweden über die Bedingungen für die Nato-Beitritte der beiden skandinavischen Länder.

Im November hatte die türkische Armee die Operation "Klauenschwert" in nördlichen Gebieten des Irak und Syriens gestartet – nach Erdogans Diktion eine "grenzüberschreitende Luftkampagne gegen die Terrorgruppe PKK", die von den Grenzgebieten aus Angriffe auf türkischen Boden planen und manchmal auch ausführe.

Unterdessen werfen sowohl die PKK als auch kurdische Exilorganisationen in Europa der türkischen Armee den wiederholten Einsatz verbotener Chemiewaffen in den entsprechenden Regionen vor und fordern eine internationale Untersuchung. Mehrfach kam es deshalb in den letzten Wochen zu Protestaktionen in verschiedenen deutschen europäischen Städten, unter anderem in Rom, Zürich, Berlin und Tübingen.

Im Oktober wurde in der Türkei die Forensikerin und Ärzteverbandschefin Şebnem Korur Fincancı wegen "Terrorpropaganda" inhaftiert, weil sie öffentlich diesen Verdacht ausgesprochen hatte.