Rassistischer Anschlag in Paris: "Ich dachte, er wäre noch im Gefängnis"

Bei einer Demonstration der kurdischen Community nach dem Anschlag setzte die Polizei Tränengas ein. Foto: ANF

Der Mann, der in Frankreichs Hauptstadt drei kurdischstämmige Menschen erschoss, war behördenbekannt. Angeblich aber nicht als Rechtsextremist. Dabei hatte er bereits Geflüchtete mit einem Säbel attackiert.

Die kurdische Community der französischen Hauptstadt ist Ziel eines rassistischen Anschlags geworden – dafür spricht auch die Vorgeschichte des 69-jährigen Franzosen William M., dem vorgeworfen wird, am Freitag beim kurdischen Kulturzentrum im zehnten Arrondissement von Paris drei Menschen erschossen zu haben. Drei weitere wurden bei dem Attentat verletzt.

Die Schüsse fielen in der Rue d‘Enghien vor dem "Centre Culturel De Kurde Paris Ahmet Kaya", in einem Café sowie in einem Frisiersalon, wo der kurz darauf festgenommene Täter von einer Überwachungskamera gefilmt wurde. Er war wegen noch nicht lange zurückliegender Waffen- und Gewaltdelikte den Behörden bekannt.

"Die Kurden in Frankreich waren das Ziel eines niederträchtigen Angriffs im Herzen von Paris", erklärte Staatspräsident Emmanuel Macron am Freitag auf Twitter. Er sprach den Angehörigen der Toten und den Verletzten sein Mitgefühl aus, aber auch den Strafverfolgungsbehörden seine Anerkennung "für ihren Mut und ihre Gelassenheit". Gemeint waren wohl die direkt an der Festnahme des Täters beteiligten Polizeibeamten, denn an anderer Stelle gibt es noch viel aufzuarbeiten.

Der europaweite kurdische Dachverband KCDK-E gab am Abend die Namen der Getöteten, Emine Kara, M. Şirin Aydın und Abdurrahman Kızıl, bekannt. Alle drei Opfer hatten sich demnach zivilgesellschaftlich engagiert. "Wir sind erschüttert und fassungslos und von großer Trauer überwältigt. Dass drei kurdische Aktive unter den heimtückischen Kugeln eines Henkers sterben mussten, hat uns tief verletzt", sagte die Ko-Vorsitzende des Verbands, Fatoş Göksungur.

Für den heutigen Samstag wurde zu einer Demonstration in Paris aufgerufen und auch in Deutschland mobilisiert. Am Freitagnachmittag war es in Paris zu Ausschreitungen zwischen Polizei und überwiegend kurdischstämmigen Demonstrierenden gekommen. Laut einem Bericht der kurdischen Nachrichtenagentur ANF warfen Sicherheitskräfte Tränengaskartuschen in die Menge und traten auf am Boden liegende Personen ein. Aus der Demonstration seien Fahnenstangen und Schilder in Richtung Polizei geflogen.

Bekannt durch Säbelangriff auf Geflüchtete: Motiv nebulös?

Große Teile der kurdischen Community sind aufgebracht – auch über das Verhalten der Sicherheitsbehörden, weil der Täter – ein 69-jähriger Franzose namens William M. – bereits 2021 mit einem Säbel in einem Flüchtlingslager aufgetaucht war und dort Menschen angegriffen hatte.

Nach Informationen der Tageszeitung Le Parisien wurde er am 12. Dezember dieses Jahres aus der Haft entlassen. Das Motiv für den Säbelangriff erschien den Behörden aber offenbar bis Freitag nebulös, denn als Rechtsextremer oder Rassist wurde er angeblich nirgends erfasst.

"Ich kann nicht sagen, dass er für ultrarechte Taten bekannt war", erklärte Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin am Freitag. Um dafür bekannt zu sein, hätte er offenbar als Mitglied einer Organisation dieses Spektrums angehören müssen. William M. sei Polizei und Justiz bekannt gewesen, aber nicht dem Territorialgeheimdienst und der Generaldirektion für Innere Sicherheit (DGSI), hieß es.

Le Parisien zitierte nach dem Attentat am Freitag auch einen der Geflüchteten, die den Säbelangriff 2021 miterlebt hatten: "Als ich sah, dass er es war, verstand ich nicht", sagte er dem Medium. "Ich dachte, er wäre noch im Gefängnis. Er wurde noch nicht verurteilt, wie ist das möglich, wie kam er raus? Und ich war nicht gewarnt worden."

Die Frage, die sich einige in der migrantisch geprägten Gegend und darüber hinaus stellen, ist nur, ob er es dieses Mal speziell auf kurdischstämmige Menschen oder generell auf "Ausländer" abgesehen hatte.

Als die allerersten Meldungen – noch ohne den Namen des 69-Jährigen – herumgingen, hielten viele auch ein türkisch-nationalistisches Tatmotiv für naheliegend, unter anderem, weil vor knapp zehn Jahren ein türkischer Nationalist mit Geheimdienstbezug in Paris drei kurdische Aktivistinnen erschossen hatte.