Wie stehen die Chancen um einen Frieden in der Ukraine?

Der Frieden in der Ukraine hängt neben Russland von den USA ab. Für sie geht es um geostrategische Ziele. Was Washington dazu bewegen kann, einer Friedenslösung mit Russland zuzustimmen.

Nicht der Krieg, sondern was zum Krieg geführt hat, muss gelöst werden

Der Krieg in der Ukraine ist das Resultat eines Versuches der USA, nach dem Ende des Kalten Krieges in Europa eine Sicherheitsordnung über die von ihr dominierte Nato und unter Ausschluss Russlands aufzubauen. Dabei spielten für die USA Bedenken bezüglich der Sicherheit Europas kaum eine Rolle.

Es ging und geht fast ausschließlich um das geostrategische Ziel der USA, ihre nach dem Ende des Kalten Krieges gewonnene Position der allein dominierenden globalen Großmacht zu erhalten. Die Beitritte der Ukraine wie auch Georgiens zur Nato wären die Krönung dieser seit 1994 betrieben Nato-Erweiterung nach Osten.

Über eine solche Nato-Erweiterung würden die USA Russlands gesamte Südwestgrenze militärisch kontrollieren und somit das Land aus dem strategisch so wichtigen Schwarzen Meer und aus seinen traditionellen Einflussbereichen in Zentralasien verdrängen können. So wäre die Atommacht Russland als unliebsamer strategischer Mitkonkurrent weitestgehend ausgeschaltet.

Die USA, ein Land, das über 8.000 Kilometer von der Ukraine entfernt auf einem anderen Kontinent liegt, könnten durch vorgeschobene Militärbasen in der Ukraine Druck auf den gesamten asiatischen Raum inklusive China ausüben und die stark an Bedeutung gewonnenen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen zwischen Asien und Europa beeinflussen.

Die USA verfolgen somit eigene machtpolitische und keine selbstlosen humanitären Ziele in der Ukraine. Die Ukraine ist nur durch ihre strategische Lage zwischen Europa und Asien zum Kriegsschauplatz geopolitischer Interessen geworden. Bei einer Friedenslösung dürften daher auch die eigentlichen ukrainische Interessen, trotz aller öffentlicher Solidaritätsbezeugungen, nur eine untergeordnete Rolle spielen.

Einen wirklichen Frieden in der Ukraine und damit auch in Europa kann es nur geben, wenn es möglich wird, eine neue, von der Nato weitestgehend unabhängige Sicherheitsstruktur in Europa zu errichten, um so, wie in der Paris Charter der OSZE von 1990 gefordert, ein gemeinsames Haus Europa ohne Trennlinien zu schaffen. Das ginge nur mit einer europäischen Sicherheitsstruktur, die Russland einschließt. Hierfür sind aber die aktuellen Aussichten ausgesprochen schlecht.

Auch die Ukraine, obwohl wiederholt vom Westen vorgeschoben, kann darüber sicherlich keine selbständigen Friedensverhandlungen mit Russland führen. Sie kontrolliert keine der in diesem Krieg ausgefochten geopolitischen Interessen der Atommächte USA und Russland (und in gewissem Sinne auch Chinas). Zudem ist die Ukraine viel zu sehr von westlicher, insbesondere von US-amerikanischer finanzieller und militärischer Unterstützung abhängig, um eine unabhängige Position zu vertreten.

Wer kann einen Frieden mit Russland verhandeln?

Es kämen dafür nur die USA in Frage; die Europäische Union ist zu uneinig und schwach, um einen Schritt hin zu einem Verhandlungsfrieden mit Russland zu machen. Wie sehr dieser Krieg ein Krieg der USA ist, hat kürzlich erst der Besuch von Präsident Wolodymyr Selenskyj in Washington gezeigt; über Europa ist Selenskyj einfach hinweggeflogen.

Die USA und der Krieg um Macht

Das geopolitische Interesse der USA an der Ukraine geht auf die Zeit nach der Auflösung des Warschauer Paktes und des Zusammenbruchs der Sowjetunion Ende 1991 zurück. Damit endete auch jeder Versuch in Europa, eine ausgleichende Sicherheitsstruktur zu schaffen, die auch Russland, den nun erheblich geschwächten Nachfolgestaat der Sowjetunion, einzubeziehen. Die Hoffnung der Charter von Paris auf ein gemeinsames, friedliches Europa war damit gestorben.

Der Zusammenbruch der Sowjetunion wurde als Sieg eines überlegenen westlichen sowie liberal-demokratischen Systems gewertet; die Welt würde sich nun in eine Demokratie unter der Führung der USA verwandeln. Waren die USA bis dahin nur die Führungsnation westlicher Staaten gewesen, würden sie nun zur Führungsmacht der ganzen Welt.

Dieses Ziel schien damals realistisch, da Russland ins Chaos der Jelzin-Jahre versunken war und China, wie auch Indien, wirtschaftlich und militärisch keine Bedeutung hatten. Der Nato, in der Charter von Paris wird sie mit keinem Wort erwähnt, kam nun die alleinige Aufgabe zu, der militärische Protagonist einer von den USA beherrschten Welt zu werden. Dabei wurde der Ukraine schon damals eine zentrale Rolle zugedacht.

Bereits 1997 unterzeichnete die Nato mit der Ukraine einen Vertrag zur strategischen Partnerschaft. Was anfangs noch recht unschuldig klang, führte aber dazu, dass eine Nato-Mitgliedschaft zum Ziel aller nachfolgenden US-Präsidenten wurde.

Trotz aller Proteste und Drohungen Russlands wurde dieses Ziel mit zunehmender Aggressivität verfolgt. Dies gipfelte im Jahr 2014 in dem von den USA organisierten und mit fünf Milliarden US-Dollar finanzierten gewaltsamen (und nach internationalem Recht illegalen) Sturz des demokratisch gewählten ukrainischen Präsidenten Wiktor Janukowytsch und die Einsetzung einer prowestlichen Regierung unter Petro Poroschenko. Die Weichen für eine Einverleibung der Ukraine in die Nato waren damit gestellt.

Russland antwortete mit der Annexion der Krim und der Unterstützung der Unabhängigkeit des Donbass. Woraufhin der Westen mit einer massiven militärischen Aufrüstung der ukrainischen Armee begann. Damit hatte eine Art latenter Krieg zwischen den USA und Russland um Einfluss in der Ukraine begonnen.

Nach der Ankündigung auf dem Nato-Gipfel im Juni 2021, die Mitgliedschaft der Ukraine nun voranzutreiben, eskalierte die Situation und führte zur militärischen Intervention Russlands. Bei alledem ging und geht es allein um die Nato-Erweiterung, und es wird keinen Frieden geben, bis das nicht diplomatisch gelöst wird.

Das erklärt auch, warum sich die USA vehement gegen jede Friedenslösung wenden, die eine Neutralität der Ukraine vorsieht. Noch im Dezember 2021 weigerten sich die USA, über einen Nato-Beitritt der Ukraine mit Russland zu verhandeln, und im März 2022 torpedierte die Nato die ukrainisch-russischen Friedensgespräche, die eine neutrale Ukraine vorsahen.

Auch jetzt lehnen die USA Friedensgespräche mit Russland über den künftigen Status der Ukraine ab. Nehmen die USA damit das Leiden des ukrainischen Volkes und die sukzessive Zerstörung der Ukraine für ihre geostrategischen Ziele in Kauf?

Die Europäische Union, der Krieg und die Ohnmacht

Der Krieg in der Ukraine ist eine Schande für Europa und ganz besonders für die EU. Obwohl es sich hier um einen Krieg handelt, der auf dem europäischen Kontinent zwischen zwei europäischen Staaten ausgetragen wird und obwohl sich dieser Konflikt über die letzten 30 Jahre mit ständig zunehmenden Spannungen angedeutet hatte, unternahm die EU nichts, um eine diplomatische Lösung zu finden und so den Krieg zu verhindern. Die EU degradierte sich zur willigen Mitläuferin der USA und wurde zur Mitschuldigen an diesem Krieg.

Die Konsequenzen wird nun Europa tragen müssen, durch ein Abrutschen in eine politische Bedeutungslosigkeit, durch den Verlust des Zugangs zu Rohstoffen, durch eine Blockade der Landbrücke zu den lukrativen Märkten Asiens und letztlich durch eine Abwertung seines Wirtschaftsstandortes und Milliarden an Transferzahlungen an die Ukraine über die kommenden Jahre hinweg.

Die bisherigen Versuche europäischer Staaten im Ukraine-Konflikt zu vermitteln, sind regelmäßig an europäischer Uneinigkeit und US-amerikanischem Widerstand gescheitert. Ein Vermittlungsversuch der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens bei den Unruhen auf dem Maidan-Platz im Jahr 2014 wurde ignoriert; nur Stunden später kam es zum gewaltsamen Sturz des prorussischen Präsidenten.

"Fuck the EU" war Victoria Nulands Reaktion; sie ist heute US-amerikanische Vize-Außenministerin. Auch die von Deutschland und Frankreich ausgehandelten Minsk-I- und Minsk-II-Vereinbarungen, wurden nie umgesetzt, der EU war es unmöglich Druck auszuüben.

Die Ohnmacht der EU wurde dann noch einmal bei der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines 1 und 2 deutlich. Der Krieg in der Ukraine ist eben auch ein Wirtschaftskrieg der USA gegen ein zu sehr nach Osten, vor allem nach Russland und China, ausgerichtetes Europa.

Die Tragik für die Ukraine ist es, dass damit eine Situation entstanden ist, in der sie selbst keinen Frieden verhandeln kann, in der die EU zu schwach und uneinig ist, um einen Frieden zu verhandeln, und die USA sich in einer so starken Position wähnen, dass sie keine Veranlassung haben, einen Verhandlungsfrieden mit Russland zu suchen.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.