Frankreich programmiert den Supergau

Der Stromriese EDF hat sich derart tief in die Atom-Sackgasse manövriert, dass er nun prüft, die Laufzeiten von Atomkraftwerken sogar auf 80 Jahre zu verlängern.

Das Atomstromland Frankreich steht wegen seiner verfehlten Energiepolitik mit dem Rücken zur Wand. Da der Ausbau der erneuerbaren Energien stiefmütterlich behandelt wurde und, wie die neuen Planungen zeigen, weiterhin nur mit Samthandschuhen angefasst wird, klafft für viele Jahre eine riesige Stromlücke.

Es ist also nur eine Frage der Zeit, bis es wieder so kalt wird wie 2012 und der Stromverbrauch erneut auf über 100 Gigawatt (GW) explodiert, weil immer noch ein Drittel der Haushalte mit Strom vom Nachbarn heizt.

Derzeit produzieren die altersschwachen Atommeiler aber nur knapp 43 GW, die Stromimporte aus den Nachbarländern steigen bereits auf über acht GW. Der Netzbetreiber RTE plant bereits rollierende Abschaltungen – sogenannte kontrollierte Brownouts - ganzer Regionen.

Zwar fabuliert Präsident Emmanuel Macron gerne vom Bau neuer Atommeiler, doch selbst nach den optimistischsten und wenig glaubwürdigen Zeitplänen der EDF wird frühestens zwischen 2035 und 2039 ein kleiner Teil der Stromlücke geschlossen sein, wenn die nun angestrebte Beschleunigung des Kraftwerksbaus tatsächlich gelingt. Aber auch das ist höchst fraglich. Kein Wunder also, dass der Plan B der französischen Atomfreunde darin besteht, die Laufzeiten der alten Meiler einfach immer weiter zu verlängern.

So wurde bereits eine Laufzeitverlängerung auf 50 Jahre für Atommeiler durchgezogen, die nur für eine Laufzeit von 40 Jahren geplant und gebaut wurden.

Derzeit läuft ein Verfahren, um die Laufzeiten der Reaktoren auf 60 Jahre zu verlängern, damit die Stromlücke nicht immer größer wird. Die französische Atomaufsichtsbehörde ASN hat den Kraftwerksbetreiber EDF jetzt aufgefordert, bis nächstes Jahr die Pläne für die neue Laufzeitverlängerung vorzulegen. Bis 2026 will die ASN entscheiden, ob die Uraltreaktoren sogar bis 2060 laufen dürfen.

Wie sehr die EDF aber mit dem Rücken zur Wand steht, zeigt die Tatsache, dass sie nun sogar eine Laufzeitverlängerung auf 80 Jahre prüft. An die eigenen Pläne, in den nächsten zwei Jahrzehnten 6 bis 14 neue Reaktoren ans Netz zu bringen, glaubt sie selbst nicht mehr. Eine Laufzeit von 80 Jahren für den Atompark sei "kein Tabu mehr", erklärte der neue EDF-Chef Cédric Lewandowski.

"Sechs Reaktoren in den USA haben eine Betriebslizenz für bis zu 80 Jahre erhalten und zufällig sind unsere Technologien ungefähr gleich", erklärte er jetzt bei einer Anhörung in der Nationalversammlung. Die Frage liege auf dem Tisch und werde derzeit "wissenschaftlich untersucht". Man sei sich einig, dass der französische Nuklearpark dafür geeignet sei.

Für Frankreich stehe der Verlust der Energiesouveränität auf dem Spiel, meint der EDF-Chef. Und das ist nur ein Wunschtraum. Bekanntlich ist das Land auch im Kriegsfall auf Uran-Lieferungen aus Russland angewiesen.

Es ist kein Zufall, dass ausgerechnet Uran nicht auf der Sanktionsliste der EU steht. Lewandowski tut in seinen Ausführungen auch so, als gäbe es die zahlreichen Korrosionsprobleme in den altersschwachen Atomreaktoren nicht. Nur unter erheblichen Sicherheitsrisiken wurden die von Spannungsrissen in Rohrleitungen betroffenen Meiler auf Anordnung der Regierung wieder ans Netz gebracht, um den Blackout zu vermeiden, auf den man die Bevölkerung bereits eingestimmt hat.

Angesichts der Pläne, mit denen die EDF offensichtlich einen Super-GAU programmieren will, weist Le Figaro darauf hin, dass die EDF auf ihren Internetseiten selbst angibt, dass die Kernkraftwerke "für einen Betrieb von mindestens 40 Jahren ausgelegt sind". Die Tageszeitung erinnert auch daran, dass die Laufzeit der ältesten Reaktoren von der ASN bereits auf 50 Jahre erhöht wurde.

Der Netzbetreiber RTE rechnet in seinen Szenarien für die Stromversorgung bis 2050 sogar schon mit einer Verlängerung auf 60 Jahre. Für die Kontrolleure wächst derweil angesichts der Stromabhängigkeit von altersschwachen Meilern der Druck, fragwürdige Ergebnisse von Sicherheitsprüfungen durchzuwinken. So ist längst bekannt, dass auch Störfälle schon vertuscht wurden, sogar Büros der Atomaufsicht wurden deshalb schon durchsucht.