Große EU-Delegation im Kriegsland Ukraine: Der nächste Anlauf

Wann klappt der EU-Beitritt? Ukrainische Regierung erwartet einen "substanziellen Schritt" nach vorn. EU verspricht mehr Geld und mehr Ausbildung von ukrainischen Soldaten an Kampfpanzern.

Gut neun Jahre nach dem "Euromaidan" ist Krieg in der Ukraine und eine große EU-Delegation weilt in der Hauptstadt Kiew, um mit der Regierung Selenskyj, über EU-Hilfen für das von Russland angegriffene Land und um einen EU-Beitritt der Ukraine zu reden.

Es sind außergewöhnliche Zeiten. Was neulich noch Stoff für die Unterhaltungsbranche (Thriller, Verschwörungsfantasien und Satire) war, ist jetzt ein Echtzeit-Test für den Wirklichkeitssinn von Politikern und ihr Gespür für Chancen einer guten Entwicklung und Risiken.

So ist es ein "historischer Besuch" (EU Solidarity with Ukraine), den EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen anführt, um "unsere Unterstützung und Zusammenarbeit weiter zu vertiefen". 15 Mitglieder des Kommissionskollegiums begleiten sie.

Starke Signale gibt es immer reichlich aus Brüssel

Ein "starkes Symbol", wie es die Kommission und Medien herausstellen. Die Liste der Begleiter - u.a. Josep Borell (Außenpolitik), Margrethe Vestager (Digitales), Janusz Wojciechowski (Agrar), Mairead McGuinness (Finanzen) - zeigt an, dass es viele Tische und Felder für Gespräche und Verhandlungen gibt.

Die Erwartungen aufseiten der ukrainischen Regierung gehen über Botschaften ("starkes Signal", ZDF) hinaus. Davon gab es immer reichlich aus Brüssel.

Für das Gipfeltreffen am morgigen Freitag hofft der ukrainische Premierminister Denys Schmyhal einen "substanziellen Sprung nach vorn". Schmyhal will konkrete Vereinbarungen:

(…) insbesondere in bestimmten Bereichen - eine Vereinbarung über eine visafreie Regelung für Industriegüter, die Aussetzung der Zölle auf ukrainische Exporte für ein weiteres Jahr und "aktive Fortschritte" beim Beitritt zum SEPA-Zahlungsverkehrssystem (Single Euro Payments Area) und der Aufnahme der Ukraine in den EU-Roaming-Bereich.

Politico

Straffer Zwei-Jahres-Plan

Der ukrainische Premier habe einen straffen Zwei-Jahres-Zeitplan für den EU-Beitritt, berichtete Politico Ende Januar und fasste den Tenor aus Brüssel so zusammen: "Nicht so schnell."

Zitiert wurde als Beispiel der französische Präsident Macron, der vor im vergangenen Jahr noch von "Jahrzehnten" sprach, die es für einen Beitritt brauche. Solche Erfahrungen machen andere Länder auch. Ob die lange Wartezeit der Ukraine wegen ihrer ganz besonderen Situation erspart bleibt, ist die große offene Frage.

Geld und Reformprozess

Konkret gibt es zunächst die politisch einfachste Form der Hilfe: Geld. Wie die Zeitung Kiev Independent heute (mit Verweis auf Aussagen des Haushaltskommissars Johannes Hahn gegenüber Bloomberg) berichtet, will die EU ein "zusätzliches Hilfspaket in Höhe von 400 Millionen Euro für die Ukraine ankündigen, um deren Reformprozess zu unterstützen".

Außerdem beabsichtige Brüssel "die Aussetzung aller Zölle und Handelsschutzmaßnahmen für ukrainische Importe zu verlängern" und die Aussetzung der finanziellen Beiträge der Ukraine für die Teilnahme an EU-Programmen, "solange das Land weiterhin finanzielle Probleme habe".

Bislang beläuft sich die EU-Hilfe an die Ukraine auf 50 Milliarden Euro, die Zahl stammt von Josep Borrell. Wohin das Geld genau gegangen ist, ist in der hiesigen Öffentlichkeit noch kein Thema der Berichterstattung, das aufgefallen wäre.

An die große Öffentlichkeit werden signalstarke Sätze verteilt, so zum Beispiel vom EU-Ratspräsidenten Charles Michel.

Die Ukraine ist die EU, und die EU ist die Ukraine. Und wir müssen alles tun, damit dieses Versprechen eingelöst wird.

Charles Michel

Allerdings nehmen jetzt vor dem morgigen Gipfel in Kiew, wo es um Konkretes über EU-Beistandserklärungen hinaus, adressiert auch an Moskau ("Einigkeit zeigen"), geht, Überschriften den Glanz von solchen Erklärungen: "Kiew bloß nicht zu viel versprechen."