Die Stunde der Rüstungs- und Kriegslobbyisten

Militärparade zum 30. Jahrestages der Unabhängigkeit der Ukraine im Jahr 2021, abgenommen von Präsident Wolodymyr Zelenskyj. Bild: Präsidentenbüro / Public Domain

Die Gewinne der Waffenhersteller schießen in die Höhe. Der Ukraine-Krieg ist für sie profitabel. Wie Lobbyisten in Deutschland und den USA die Ukraine missbrauchen, um handfeste Interessen durchzusetzen.

Vom Krieg profitieren vor allem die Waffenhersteller. Darunter natürlich die sogenannten "Big Five" aus den USA: Lockheed Martin, Boeing, Northrop Grumman, Raytheon und General Dynamics.

Seit Beginn des Ukraine-Kriegs und der Waffenlieferung der USA stiegen ihre Aktienkurse deutlich: Lockheed Martin, plus 37 Prozent; Northrop Grumman, plus 41 Prozent; Raytheon, plus 17 Prozent; und General Dynamics, plus 19 Prozent.

Bereits unmittelbar nach Kriegsbeginn vor einem Jahr gingen auch in Deutschland die Aktienkurse der Waffenhersteller in die Höhe, u.a. von Rheinmetall und Hensoldt. In kurzer Zeit ging es für Rheinmetall um 93 Prozent hinauf. Analysten trauen Rheinmetall sogar einen Umsatzsprung auf 8,7 Milliarden Euro bis 2024 zu. Der Reingewinn soll sich mehr als verdoppeln.

Auch bei anderen Rüstungskonzernen wie Leonardo aus Italien, Thales Group in Frankreich oder Elbit Systems aus Israel gingen die Kurse steil nach oben. Der Grund für die enormen Aktiensprünge: Die jeweiligen Regierungen kündigten an, die Militärausgaben angesichts des russischen Ukraine-Kriegs stark anzuheben.

So entschied die deutsche Bundesregierung, 100 Milliarden Euro zusätzlich aufzubringen, in Frankreich sind es 40 bis 60 Milliarden. EU-weit betrachtet könnten mehrere hundert Milliarden Euro in neue Ausrüstung und Waffen gesteckt werden.

Dahinter steckt auch Lobbyismus. So sind deutsche Rüstungsfirmen mit großen Lobbybüros in Berlin vertreten und halten enge langjährige Beziehungen zu Ministerialbeamten und Abgeordneten, wie das Lobbyregister zeigt. Zudem gibt es den sogenannten "Drehtür-Effekt", bei dem Vertreter von Waffenherstellern in die Politik wechseln und andersherum.

Transparency International hat in einer Studie zudem aufgezeigt, dass der Rüstungssektor sehr stark korruptionsgefährdet ist. Das resultiert auch daraus, dass es um meist große Summen geht, die Geschäfte organisatorisch wie technologisch komplex und schwer zu durchdringen sind und bei Exporten ins Ausland wenig Kontrolle besteht.

Vor allem bei der Auslandsbestechung liegt die Rüstungsbranche daher ganz vorn, nach Correctiv-Angaben mit 15 Fällen von 2015 bis 2020 noch vor dem Sektor Anlagenbau, Kraftwerke und Industrie.

Die Liste der Verdachtsfälle ist lang. Das gilt auch für einen der größten Deals der letzten zehn Jahre: der Verkauf von zwei Fregatten nach Algerien durch ThyssenKrupp für etwa zwei Milliarden Euro. Die Kriegsschiffe wurden bei Rheinmetall eingekauft. Bei dem Geschäft wurden die Zahlungen auf obskure Weise durch Singapur und Abu Dhabi geschleust. Mehrere zehn Millionen Euro kamen nie in Düsseldorf bei Rheinmetall an.

Da solche Korruptionsverdachtsfälle immer wieder auftreten – wie z.B. beim Verkauf von U-Booten nach Israel, aber auch bei Waffenlieferungen nach Griechenland, Brasilien, Südafrika oder Algerien –, fordert Transparency International Verbesserung beim Lobbyregister, strengere Regeln zur Parteienfinanzierung, eine Überarbeitung von Verhaltensrichtlinien für Abgeordnete und strengere Regeln und kompromisslose Verfolgung von Korruption.

Das gelte auch für die Ukraine und die Lieferungen dorthin. Die Korruptionssituation dort ist weiter schlecht. Im Corruption Perception Index 2021 von Transparency landet das Land auf Rang 122 von 180 Plätzen. Deswegen müsse die Bundesregierung darauf achten, dass sich an den aktuellen Rüstungsexporten niemand zu Unrecht bereichere, so Transparency.

Sicherlich, den Vorwurf der Bereicherung macht der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses Marie-Agnes Strack-Zimmermann niemand. Aber ihre Nähe zur Rüstungslobby wirft viele Fragen auf. In ihrem Wahlkreis Düsseldorf hat Rheinmetall seinen Konzernsitz. Sie ist Präsidiumsmitglied in der Lobbyorganisation "Förderkreis Deutsches Heer e.V." (FKH) und der "Deutschen Gesellschaft für Wehrtechnik" (DWT).

Zudem ist sie Vize-Präsidentin der "Deutsch-Atlantischen Gesellschaft" (DAG). Die DAG hat zum Ziel, über die deutsche Sicherheitspolitik und Deutschlands Einbindung in die Nato zu informieren. Bei der FKH und DWT geht es demgegenüber ums Geschäft. So sagte Lobbycontrol-Sprecher Timo Lange der Neuen Osnabrücker Zeitung:

Beides [FKH, DWT] sind von der Rüstungsindustrie stark beeinflusste Organisationen, wo wir es kritisch sehen, wenn Abgeordnete des Bundestages dort leitende Funktionen übernehmen – auch wenn es ehrenamtlich geschieht.

Die Rüstungsindustrie würde so über "sehr enge und privilegierte Zugänge ins Parlament verfügen", schlussfolgert Lange. Strack-Zimmermann hat von Beginn des Ukraine-Kriegs an immer eindringlich dafür geworben, dass Deutschland mehr und schwerere Waffen an die Ukraine liefert. Dafür hat sie sehr viel Medienpräsenz bekommen.

Aber nicht nur Strack-Zimmermann hat enge Kontakte zum militärisch-industriellen Komplex. Der stellvertretende Vorsitzender des Verteidigungsausschusses Henning Otte (CDU) ist ebenfalls prominent in den Präsidien des DWT und FKH vertreten.

Auch beim Sprecher der CDU/CSU-Fraktion in wehrpolitischen Fragen, Florian Hahn, und beim verteidigungspolitischen Sprecher der SPD, Wolfgang Hellmich, sei die Nähe zur Rüstungsindustrie durch Ämter und Lobbyfunktionen zum Teil "besonders krass", wie Transparency feststellt.

Für die Waffenhersteller ist der Ukraine-Krieg aber nicht nur eine Bonanza. "Womöglich gibt es einen willkommenen Seiteneffekt für die Waffengeber", meint Helmi Krappitz am 16. Januar dieses Jahres in der Frankfurter Rundschau. "Der Krieg bietet dem Westen die seltene Möglichkeit, seine Waffensysteme im Einsatz zu testen". Die Ukraine sei gewissermaßen ein "Testlabor für westliche Waffen".