Nord-Stream-Anschlag: ZDF-Bericht zieht Version von pro-ukrainischen Saboteuren in Zweifel

Konnte eine kleine Gruppe auf einer Segeljacht die Pipelines sprengen? Eine letzte Antwort auf diese Frage bietet auch der Report des ZDF-Magazins Frontal nicht. Es bleiben aber viele Zweifel.

Der Anschlag auf die Nord-Stream-Pipelines ist eines der großen Rätsel unserer Zeit – und zahlreiche Journalisten versuchen es momentan zu lüften. Eine kleine pro-ukrainische Gruppe hätte den Anschlag ausgeführt, behaupteten kürzlich sowohl die New York Times (NYT) als auch auf deutscher Seite ARD und Zeit.

Neue Recherchen des ZDF-Magazins Frontal bringen diese Version ins Wanken und machten auf einige Schwachstellen dieser Erzählung aufmerksam. Einen ähnlichen Bericht hatte zuvor auch der Sender n-tv veröffentlicht.

Die Journalisten vom ZDF machten die kleine Segeljacht ausfindig, mit der die sechs Terroristen vom Hafen in Rostock in Richtung Pipelines aufgebrochen sein sollen.

Im Januar hatten deutsche Ermittler die 15 Meter lange Segeljacht untersucht und laut Generalbundesanwalt waren dort Reste von Sprengstoff auf einem Tisch gefunden worden. Damit wurde zwar ein Indiz für die Beteiligung am Anschlag gefunden, aber noch kein Beweis.

Die Journalisten von Frontal versuchten nachzuvollziehen, ob die Jacht vom Typ Bavaria C50 überhaupt für die Vorbereitung des Anschlags geeignet wäre. Weil die "Andromeda" momentan auf Land liegt, charterten die Reporter eine ähnliche Segeljacht, und sie befragten ausgiebig Experten. Am Ende blieben erhebliche Zweifel an der zuvor geäußerten Erzählung.

Der Experte für maritime Sicherheit, Göran Swistek, halte es für eine "mission impossible", mit einer solchen Jacht, sechs Personen, mehrere hundert Kilogramm Sprengstoff und Material für Tauchgänge und Montage zu transportieren. In dem Bericht erklärte Swistek, er halte es für plausibler, dass ein großes Schiff oder mehrere Schiffe beteiligt gewesen seien.

Aber auch der Sprengstoff dürfte die Täter vor Herausforderungen gestellt haben. Pro Explosion sei eine Menge erforderlich gewesen, die rund 500 Kilogramm TNT entspricht. Eine solche Menge heimlich zu besorgen, wäre extrem schwer, meinte Cyber-Experte Sandro Gayken in dem Bericht.

Selbst im Darknet lasse sich eine solche Menge kaum zusammenkaufen, ohne ins Visier von Polizei und Geheimdiensten zu geraten. Aus Gründen der Terrorismusabwehr würden die Sicherheitsbehörden diesem Handel eine hohe Aufmerksamkeit zuteilwerden lassen.

Auch der Vorsitzende des Bundes der Kriminalbeamten hegt Zweifel an der Version, eine private Gruppe könnte sich den Sprengstoff besorgt haben. "Wenn, dann spricht eher was dafür, dass es sich um Personen handelt, die entweder staatlichen Akteuren verbunden sind oder eben Teil dieser staatlichen Akteure sind", sagte er in dem Bericht.

Ähnlich verhält es sich mit den Tauchgängen, für die der Wellengang von entscheidender Bedeutung ist. Anhand von Wetterdaten konnte ein ehemaliger NVA-Kampftaucher zwei realistische Zeiträume für die Arbeiten an den Pipelines bestimmen. Beide sind allerdings kurz nach Antritt der Reise und kurz bevor die Jacht zurückgegeben wurde. Das lässt wiederum zweifeln, ob die Tauchgänge in dieser Zeit realistisch durchgeführt worden sein können.

Somit geht das Rätselraten rund um den Anschlag weiter. Vertreter der ukrainischen Regierung hatten in den vergangenen Tagen wiederholt erklärt, nicht beteiligt gewesen zu sein.

Für den Kreml war diese Version ohnehin bar jeder Glaubwürdigkeit. In einer im russischen Fernsehen übertragenen Rede bezeichnete der russische Präsident, Wladimir Putin, entsprechende Medienberichte als reinen Unsinn.

"Eine Explosion dieser Stärke und Tiefe kann nur von Experten durchgeführt werden, die sich auf das gesamte Potenzial eines Staates stützen, der über entsprechende Technologien verfügt", erklärte Putin laut Deutscher Presse-Agentur (dpa).

Der US-amerikanische Enthüllungsjournalist Seymour Hersh, der im Februar mit den Ergebnissen einer eigenen Recherche an die Öffentlichkeit ging, hatte auch nur wenige Worte für den Bericht der NYT übrig: "Es ist so eine verrückte Geschichte. Es ist eine schlechte Geschichte", sagte er kürzlich bei einer Veranstaltung.

In seinem eigenen Bericht beschuldigte er den US-Präsidenten Joe Biden, den Anschlag autorisiert zu haben – was man in Moskau dankbar aufgenommen hatte. In westlichen Medien wurde seine Version dagegen vorwiegend ablehnend behandelt oder ganz ignoriert.

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