EU-Corona-Wiederaufbaufonds: Wo ist das Geld geblieben?

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der Präsident des Europäischen Rates, Charles Michel, freuen sich über den Beschluss zum EU-Corona-Wiederaufbaufonds, 23. Juli 2020. Foto: Copyright: European Union.

Ausschuss des EU-Parlaments beklagt Schweigen über Verwendung von EU-Milliarden. Spanien fällt besonders auf. Es gibt keine Informationen, wie viel Geld in der Realwirtschaft angekommen ist.

Es ist ziemlich erstaunlich, auf wie wenig Resonanz die Tatsache im deutschsprachigen Raum stößt, dass Länder wie Spanien seit Monaten keine Angaben über die Verwendung von Geldern aus dem EU-Wiederaufbaufonds machen, der im Juli 2020 beschlossen wurde, um gegen die Auswirkungen der Corona-Krise anzusteuern.

Die Sache wird noch erstaunlicher, wenn man bedenkt, dass mehr als die Hälfte der Gesamtsumme von 750 Milliarden Euro als nicht zurückzahlbare Zuschüsse (390 Milliarden) fließt, also die Verwendung besonders kontrolliert werden sollte.

Erstmals durfte die EU dafür eigene Schulden aufnehmen, was hart umstritten ist. Beschwerden am Bundesverfassungsgericht wurden allerdings abgelehnt.

Nach Angaben der EU wurden schon 150 Milliarden Euro ausgezahlt, was aber damit passiert oder passiert ist, darüber herrscht offenbar Unklarheit. Das zeigt sich deutlich am Beispiel Spanien.

Nachfragen seit Februar

Im Februar hatte eine Delegation des Haushaltskontrollausschusses des Europäischen Parlaments, der für die Umsetzung des Wiederaufbaufonds verantwortlich ist, einen Kontrollbesuch in Spanien durchgeführt, da er keine Informationen erhalten hatte. Schon da wurde der Umgang Spaniens mit den EU-Geldern "heftig kritisiert" berichtete Euractiv.

Die Europaabgeordnete Monika Hohlmeier (CSU/EVP) kritisierte in Madrid die Art und Weise, wie Spanien den Plan verwaltet hat, und wies direkt auf die sozialdemokratische Wirtschaftsministerin Nadia Calviño (PSOE/S&D) hin. Die Vorsitzende des EU-Haushaltskontrollausschusses hatte der spanischen Wirtschaftsministerin Calviño vorgeworfen, "die Verantwortung für den Erfolg des Plans an die spanischen Regionen abzugeben".

Das Problem wurde in mehr als drei Monaten nicht gelöst, obwohl Monika Hohlmeier auch weiterhin nachgehakt und um Aufklärung gebeten hatte. Hohlmeier sprach das Thema Ende April erneut im Parlament an. Sie prangerte an, dass Calviño zugesagt habe, "die neuesten Zahlen über die Auszahlung von Geldern" zu übermitteln. "Darauf warten wir noch", erklärte Hohlmeier.

Auch bis zum 9. Mai ist das nicht geschehen, wie die CSU-Politikerin erneut im Parlament angeprangert hat. Das wurde allerdings dann in Spanien breit aufgenommen: "Wir wollen wissen, wohin das Geld geflossen ist", fragte sich eine spanische Zeitung mit einem Zitat der Tochter von Franz Josef Strauß.

"Wir haben immer noch keine Information, wie viel Geld eigentlich wirklich die Realwirtschaft erreicht hat", erklärte Hohlmeier im Parlament. Sie habe noch einmal nachgefragt und ihr sei zugesagt worden, "dass wir die Daten bekommen; ich habe bis heute immer noch keine bekommen".

"Vier bis fünf aus 41 Milliarden im Maximum"

Unsere Erfahrungen in Spanien zeigen leider, dass von 41 Milliarden, die dort inzwischen angekommen sind, gerade mal vielleicht irgendwie 4 - 5 Milliarden im Maximum tatsächlich überhaupt bei den Unternehmen, bei den betroffenen Regionen tatsächlich angekommen sind.

Monika Hohlmeier

"Wir haben nach wie vor keine Information darüber: Wie viel Geld haben die Projektentwickler oder diejenigen, die Projekte machen, tatsächlich erhalten, und wie viel Geld ist eigentlich wirklich bei den Menschen angekommen?", führt sie aus.

Wenn wir tatsächlich die Wirtschaft vorantreiben wollen, Arbeitsplätze vorantreiben wollen, Erholung vorantreiben wollen, dann bedeutet es in der Konsequenz: Die Projekte müssen realisiert werden.

Da die Zentralregierung die Zuständigkeit an die Regionen abgibt, hat sie auch weiterhin keinerlei Kontrolle, was mit den Geldern passiert. Im schlimmsten Fall könnten sie im Korruptionssumpf verschwinden, wie man ihn aus Andalusien, Madrid oder anderen Regionen längst nur zu gut kennt; egal ob dort gerade Sozialdemokraten oder Konservative regieren.

Finanziert werden könnten auch Projekte, gegen die sich die EU massiv stellt, wie etwa die Legalisierung von illegalen Brunnen, die sogar ein Unesco-Weltkulturerbe bedrohen. Konkret soll mit Geldern aus dem Wiederaufbaufonds in den Pyrenäen Umweltzerstörung finanziert werden.

Vermutlich kann Calviño deshalb auch nichts aufklären. Die Tageszeitung El Mundo zitiert heute aus dem Ausschuss-Bericht, in dem Spanien die Versäumnisse unter die Nase gerieben werden.

Der Ausschuss kommt zu dem Schluss, dass es Schwierigkeiten gibt, von der spanischen Regierung Informationen über die konkreten Zahlen der Auszahlungen an die Endbegünstigten zu erhalten.

El Mundo

In dem Schreiben von Calviño, das sie kürzlich an Hohlmeier geschickt hat, fehlten weiter alle Angaben dazu, "wie viel tatsächlich ausgezahlt wurde". Spanien wird nun dringend aufgefordert, "dafür zu sorgen, dass die Informationen zugänglich und eine öffentliche Prüfung möglich" werden.

Calviño habe in ihrem Brief, der der Zeitung auch vorliegen soll, nur ausgeführt, dass 27,3 Milliarden Euro an 400.000 Projekte gebunden worden seien. 13 Milliarden sollen an Unternehmen fließen, der Rest entfällt auf Stadtverwaltungen und Regionen. Was davon an Endempfänger geflossen und ob damit etwas passiert ist, bleibt unklar.

Kritik geht über Spanien hinaus

Spanien ist nur ein Beispiel und es ist einigermaßen merkwürdig, dass den Sozialdemokraten nichts Besseres einfällt, als Hohlmeier "Wahlkampfmanöver" vorzuwerfen. Am Sonntag finden in Spanien Kommunalwahlen statt und zudem in 12 Regionen auch Regionalwahlen.

Tatsächlich hatte Spanien lange genug Zeit für die Aufklärung. Hohlmeier und ihr Ausschuss führen auch Kontrollbesuche in anderen Ländern durch und kritisieren zum Beispiel auch Ungarn. Sie stellen fest:

Unsere Fragen an den Rechnungshof zu Fehlern, zur Zahl der Betrugsfälle und zu den Fällen, die der Strafverfolgung zugeführt wurden, bleiben unbeantwortet.

EVP

Ohnehin geht die Kritik auch weit über Spanien hinaus.

Wir werden deutlich machen müssen, dass es nicht sein kann, dass man Gelder für irgendeine Reform bekommt und die dann in seinem Haushalt im Mitgliedstaat vorübergehend erst einmal fünf Jahre liegen lässt, um dann, vielleicht fünf Jahre später, irgendwann einmal eine Investition zu tätigen.

So sei das nicht gedacht, vor allem dann nicht, wenn wir Schulden machen müssen dafür, denn wir müssen dafür anschließend im Haushalt die Zinsen bezahlen.

Hohlmeier prangert ein Rangieren zwischen verschiedenen EU-Töpfen an. Einige, die einst vom Kohäsionsfonds in den Wiederaufbaufonds verschoben wurden, würden jetzt wieder zurückgeschoben: "Das heißt, wir haben einen munteren Verschiebebahnhof von unterschiedlichen Projekten."