100 Prozent Ökostrom in Canberra: Jetzt ist auch Schluss mit Öl- und Gasheizungen
Seite 2: Canberra beschließt Verbot neuer Erdgasanschlüsse
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Um die Elektrifizierung mit Ökostrom auch im Heizungssektor voranzubringen, hat das Parlament in ACT vor wenigen Tagen ein Verbot für den Neuanschluss von Erdgas beschlossen.
Dieser Beschluss zeigt Parallelen zum Gesetzesentwurf von Minister Habeck zum Auslaufen von Erdöl- und Erdgasheizungen. Auch in Australien hat die der fossilen Wirtschaft sehr zugeneigte Murdoch-Presse gegen diesen Beschluss opponiert, genauso wie die Springer-Presse in Deutschland gegen das Gebäudeenergiegesetz (GEG).
Mit Falschaussagen und vielen übernommenen Argumenten aus der Erdgaswirtschaft unterstützten die Medien die Interessen der fossilen Wirtschaft, genauso wie die Springer-Presse in Deutschland.
Doch in ACT blieb die Parlamentsmehrheit aus Labour und Grünen standhaft und verabschiedete das Gesetz. Es ist ihnen klar, dass die absehbaren Preissteigerungen, vor allem beim Erdgas, die Heizungskunden stark strapazieren werden und daher der Umstieg auf Heizungen mit erneuerbaren Energien aus sozialen Gründen geboten ist.
Zudem leidet Australien immer mehr unter Wetterextremen wie katastrophalen Hitzeperioden und Dürren sowie Flutkatastrophen, weshalb der Klimaschutz mehr und mehr ernst genommen wird.
Und die deutsche Hauptstadt Berlin?
In Canberra bedurfte es keines Volksbegehrens, um Klimaneutralität und 100 Prozent erneuerbare Energien bis 2030 anzustreben. Im Parlament selbst wird der Klimaschutz aktiv vorangebracht.
In der Bundeshauptstadt Berlin dagegen haben SPD, Union und FDP alles getan, um das Volksbegehren für 100 Prozent erneuerbare Energien und Klimaneutralität bis 2030 abzuwehren. Leider ist es trotz mehrheitlicher Zustimmung der BerlinerInnen dann an der übergroßen Hürde des Quorums gescheitert.
In Berlin ist auch keine ähnliche Initiative wie in Canberra bekannt, Erdöl- und Erdgasheizungen durch Neubauverbote auslaufen zu lassen.
Damit schädigt die Berliner Hauptstadtpolitik nicht nur das Klima weiter, sondern belastet auch die Geldbeutel der BerlinerInnen mit immer höheren Kosten für Strom und Heizungen aus fossilen Energien wie Erdgas und Kohle, ähnlich, wie es bei den Energiekunden in New South Wales der Fall ist. Verantwortungsvolle Berliner Politik hätte wie in der australischen Hauptstadt Canberra Vorreiter sein und 100 Prozent erneuerbare Energien bis spätestens 2030 angehen müssen.
Stattdessen setzt auch die Berliner Landespolitik weiter auf Erdgasheizungen und -kraftwerke, die dann LNG aus Erdgas benötigen, welches auch aus Australien geliefert wird. Die Erdgaspreissteigerungen in Australien werden auch Berlin erreichen.
In Canberra setzt man auf den Ausstieg aus dem Erdgas, auch weil es immer teurer wird. In Berlin dagegen setzt man weiterhin auf immer teurer werdendes Erdgas, auch aus Australien. Was für eine verantwortungslose Politik in Berlin.
Längst hätte die Hauptstadt Berlin von der Hauptstadt Canberra lernen können, wie man zu 100 Prozent auf Ökostrom umstellt und den Ausstieg aus fossilen Heizungen angeht.
Eine Hauptstadt kann Vorbildwirkung haben
Die Vorbildfunktion einer Hauptstadt hat offensichtlich motivierende Auswirkungen auf das ganze Land. Australien hat von 2019 bis 2022 mit etwa 230 Watt pro Bürger:in mehr in Windkraft und Solarenergie investiert als die Deutschen mit etwa 90 Watt. Andrew Blakers, Wissenschaftler an der National University of Australia in Canberra und Mitglied des Wissenschaftler-Netzwerkes der Energy Watch Group, hat erst kürzlich in einem lesenswerten Artikel darauf hingewiesen.
Hans-Josef Fell ist Präsident der Energy Watch Group und Mitautor des Erneuerbaren-Energien-Gesetzes (EEG). Von 1998 bis 2013 war er für die Grünen im Bundestag. Er hat zahlreiche Preise und Auszeichnungen für sein Engagement erhalten. Fell ist Botschafter für 100 Prozent Erneuerbare Energien und Sprecher der Bürgerinitiative Bürger Solarfabrik.