Russland testet erstmals nuklearen Antrieb von Poseidon-Torpedo

Uwe Kerkow
Ansicht des Hecks eines großen Torpedos. Der Antrieb ist verpixelt.

Standbild aus einem russischen Video von 2018

Das Waffensystem fällt nicht unter bestehende Rüstungskontrollverträge und könnte über Wochen durch die Ozeane kreuzen.

Ende Oktober erklärte der russische Präsident Wladimir Putin, sein Land habe erfolgreich den nukleargetriebenen Torpedo getestet. Putin erklärte bei einem Besuch von verwundeten russischen Soldaten in einem Moskauer Krankenhaus, es sei erstmals gelungen, das Waffensystem nicht nur von einem U-Boot aus zu starten, sondern auch dessen nuklearen Antrieb zu aktivieren.

"So etwas gibt es bisher nicht", betonte Putin über das auch als 2M39 Status-6 bekannte System. Das Waffensystem gehört zu sechs "Superwaffen", die Putin 2018 in einer Rede offiziell vorgestellt hatte.

Torpedo oder Unterwasserdrohne mit nuklearem Antrieb

Über die genauen technischen Daten von Poseidon, benannt nach dem griechischen Meeresgott, gibt es nur wenige bestätigte Informationen. The War Zone gibt eine Länge von 20 Metern, einen Durchmesser von 1,8 Metern und ein Gewicht von 110 Tonnen an.

Das System hat eine geschätzte Reichweite von 10.000 Kilometern und soll 185 Kilometer pro Stunde schnell sein. Letzteres ist von Experten allerdings infrage gestellt worden. Die Tauchtiefe soll 1000 Meter erreichen. Die in Indien erscheinende Economic Times erwähnt eine autonome Steuerung, ohne allerdings Details zu nennen.

Hohe Sprengkraft, extreme Reichweite

Der Torpedo wird von einem Reaktor angetrieben, der möglicherweise mit flüssigem Metall gekühlt wird. Experten gehen davon aus, dass er einen Gefechtskopf mit zwei Megatonnen Sprengkraft tragen kann. Diese Sprengkraft entspricht mehr als dem 130-fachen der Hiroshima-Bombe mit 15 Kilotonnen TNT Sprengkraft.

Mit seinem nuklearen Antrieb kann die Waffe über extrem lange Zeiträume durch die Ozeane kreuzen, bevor sie einen Angriff ausführt.

Es sind immer wieder Berichte erschienen, die dem Torpedo die Fähigkeit unterstellen, einen radioaktiven Tsunami erzeugen zu können. Solche Einschätzungen sind jedoch eher der übereifrigen Fantasie von Menschen geschuldet, die die Sache nicht zu Ende gedacht haben. Militärexperten vermuten vielmehr, dass Poseidons Aufgabe darin besteht, Küstenanlagen ohne oder mit nur sehr geringer Vorwarnzeit zu treffen.

Weltgrößtes U-Boot als Trägerplattform

Als Startplattform für Poseidon dient derzeit das U-Boot Belgorod der russischen Marine. Die auch als K-329 bekannte Belgorod wurde 2022 in Dienst gestellt und ist mit 184 Metern Länge das weltgrößte U-Boot.

Wie The War Zone schreibt, ist die Belgorod wohl als eine Art Mutterschiff konzipiert, das verschiedene Tiefseedrohnen, ein nukleargetriebenes Mini-U-Boot und sogar ein Untersee-Kernkraftwerk zur Versorgung eines Untersee-Sensornetzes aussetzen kann. Das U-Boot kann sechs Poseidon-Torpedos mitführen.

Moskau plant wohl, drei U-Boote des Belgorod-Typs in Dienst zu stellen.

Eine neue Waffenkategorie

Der Poseidon-Torpedo stellt allerdings eine gänzlich neue Kategorie dar, deren Fähigkeiten zwischen einem Torpedo und einem unbemannten Unterwasserfahrzeug liegen. Rüstungskontroll-Experten geben zu bedenken, dass die Waffe nicht in die herkömmlichen Klassifizierungen nuklearer Abschreckung passt.

Namentlich Igor Korotchenko, Chefredakteur des Magazins National Defense und Militäranalyst, erklärte gegenüber der amtlichen russischen Nachrichtenagentur TASS, dass die Waffe nicht unter bestehende Verträge zur Begrenzung strategischer Waffen falle.

Er drückte seine Hoffnung aus, dass das System die USA dazu motivieren könnte, Moskaus Vorschlag zu unterstützen, den New-START-Vertrag um mindestens ein Jahr zu verlängern. Ein entsprechendes Angebot hatte Putin im September unterbreitet.

Neue Rüstungskontrollverhandlungen fraglich

Somit hat Moskau jetzt ein weiteres deutliches Signal an die USA gesendet, dass man bereit ist, über die neu entwickelten Waffen zu verhandeln. Der New-START-Vertrag ist das letzte große Rüstungskontrollabkommen zwischen den USA und Russland und läuft im Februar 2026 aus.

Korotchenko schlug überdies vor, dass eine Verlängerung als Grundlage für Verhandlungen über künftige nukleare Rüstungspolitik dienen könnte. "Solche Gespräche könnten die Vereinigten Staaten dazu bewegen, Kommunikationskanäle mit Moskau zu etablieren."

In den USA beurteilt man die Dinge offensichtlich vollkommen anders. Als Reaktion auf russische Tests von Atomwaffenträgersystemen will US-Präsident Donald Trump angeblich "unverzüglich" wieder Atombombentests durchführen lassen.

Bisher gibt es keine unabhängige Bestätigung, dass der Test der Poseidon tatsächlich stattgefunden hat. Am 28. Oktober wurden jedoch sechs nicht identifizierte Schiffe vor der Küste von Nowaja Semlja gesichtet, einem für Waffentests genutzten Archipel in der Arktis.