2030 ist das neue 2050 - Klimaschutz jetzt!
Deutschlands Selbstdarstellung als Vorreiter ist sachlich falsch. Schwellenländer und ärmere Staaten sind kein Vergleichsmaßstab - schlimme Verwerfungen drohen weltweit
Beinahe im Wochentakt werden zurzeit neue Ziele für Klimaneutralität bekannt gegeben. Diese Ziele werden notwendigerweise immer ehrgeiziger. Sie zeigen aber auch, dass bisher vieles versäumt wurde, was jetzt nachgeholt werden muss.
Kaum hatte die EU-Kommission beschlossen, bis 2050 klimaneutral zu werden, forderte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron mehr und sagte: "2030 ist das neue 2050."
Dass China und Indien und die meisten noch armen Länder erst in einigen Jahrzehnten klimaneutral werden wollen, ist historisch verständlich. Die armen Länder weisen seit Jahrzehnten zurecht darauf hin, dass die reichen Industriestaaten hauptsächlich für die Klimakatastrophe verantwortlich sind und deshalb beim Klimaschutz vorangehen müssen. Das Motto der armen Länder: "First rich and then clean - zuerst reich und dann sauber". Aber gehen die reichen Industriestaaten wirklich voran?
Die Grafik zeigt, dass auch die EU und Deutschland, die sich selbst gerne als Klimavorreiter ausgeben, noch längst keine ausreichenden Klimaschutzziele haben. 2050 oder auch 2045 ist entschieden zu spät.
Die Klimawissenschaft sagt uns eindeutig, dass die Welt in zehn oder spätestens 15 Jahren klimaneutral sein muss, wenn wir als Spezies angenehm weiterleben wollen. Das von allen Regierungen der Welt unterzeichnete Paris-Ziel heißt: Es darf nicht heißer als 1,5 Grad gegenüber der vorindustriellen Zeit werden. Doch 1,2 Grad wärmer ist es jetzt schon. Also muss in wenigen Jahren und nicht erst 2050 oder 2060 weltweit Klimaneutralität erreicht sein. Wir haben noch eine Gnadenfrist von wenigen Jahren, nicht von Jahrzehnten.
Alles andere ist nicht Klimaschutz-, sondern Klimaschmutzpolitik
Das neue Motto aller Industriestaaten kann deshalb wirklich nur noch heißen: "2030 ist das neue 2050". Alles andere ist pure und verantwortungslose Illusion. Es ist Klimaschmutzpolitik, aber keine Klimaschutzpolitik.
Wir können und müssen wissen: Wasser wird schon heute in immer mehr Ländern knapp. Kein Wasser bedeutet Dürre. Dürre bedeutet Hunger. Hunger bedeutet Flucht, Verteilungskämpfe und Krieg. Das Gleichgewicht der Erde bleibt fragil. Wir wissen heute, dass in 50 Jahren eine Million Arten ausgestorben sein werden.
Vor uns die Sintflut. Wenn wir so weitermachen. Aber müssen wir das?
Sommer 2021: In Süddeutschland Starkregen, Stürme und Überschwemmungen. Im US-Staat Oregon wüstenheiße Temperaturen von 46,6 Grad, in Teilen Kanadas fast 50 Grad. Menschen - vor allem ältere - mussten sich in Kühlräume retten. Auf den Straßen bildeten sich Hitzeblasen, die aufplatzen und den Verkehr ausbremsen. Die US-Klimaforscherin Kristie L. Ebi: "Die Klimawissenschaft weiß, dass der Klimawandel die Frequenz, die Intensität und die Dauer der Hitzewellen erhöht. (…) Unsere Prognosen beinhalten, dass diese Trends sich fortsetzen". So ähnlich sprechen Klimawissenschaftler auf der ganzen Welt.
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