25 Prozent Armutssteuer?
Eine Beispielrechnung
Offiziell gibt es natürlich keine Armen- oder besser: Armutssteuern. Armutssteuer - das ist ein polemischer Begriff für jene Steuern und Abgaben, die nicht einkommensabhängig sind. Unter ihnen leiden nämlich in erster Linie die Niedrigverdiener. Wie viel Prozent ihres Einkommens machen diese Zahlungen aus? Ein überraschendes Ergebnis: Sie zahlen deutlich mehr als Mitt Romney (14%) und genauso viel wie Vermögende auf ihre Kapitalerträge, nämlich 25 Prozent. Hier die Berechnung:
Es ist schwer vorstellbar, dass Bürger mit einem Monatseinkommen von 900 Euro netto keine Verkehrsmittel und keine Telekommunikation benutzen, weder zum Arzt noch zur Apotheke gehen. Auch ein niedriges Einkommen erfordert einen Arbeitsplatz - und damit telefonische und elektronische Erreichbarkeit. Damit sind Telefon, Internet und Bahn keine Privatsache, sondern Bedingung zur Ausübung eines 1450-Euro-brutto-Jobs.
Einen PKW kann man sich mit 900 Euro monatlich nicht leisten - aber woher die 240 Euro für die Bahncard 50 abzwacken, wenn der Dispo ausgeschöpft ist und unvorstellbare 25 Prozent des schmalen Einkommens auch noch für unvermeidbare Steuern und Abgaben verwendet werden müssen?
Jede Vorauszahlung, jede Anzahlung ist bei diesem Einkommen nicht möglich. Man kann nur von 900 Euro leben, wenn man in einer WG, mit Freunden oder Familie lebt. Oder eine Wohnung oder ein Haus geerbt hat. Nach der hier vorgestellten Beispielrechnung würden nämlich nach Abzug der 25% noch etwa 200 Euro für Miete und Heizung übrigbleiben. Damit kommt man auch in Halle oder Oberhausen nicht aus.
Zynische Idee: Die Armutssteuer verhindert Armut
Es gibt Steuern, etwa die Tabaksteuer, die beanspruchen, prohibitiv zu wirken. In der Tat nimmt der Tabakkonsum kontinuierlich ab. Es ist allerdings fraglich, ob der Rückgang des Rauchens wesentlich auf die Steuern zurückzuführen ist.
Wenn man sehr zynisch ist, könnte man sagen: "Die Armutssteuern machen Armut unattraktiv." Dieses Ergebnis kann aber nicht bestätigt werden. Laut Armutsbericht nimmt die Armut trotz des klug konzipierten Anreizes der Armutssteuer nicht signifikant ab. Ein möglicher Grund: Da die Wahlmöglichkeiten für den Großteil der Armen nicht existieren, sie also ihre Einkommen trotz der ständigen der Drohung mit Armut nicht steigern können, bleiben die Armutssteuern nur eine dauerhafte Fron.
Eine kuriose Idee zur Überwindung der Armut ist dabei eine "Steuer gegen Armut", die sich selbst als Transaktionssteuer versteht. Allerdings würde diese die Steuerlast der Armen nicht vermindern, denn erst ab etwa 3.000 Euro netto im Monat werden die hier aufgeführten, einkommensunabhängigen Abgaben im Verhältnis zum Gesamteinkommen deutlich niedriger. Im Islam existiert eine derartige Abgabe schon lange: Die Zakat schreibt den Gläubigen vor, einen Prozentsatz ihres Einkommens als Almosen zu spenden. Es werden etwa 2,5 Prozent, der "Vierzigste", empfohlen.
Da liegen unsere Armen mit ihren 25 Prozent dann doch weit darüber. Allerdings hält sich die Dankbarkeit jener, die dank der Zakat deutscher Niedrigverdiener weniger Telefon- und Fernsehgebühren zahlen müssen, von niedrigerem Zins, günstigeren Bahnfahrten und Arztbesuchen profitieren, in Grenzen.