38 Milliarden Dollar Starthilfe: Musks vergessene Staatsaffäre

Bild: Andrew Harnik/ Shutterstock.com
Elon Musk kämpft gegen staatliche Eingriffe. Dabei erhielt er selbst Milliarden an Förderung für seine Firmen. Was der reichste Mann der Welt dem Staat zu verdanken hat.
Der derzeit vermögendste Mensch der Welt, der mal wieder mit Geldgeschenken um sich wirft, um die Politik zu beeinflussen, genauer gesagt die Richterwahl zum Obersten Gerichtshof in Wisconsin, leitet bekanntermaßen in Washington die frisch gegründete Abteilung für Regierungseffizienz (DOGE). Offizielles Ziel: Verschlankung der Bürokratie. Viele befürchten jedoch, dass Musk, den Staat mehr oder minder handlungsunfähig machen möchte.
Welche Untersuchungen?
Andere sehen in Musks Kahlschlag ein klares Kalkül. So warnt Thomas G. Moukawsher in "Newsweek":
Erinnern Sie sich an das Wochenende, an dem Musk die Usaid in den Häcksler warf? Warum mit Usaid anfangen? Eine unbestreitbare Auswirkung war die Schließung einer Behörde, die eine Untersuchung über ihre Beziehung zu Musks Starlink anstellte. (…) Als Nächstes gab das Justizministerium am 20. Februar 2025 bekannt, dass es eine Diskriminierungsklage gegen Musks Unternehmen SpaceX fallen lassen würde. Gleichzeitig entließ die Regierung zwei Kommissare und den obersten Anwalt der für die Klagen zuständigen Behörde.
Moukawsher listet eine ganze Reihe weiterer Klagen und Untersuchungen auf, die von Behörden aktuell noch gegen Firmen von Elon Musk geführt werden.
Geschenke des Staates
Auch wenn derzeit unklar ist, wie lange die politische Karriere dauern mag und ob Musk seiner plötzlichen Kehrtwende, die Position in der US-amerikanischen Regierung nach nur 130 Tagen zu verlassen auch die entsprechende Tat folgen lässt, so gibt eine aktuelle Untersuchung der Washington Post eine bisher kaum bekannte und entsprechend unterbelichtete Seite des Leiters und Mitinhabers von Tesla.
So massiv sich Musk seit Langem gegen den Staat und staatliche Eingriffe kämpft, so sehr hat er offenbar von Anbeginn seiner Karriere an die Hand aufgehalten, wenn es um finanzielle Unterstützung des Staates ging.
Milliardenhilfe für den Self-Made-Man
Die Wirtschaftswissenschaftlerin Mariana Mazzucato hatte als eine der Wenigen den Blick auf das Thema der staatlichen Unterstützung für die Superstars in Silicon Valley gerichtet.
So schrieb sie in ihrem Buch "Mission Economy": "Elon Musk hat Berichten zufolge 4,9 Milliarden US-Dollar an öffentlichen Subventionen für seine drei Unternehmen, darunter SpaceX, erhalten. Diese Unterstützung ist nicht Teil der Erzählung seiner unternehmerischen Erfolgsgeschichte."
Das Ergebnis des Rechercheteams der Washington Post gibt Masszucato mehr als Recht:
Im Laufe der Jahre haben Musk und seine Unternehmen mindestens 38 Milliarden Dollar an staatlichen Aufträgen, Darlehen, Subventionen und Steuergutschriften erhalten, oft in kritischen Momenten, (…) damit das Wachstum gefördert, das ihn zum reichsten Menschen der Welt gemacht hat. (…) Der Gesamtbetrag ist wahrscheinlich höher: Diese Analyse umfasst nur öffentlich zugängliche Verträge und lässt die als geheim eingestuften Verteidigungs- und Nachrichtendienstarbeiten für die Bundesregierung aus.
Entscheidende Starthilfe
Die Unternehmen von Elon Musk wurden gerade in den Anfangsjahren mit wichtigen Finanzspritzen des Staates aufgepeppelt. Tesla profitierte beispielsweise massiv. Das Darlehen des Energieministeriums in Höhe von 465 Millionen Dollar, das im Jahr 2010 gewährt wurde, war für die Zukunft von Tesla entscheidend.
Die Washington Post zitiert einen ehemaligen hochrangigen Tesla-Mitarbeiter, der mit den Finanzen des Unternehmens vertraut ist und aus Angst vor Vergeltungsmaßnahmen anonym bleiben wollte: "Tesla hätte ohne den Kredit nicht überlebt. Es war ein kritischer Kredit zu einem kritischen Zeitpunkt."
Auch SpaceX wurde in den ersten Jahren sehr stark von der Nasa und dem Verteidigungsministerium durch Verträge gefördert. die dem Unternehmen beim Aufbau der Infrastruktur halfen. Dabei tolerierte die Behörde sogar, dass SpaceX die geforderten Ziele nicht pünktlich erreichte, wie Ermittler des Kongresses berichten.
Jeffrey Sonnenfeld, Professor an der Yale School of Management, betont übrigens: "Nicht jeder Unternehmer in dieser Größenordnung war so abhängig von Bundesgeldern - sicherlich nicht Nvidia, nicht Microsoft, nicht Amazon und auch nicht Meta."
Der Staat bleibt allein
Zu Recht kann man darauf verweisen, dass Elon Musk nach einigen Jahren dem Staat das Darlehen für Tesla zurückgezahlt hat. Das ist aber nur die eine Seite der Geschichte. Denn wie Mazzucato betont, spielt hier der Staat nur die Rolle des freundlichen Darlehensgebers, der das gesamte Risiko übernimmt, aber in keiner Weise an den möglichen Gewinnen beteiligt wird.
Die besondere Rolle des Risikoträgers, die die Steuerzahler übernehmen, sollte auch zwingend berücksichtigt werden, wenn Unternehmen wieder nonchalant maximale Steuervermeidung betreiben und so die Steuereinnahmen schrumpfen lassen, obwohl sie ohne die tatkräftige Unterstützung durch Gelder aus eben dieser Steuerkasse, nie hätten erfolgreich geführt werden können.
Den Staat abschaffen
Um die Entdeckung der Washington Post mit anderen Worten auszudrücken: ohne die wiederholte großzügige staatliche Hilfe hätte vermutlich keines der bekannten Unternehmen von Elon Musk überlebt, er wäre kein Multimilliardär und nicht in einer politischen Position, um genau das abzuschaffen, was seinen Unternehmen und ihm geholfen haben: den Staat. Jeffrey Sonnenfeld gibt daher zu bedenken: "Bei DOGE scheint es tatsächlich ein Paradoxon zu geben. Er (Elon Musk – A. W.) war ein großer Nutznießer der nationalen Industriepolitik, insbesondere der Industriepolitik der Demokraten, durch staatliche Finanzierung."
Blick zum Mars
Bis zum einem möglichen sehr frühen Ausscheiden aus der politischen Arena sägt Musk weiterhin mit einer mehr oder minder symbolischen Kettensäge am Ast der staatlichen Förderung, auf dem er selber so lange gesessen hat, bis seine Unternehmen reich und mächtig genug waren, um selbstständig laufen zu können.
Die Reduzierung, Schwächung oder auf längere Frist gewünschte Abschaffung des Staates ist ein Ziel, das Musk bekanntlich in Silicon Valley nicht allein verfolgt, wo etwa Privatstaaten hoch im Kurs stehen. Der kanadische Historiker Quinn Slobodian warnt daher: "Wir müssen uns an den Gedanken gewöhnen, dass für Musk die Vereinnahmung des Staates kein Selbstzweck ist, sondern nur ein Vorspiel zum Staatsausstieg – der Gründung einer neuen politischen Ordnung, sei es auf der Erde (erprobt durch die Gründung einer firmeneigenen Stadt in Starbase, Texas) oder auf dem Mars."
Während einige Milliardäre ihre libertären Pläne auf Planeten Erde zu Land oder zu Wasser anvisieren, zielt Musk hoch hinaus in den Weltraum. Der erste Weltraumflug zum roten Planeten ist für das kommende Jahr geplant.
Hierbei ist das Ziel aber kein Tourismus, sondern der Aufbau einer Kolonie für eine Million Menschen, die in 35 Jahren das Licht des Mars erblicken soll. Wen interessieren dann noch irgendwelche weltlichen Probleme wie Armut und Hunger, die man selber fast aus der Portokasse beheben könnte, oder knappe Staatskassen, wenn es so eine attraktive Exit-Strategie gibt?
Der Medienwissenschaftler Douglas Rushkoff, der sich mit diesem Thema ausführlich beschäftigt hat, schreibt in seinem aktuellen Buch "Survival of the Richest": "In Anlehnung an den Tesla-Gründer Elon Musk, der den Mars kolonisiert, Peter Thiel von Palantir, der den Alterungsprozess umkehrt, oder die Entwickler künstlicher Intelligenz Sam Altman und Ray Kurzweil, die ihre Gedanken in Supercomputer hochladen, bereiteten sie sich auf eine digitale Zukunft vor, die weniger damit zu tun hatte, die Welt zu verbessern, als vielmehr damit, das Menschsein insgesamt zu überwinden.
Ihr extremer Reichtum und ihre Privilegien führten nur dazu, dass sie davon besessen waren, sich vor der sehr realen und gegenwärtigen Gefahr des Klimawandels, des steigenden Meeresspiegels, der Massenmigration, globaler Pandemien, der Panik der Einheimischen und der Erschöpfung der Ressourcen zu schützen. Für sie geht es bei der Zukunft der Technologie nur um eines: die Flucht vor dem Rest von uns.
Einst überhäuften diese Leute die Welt mit wahnsinnig optimistischen Geschäftsplänen, wie die Technologie der menschlichen Gesellschaft nützen könnte. Jetzt haben sie den technologischen Fortschritt auf ein Videospiel reduziert, das einer von ihnen gewinnt, indem er die Fluchtluke findet."