41 Prozent sind für Neuwahlen – aber warum FDP-Anhänger?

FDP-Chef Christian Lindner 2021 beim Unterzeichnen des Koalitionsvertrags. Foto: Sandro Halank, Wikimedia Commons / CC BY-SA 4.0

Ein "Ampel-Aus" scheint ein populärer Gedanke zu sein. FDP-Lokalpolitiker halten viel davon, ihre Parteispitze weniger. Aber politische Macht wird überschätzt. Ein Kommentar.

FDP-Lokalpolitiker zeigen sich in diesen Tagen selbstbewusst: Obwohl ihre Partei in Umfragen bundesweit nur noch bei rund fünf Prozent liegt und ihren Stimmenanteil seit der Bundestagswahl 2021 mehr als halbiert hat, halten einige von ihnen vorgezogene Neuwahlen für eine gute Idee. Es werden sogar schon Unterschriften für einen Mitgliederentscheid über die Aufkündigung der Ampel-Koalition durch die FDP gesammelt. 500 Parteimitglieder müssten dafür unterschreiben. 150 taten dies innerhalb einer Woche.

Als Grund wird sinngemäß angegeben, dass die Koalitionspartner im Bund am schlechten Abschneiden der FDP bei den Landtagswahlen in Bayern und Hessen seien. In Bayern hatten die Wirtschaftsliberalen am 8. Oktober mit drei Prozent sogar den Wiedereinzug verpasst, in Hessen hatten sie ihn in mit fünf Prozent gerade noch geschafft.

Aber immerhin: Gut acht mal so viele Menschen, wie momentan bundesweit FDP wählen würden, finden zumindest den Gedanken an ein "Ampel-Aus" reizvoll: 41 Prozent plädierten diese Woche in der Deutschlandtrend-Umfrage im Auftrag des ARD-Morgenmagazins für Neuwahlen. Nur 32 Prozent sprechen sich klar für einen Fortbestand der Koalition aus, der Rest ist unentschlossen. Die FDP-Wählerschaft ist sich laut der Umfrage nicht einig: 39 Prozent würden das Ende der Koalition begrüßen, 47 Prozent wären dagegen.

Die Unzufriedenheit mit der "Ampel" insgesamt ist groß, allerdings verloren die medial heftig gescholtenen Grünen in Umfragen bisher deutlich weniger Zustimmung als die FDP. Zwischen 13 und 16 Prozent erreichten die Grünen in Umfragen seit Ende Oktober – also teilweise sogar etwas mehr als bei der letzten Bundestagswahl mit 14,8 Prozent. Die FDP lag in diesem Zeitraum mal knapp über fünf Prozent, mal knapp darunter. 2021 hatte sie 11,5 Prozent erreicht.

In absoluten Zahlen hat zwar die "Kanzlerpartei" SPD mehr Zustimmung verloren, da sie von 25,7 Prozent auf 15 bis 17 Prozent in den letzten Wochen abrutschte – halbiert hat sie ihren Stimmenanteil im Gegensatz zur FDP noch nicht.

Ämter und Mandate oder "nur" ökonomische Macht?

Bei FDP-Politikern mit Bundestagsmandaten und Ministerämtern hält sich die Begeisterung für die Unterschriftenaktion natürlich in Grenzen. Parteichef Christian Lindner, der zurzeit das Bundesministerium für Finanzen führt und sich Ende Oktober vorerst zum Verbleib in der "Ampel" bekannte, ist aber auch dafür bekannt, dass er nicht immer um jeden Preis auf der Regierungsbank sitzen wollte.

Nach der Bundestagswahl 2017 ließ er die Sondierungen für eine "Jamaika-Koalition" mit Unionsparteien und Grünen platzen, nachdem seine Partei gerade erst wieder in den Bundestag eingezogen war. 2013 war sie – bezeichnenderweise nach einer Regierungsbeteiligung – an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert.

Gepokert hat die FDP auch bei den Ampel-Koalitionsverhandlungen hoch. Immerhin stellt sie als kleinster Koalitionspartner nicht nur den sehr dominanten Finanzminister, sondern auch den Justizminister, die Bildungsministerin und den Verkehrsminister. Letzterer ist zum Sinnbild dafür geworden, wie erfolgreich die FDP die Grünen am Nasenring durch die Manege ziehen konnte.

Schon der Verzicht auf ein Tempolimit war die erste Kröte, die sie ihrer Basis zu schlucken geben mussten. Auch die später im Koalitionsausschuss beschlossene Streichung der Sektorziele im Klimaschutzgesetz, das laut Bundesverfassungsgericht eigentlich nachgeschärft werden müsste, war für Verkehrsminister Volker Wissing eine "Carte blanche".

Der Klima-Expertenrat hatte zuvor ein vernichtendes Urteil über Wissings "Sofortprogramm" gesprochen: Es sei "schon im Ansatz ohne Anspruch". Als prominentes Grünen-Mitglied hatte die Klima-Aktivistin Luisa Neubauer Wissing "Arbeitsverweigerung" vorgeworfen und "Konsequenzen" verlangt. Doch ihre Parteispitze blieb versöhnlich und nickte zu Wissings Gunsten die Streichung der Sektorziele ab.

Dass Wissing den Taktfahrplan für die Deutsche Bahn nicht nur um zehn oder 20 Jahre, sondern gleich auf das Jahr 2070 verschoben hat – in dem er zufällig genau 100 Jahre alt wird – bestätigt einmal mehr, wie sehr sich der Minister und seine Partei der Autolobby verbunden fühlen und wie wenig ernst sie ihre Koalitionspartner nehmen.

Drehtür zur Chefetage der Privatwirtschaft

Böse ausgedrückt kann das Selbstbewusstsein der FDP auch damit zu tun haben, dass sie als Sprachrohr der ökonomisch herrschenden Klasse in einer "marktkonformen Demokratie" noch ganz andere Einflussmöglichkeiten hat als Ämter und Mandate. 2016 hieß es in einer entschärften (!) Version des Armuts- und Reichtumsberichts der Bundesregierung, dass "eine Politikänderung wahrscheinlicher ist, wenn diese den Einstellungen der Befragten mit höherem Einkommen mehrheitlich entsprach".

Auch sieht das deutsche Karenzzeit-Gesetz in der Regel kaum mehr als ein Sabbatjahr vor, bis ein Ex-Minister lukrative Posten in dankbaren Unternehmen antreten darf. Zwölf bis maximal 18 Monate kann die "Abklingphase" dauern – Übergangsgeld gibt es aber bis zu zwei Jahre lang. Nicht ohne Grund fordert der Verein LobbyControl eine Karenzzeit von drei Jahren.

Die FDP-Granden konnten sich bisher darauf verlassen, weich zu fallen. Sie leben im vollen Bewusstsein, nur eine Minderheit zu repräsentieren, aber eben eine reiche Minderheit. Auch die Grünen sind zwar zu einer Partei der Besserverdienenden geworden, aber nicht für alle Kapitalfraktionen die beste Wahl. Sie scheinen mehr an Ämtern und Mandaten zu hängen; und diese Schwäche weiß die FDP auch als kleinster Koalitionspartner gut auszunutzen.

AfD-Anhänger zu 86 Prozent für Neuwahlen

Was den Zuwachs an Mandaten angeht, würde momentan laut Umfragen vor allem die AfD von einer vorgezogenen Bundestagswahl profitieren – seit 2021 hat sie ihren Stimmenanteil von damals 10,3 Prozent laut aktuellen Umfragen in etwa verdoppelt. Insofern verwundert es nicht, dass 86 Prozent der AfD-Anhänger für Neuwahlen sind.

"Kanzlerpartei" dürfte aber die CDU werden: mit knapp 30 Prozent sind die Unionsparteien derzeit im Umfragen stärkste Kraft.

Ihre Schamfrist für eine Zusammenarbeit mit der ultrarechten AfD auf Bundesebene dürfte aber noch eine Weile andauern. Insofern wäre die FDP wieder ein möglicher Koalitionspartner – aber auch die Grünen, falls eine "große Koalition" mit der SPD in Unionskreisen abgelehnt wird.